Das schwul-lesbische Zentrum Weißenburg feiert seinen 18. Geburtstag, in der Szene wurde es von Anfang an gut angenommen. Doch auch Joachim Stein und seine Mitarbeiter können nicht in allen Fällen helfen, dazu fehlt ihnen die Zeit.

Psychologie/Partnerschaft: Nina Ayerle (nay)

Heusteigviertel - Den Gedanken, ein eigenes Zentrum für die schwule und lesbische Szene zu gründen, hatte Joachim Stein schon länger im Kopf. Doch sein anderes Engagement in diesem Bereich nahm soviel Raum ein, dass er das Projekt hinten anstellte – bis ihm eines Tages die perfekte Immobilie angeboten wurde. „Ich habe mir die Räume angeschaut und gedacht, dass es viel zu groß ist, aber das ist gut so“, erzählt Stein. Entstanden sei die Idee auf einer Klausurtagung der Stuttgarter Initiativgruppe Homosexuelle. „Wir haben dort beschlossen, dass Stuttgart dringend eine Heimat für Schwule und Lesben braucht“, ergänzt der 55-Jährige, der einer von fünf Vorständen im Verein Weißenburg ist. Inzwischen ist dies 18 Jahre her, am vergangenen Wochenende hat der Verein seinen 18. Geburtstag gefeiert.

 

Davor hatte die Initiativgruppe lediglich Räume im Gebäude an der Senefelderstraße 60, wo sie sich dreimal die Woche treffen konnte. „Wir hatten dort kaum Entfaltungsmöglichkeiten“, sagt er. Mit den Räumen an der Weißenburgstraße 28 A habe sich aus der Initiative heraus der Verein gegründet, der heute Träger des Zentrums ist.

Klein wusste, das Zentrum könnte funktionieren

Bevor der Verein allerdings dort einziehen konnte, galt es noch einige Schwierigkeiten zu überwinden. Mal stand das Baurechtsamt im Weg, dann gab es Vorbehalte von den Anwohnern, doch letztlich konnten sich die Mitglieder mit Hilfe ihres Vermieters durchsetzen. Am 3. Februar 1996 fand die offizielle Eröffnung statt.

Die Angst, der Verein könnte nicht angenommen werden, wurde Stein bereits bei der Baustellenparty im Dezember davor genommen. „Es kamen 250 Leute, obwohl wir zehn Mark Eintritt verlang hatten.“ Da wusste Klein, das Zentrum könnte funktionieren. „Die ersten drei Jahre lief es bombig“, sagt er. Finanziell war es jedoch immer eng. Doch Stein ließ nie locker, setzte sich immer und immer wieder auf politischer Ebene ein und auch durch. Heute erhält der Verein 25.000 Euro Zuschuss im Jahr von der Stadt Stuttgart.

Inzwischen treffen sich in dem Zentrum drei Jugendgruppen; die Chöre Rosa Note und Musica Lesbiana haben ebenso ein Zuhause gefunden wie zahlreiche Vereine und Organisationen, wie zum Beispiel der Sportverein Abseits, der Verband lesbischer Psychologen. An fünf Tagen in der Woche ist das Café geöffnet, das die Mitglieder ehrenamtlich betreiben – auch wenn es zeitlich schwierig ist. „Wenn niemand gefunden wird, dann muss der Vorstand hinter die Theke“, sagt Stein.

Heute sieht sich der Verein in der Nachbarschaft etabliert

Viele Erfolge konnte das Zentrum in den vergangenen 18 Jahren verbuchen. Während in den Wochen nach dem Einzug noch Hakenkreuze an die Tür geschmiert wurden, sieht Stein den Verein heute in der Nachbarschaft etabliert. „Da haben wir Fortschritte gemacht.“ Seit mehr als zehn Jahren engagiere man sich beim Heusteigviertelfest. Und obwohl sich die Stuttgarter CDU Mitte der 1990er Jahre heftig wehrte, gelang es dem Verein als Träger der freien Jugendarbeit anerkannt zu werden.

Vieles ist heute leichter, „seit es in jeder Fernsehsendung einen Quoten-Homo gibt“, sagt Stein und lacht. Doch noch immer lockt das Zentrum eher die bürgerliche Mittelschicht an. „Die unteren Schichten erreichen wir kaum.“ Das führt er darauf zurück, dass sich dort viele noch nicht trauen, zu ihren Neigungen zu stehen. Stolz ist er jedoch, dass sich nun der ein oder andere Migrant ins Zentrum verirrt. Das sei ein Novum im Zentrum, sagt der Vorstand.

Für die Zukunft wünscht sich Stein eine Beratungsstelle, die mit öffentlichem Geld finanziert wird. So könnte die Betreuung von einigen Menschen besser gewährleistet werden. Bei verzwickten Fällen – wenn jemand auf der Arbeit gemobbt wird oder ein Jugendlicher nach seinem Outing von daheim rausgeworfen wurde – kann Stein wenig ausrichten. „Nach acht Stunden Arbeit kann ich mich zwar kümmern, aber vieles nicht lösen.“ Doch bis es soweit ist, nimmt er die Sache wohl weiterhin selbst in die Hand – das tut er schließlich seit mehr als 25 Jahren.