Jermaine Guynn ist der neue amerikanische Trainer des Football-Erstligisten Stuttgart Scorpions – und will hier nicht mehr weg. Er lebt mittlerweile seit vier Jahren im Osten der Stadt und sieht viele Vorzüge von Deutschland gegenüber den USA.

Sport: Gerhard Pfisterer (ggp)

Stuttgart - American Football wird mit einem eiförmigen Ball gespielt. Doch diesen hat der neue Trainer Jermaine Guynn den Spielern der Stuttgart Scorpions erst einmal vorenthalten, als er sein Amt im November angetreten ist. Stattdessen hat er sie durch knallharte Konditionszirkel geschickt. „Wir haben sie richtig herausgefordert. Wir haben sie in eine Extremsituation gesteckt und geschaut, wer sich nicht unterkriegen lässt und das Beste daraus macht – das ist Football, das ist Teamsport, das ist das Leben“, sagt der 32-jährige US-Amerikaner auf Englisch bei einer Tasse grünem Tee und einer Butterbrezel in einem Café im Stuttgarter Osten, wo er seit vier Jahren zu Hause ist.

 

Jermaine Guynn, der als Scheidungskind bei seiner Mutter aufwuchs, hat sich nie unterkriegen lassen, auch wenn es nicht immer leicht für ihn war. An der Purdue University in der Nähe seiner Heimatstadt Indianapolis erhielt er beispielsweise zunächst kein Football-Stipendium; im Training arbeitete der Verteidiger im ersten Jahr jedoch so hart, dass er anschließend doch eines bekam und von 2005 bis 2008 noch eine gute Karriere in der höchsten Collegeliga hinlegte (mit Spielen vor teilweise mehr als 100 000 Zuschauern bei Ohio State oder Penn State).

Über Schweden nach Deutschland

„Effort“ ist ein Wort, das Jermaine Guynn immer wieder einstreut. Einsatz, voller Einsatz. Den hat er immer gebracht – und das erwartet er jetzt als Trainer von seinen Spielern. „Damit verdienst du dir den Respekt und das Vertrauen deiner Mitspieler“, sagt der muskelbepackte 1,87-Meter-Mann, der hart im Nehmen ist: In seiner Unizeit spielte er eine Weile mal mit einem gebrochenen Genick, was erst später entdeckt wurde.

Weil es 2009 mit dem erhofften Sprung in die US-Profiliga NFL nicht klappte, beendete Jeramine Guynn danach erst einmal sein Studium mit einem Master im Fach Bewegungs- und Sportwissenschaften und jobbte an der Uni als Athletiktrainer. 2011 fing er dann wieder mit Football an, heuerte einen Agenten an und landete bei den Tyresö Royal Crowns in einem Vorort von Stockholm. „Bis dahin wusste ich nicht einmal, was Schweden ist“, sagt der US-Amerikaner und lacht. „Es war eine tolle Erfahrung. Ich wollte danach nicht mehr nach Hause. Wer würde nicht hier in Europa leben wollen?“ Er denkt dabei an Themen wie Krankenversicherung oder den viel höheren Urlaubsanspruch: „Die Menschen nehmen sich hier mehr Zeit, das Leben zu genießen. Ich weiß, es ist witzig, das gerade über Stuttgart zu sagen, über das Schwabenland, aber so ist es.“

Es soll bei den Scorpions fortan wieder aufwärts gehen

Sein alter Schul- und Unifreund Corey Chapman lotste ihn 2014 nach einer herausragenden Saison bei den Saarland Hurricanes zu den Scorpions. 2016 und 2017 lief er für die Swarco Raiders Tirol in Innsbruck auf, sein Lebensmittelpunkt blieb allerdings Stuttgart. Mehr als das: „Stuttgart ist mein Zuhause.“ Auch mit der Sprache klappt es immer besser. „Ick kann Deutsch, aber leider nicht so gut, nicht so fließend“, sagt Jermaine Guynn und erzählt anschließend in ziemlich flüssigem Deutsch von seiner Knieoperation im September oder wie ihm eine Sprach-App geholfen hat: „Ick muss noch ein bisschen mehr üben.“

Vergangene Saison kehrte er schon als Assistenzcoach für einen Tag pro Woche zu den Scorpions zurück und wurde nach der Trennung von Cheftrainer Fabian Birkholz zu dessen Nachfolger befördert. Nach zwei mäßigen Spielzeiten soll es für den Traditionsclub fortan wieder aufwärts gehen. „Wir wollen die Scorpions wieder da hinbringen, wo sie mal waren“, sagt Jermaine Guynn, der auch als Physiotherapeut und Personal Trainer arbeitet. „Unser Ziel sind die Play-offs. Es ist nicht einfach, aber machbar.“

Am 21. April beginnt die Saison in der German Football League mit einem Auswärtsspiel beim Aufsteiger Kirchdorf Wildcats. „Es liegt noch viel Arbeit vor uns“, sagt der 32-Jährige zum Abschied. Anders als in der Anfangszeit spielt der eiförmige Ball mittlerweile wieder eine zentrale Rolle.

Superbowl-Party der Scorpions im Ufa-Palast

Die Stuttgart Scorpions veranstalten ihre große traditionelle Party zum Superbowl – dem American-Football-Meisterschafsfinale in den USA zwischen den New England Patriots und den Philadelphia Eagles – auch dieses Jahr im Ufa-Palast. Los geht’s in dem Multiplex-Kino am Sonntag um 23 Uhr. Das Spiel beginnt um 0.30 Uhr (Pro7). Karten gibt es noch an der Abendkasse. Der Eintritt beträgt 15 Euro inklusive eines 10-Euro- Verzehrgutscheins.