Der SWR hat einen Spielfilm über einen Scientology-Aussteiger gedreht. Der Film erzählt, wie Psychoterror die menschliche Seele deformiert.

Stuttgart - Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, dass dieser Film aus dem Rahmen fällt, dann hat ihn jetzt die Premiere in Berlin in der vergangenen Woche geliefert. Vor dem ARD-Hauptstadtstudio hat sich einer jener Bodyguards aufgebaut, wie man sie sonst eher vor schummerigen Techno-Clubs als vor dem Kanzleramt trifft. Ob man eine Einladung dabei habe, brummt der kahlköpfige Muskelprotz. Im Eingang werden Besucher ein zweites Mal kontrolliert. Danach geht das Theater erst los. Um einen imaginären roten Teppich herum hat sich ein Dutzend Fotografen gruppiert.

Berechtigter Sicherheitsaufwand oder ein bisschen Show, um einen Film zu vermarkten, der schon vor seiner Ausstrahlung am 31. März (20.15 Uhr) die Gemüter erhitzt? Nach der Premiere von "Bis nichts mehr bleibt" ist man sich da nicht mehr ganz sicher. Die Premiere in Berlin trägt Züge einer vorzeitigen Oscar-Verleihung. Teamworx hat den Film mit Unterstützung des SWR, der Degeto und dem NDR produziert, und keiner der Beteiligten lässt sich die Gelegenheit entgehen, sich vor der versammelten Presse schon mal selber zu diesem Film zu beglückwünschen.

Dieser Film geht unter die Haut


Wer außer der ARD, so verkündeten die Verantwortlichen, habe denn schon den Mut gehabt, sich mit den fragwürdigen Methoden von Scientology zu beschäftigen - und das nicht in Form einer Dokumentation, sondern in Form eines Spielfilms? Wer habe es schon gewagt, die als klagefreudig geltende Psychosekte obendrein bei ihrem Namen zu nennen?

Um es gleich vorweg zu sagen: Dieser Film geht tatsächlich unter die Haut. Er zeichnet das beklemmend dichte Psychogramm einer Familie, die an den Regeln jener Organisation zerbricht, die sich zwar selber als Kirche bezeichnet, die aber hierzulande vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Der Film erzählt, wie Psychoterror die menschliche Seele deformiert.

Für den Film hat der erfahrene Tatort-Regisseur Niki Stein (Drehbuch und Regie) nach eigenen Worten monatelang recherchiert und lange Gespräche mit Scientology-Aussteigern geführt. "Eine präzise Recherche", sagt der Fernsehfilmchef Carl Bergengruen vom SWR, sei schließlich das beste Mittel, um sich gegen mögliche Klagen zu wappnen. Alleine darauf mag er sich aber offenbar nicht verlassen. Sicherheitshalber haben die Väter des Films den bekannten Berliner Medienanwalt Christian Schertz als Rechtsberater mit ins Boot geholt. Offenbar ist ihnen bewusst, dass sie sich auf einem schmalen Grat bewegen. Der Film, so formuliert es der Produzent Nico Hofmann, beruhe zwar auf einer wahren Geschichte, erhebe aber nicht den Anspruch, "die Geschehnisse in jeder Hinsicht authentisch wiederzugeben".

Tochter landet in einem Scientology-Internat


Es ist die Geschichte von Heiner von Rönn, der in den achtziger Jahren mit seiner Familie in die Fänge von Scientology gerät. Felix Klare, der neue SWR-Tatort-Kommissar, spielt diesen Familienvater namens Frank Reiners mit beängstigender Intensität als einen labilen Studenten, der zu spät merkt, dass ihn die Organisation in Gestalt der charmanten Anwerberin Helen (Nina Kunzendorf) nur als Lockvogel benutzt. In Wirklichkeit haben es die Scientologen auf seine Frau Gine (Silke Bodenbender) abgesehen, eine versnobte, vom Leben gelangweilte Reederstochter, die das notwendige Kleingeld besitzt, um exorbitant teure Gehirnwäschen zu bezahlen.