Im Science Pub an der Uni Hohenheim ging es um die Frage, wie die Musik Entwicklungen im Gehirn beeinflusst. Referiert hat der Erfinder des Science Pub, Larry Sherman.

Hohenheim - Originelle Wissenschaftsthemen, locker bei einem Bier präsentiert – das ist die Idee, die hinter der Stuttgarter Veranstaltungsreihe „Science Pub“ steckt. Bisher war sie in der Stuttgarter Kulturkneipe Rosenau zu Gast, doch am Montag machte sie ausnahmeweise in der Thomas-Müntzer-Scheuer an der Uni Hohenheim Station. Dabei präsentierten die Veranstalter – die Gesellschaft für Naturkunde in Baden-Württemberg sowie das Naturkundemuseum und der Klett Mint Verlag – einen ganz besonderen Wissenschaftler: Larry Sherman, den Erfinder des Science Pub, der an der Health and Science University in Portland im US-Bundesstaat Oregon lehrt.

 

„Wie Musik dem sich entwickelnden und alternden Gehirn hilft“, lautete sein nicht gerade alltägliches Thema. Als passende Einführung greift Sherman, der sowohl Entwicklungsbiologe als auch Hirnforscher ist, zunächst einmal beherzt in die Klaviertasten. Dazu schickt er passende Sprüche über den Bildschirm – etwa die Erklärung, was eine Oper ist: wenn ein Kerl von hinten erstochen wird und dann noch singt, anstatt zu sterben. Dann aber wird es mit einer Einführung in den Aufbau des menschlichen Nervensystems und Gehirns deutlich wissenschaftlicher. Doch dank immer wieder eingestreuter Anekdoten und hübscher Bilder folgt das Publikum in der voll besetzen Scheuer interessiert den Ausführungen. So erfährt man, wie Nervenzellen und ihre Hilfszellen, die Gliazellen, entstehen, wie sie über spezielle Verbindungen, die Synapsen, Kontakt zueinander aufnehmen und wie sich um manche Nervenzellen eine Hülle bildet, die sogenannte Myelinscheide.

Alle Mütter singen ihren Babys vor

Diese Erklärungen sind wichtig, um im zweiten Teil des Vortrags zu verstehen, wie Musik das Gehirn beeinflusst. Doch zunächst macht sich Sherman grundsätzliche Gedanken darüber, wie tief Musik in allen Kulturen verankert ist – und zwar von Anfang an: Selbst bei unseren steinzeitlichen Vorfahren gab es schon Musikinstrumente. Und alle Mütter singen ihren Babys Lieder vor: „Einige besser als andere – und daher lieben einige Babys Musik mehr als andere“, erklärt Sherman, worauf er wieder einmal die Lacher auf seiner Seite hat.

Und dann stimmt er sein Publikum gebührend auf den „Musik-Hirnteil“ seines Vortrags ein – indem er zum Mitsingen auffordert: „Diejenigen, die gut singen, singen bitte ein bisschen lauter.“ So werden seine am Klavier angefangenen Tonfolgen ergänzt und der Beatles-Song „He-ey Jude“ in immer neuen Anläufen um jeweils einen Ton nach oben geschraubt.

Musik ruf emotionale Erinnerungen vor

Anschließend wird es wieder wissenschaftlicher: Das Publikum erfährt, wie vielfältig Musikhören den Körper beeinflusst. Es erhöht die Aufmerksamkeit, wirkt auf die Stimmung, ändert den Blutdruck und ruft starke emotionale Antworten sowie Erinnerungen hervor. Dabei lässt sich mit speziellen Methoden wie der funktionellen Magnetresonanztomografie erkennen, welche Hirnareale aktiv sind, wenn man Musik hört oder gar ein Instrument spielt – „eine der größten Herausforderungen für das Gehirn“, wie Sherman anmerkt. „Musikhören ist ein guter Weg, das Hirn aufzuwecken – aber es macht einen nicht klug“, fügt er an. Und der natürliche Alterungsprozess des Gehirns lässt sich durch Musik auch nicht stoppen.

Aber immerhin kann man sein alterndes Gehirn mit Hilfe von Musik gewissermaßen auf Trab halten – vor allem, wenn man ein Instrument beherrscht oder gar im fortgeschrittenen Alter noch lernt, eines zu spielen. Dabei ist es nicht so wichtig, wie schwer die Melodien sind, die man spielt. Bedeutender sind die musikalischen Aktivitäten an sich: Denn die, so Shermans Botschaft, wirken sich in dreifacher Hinsicht positiv auf Gehirn und Nervensystem aus: auf die Bildung der Nervenzellen und ihre Verbindungen untereinander, also die Synapsen, sowie die Entstehung der wichtigen Myelinscheiden.