Scott Devendorf, der Bassist der US-Band The National, sieht gerade wenig Licht in der Politik seiner Heimat. Das sei ein Grund, warum das neue Album vor allem von Gefühlen und Innerlichkeit erzähle. Demnächst ist die längst legendäre Gruppe endlich wieder in Stuttgart zu erleben.

Stuttgart - Scott Devendorf, Bassist der enorm erfolgreichen US-Indie-Rock-Band The National, ist entsetzt über die aktuelle politische Situation in seinem Land, erzählt er im Interview. Am 5. Dezember tritt die Band in Stuttgart auf.

 

Mr. Devendorf, die Musik von The National war schon immer ziemlich traurig, das aktuelle Album „I am easy to find“ ist aber besonders schwermütig. Woher kommt diese düstere Stimmung?

Es ist wohl eine Kombination. Die Texte handeln oft von dunklen Themen und wir tendieren dazu, unsere Musik in Molltonarten zu schreiben, was nun mal düster klingt. Aber es ist gar nicht alles daran traurig. Die meiste Zeit sind wir als Band sogar verdammt fröhlich! (lacht) Aber ja, der Grundtenor unserer Musik ist schon eher mürrisch.

Hat das etwas mit dem herrschenden Zeitgeist zu tun, mit der aktuellen politischen Lage?

Ja, sicher. All unsere Alben der vergangenen zwanzig Jahre sind von politischen Zeitumständen beeinflusst. Wir haben zum Beispiel Platten gemacht, als George Bush Präsident gewesen ist, nun ist Trump an der Spitze. Wir haben auch über Goldman Sachs geschrieben, eine ziemlich üble Sache.

Auf dem neuen Album geht es aber eher um Innerlichkeit, Alltäglichkeit. Ist die politische Perspektive mit dem neuen Album für Sie vorbei?

Ja, ich würde sagen, die neue Platte handelt tatsächlich mehr von zwischenmenschlichen Beziehungen, obwohl das eigentlich schon immer ein Thema für uns gewesen ist. Aber im Vergleich zum vorletzten Album, das wir während der Wahlphase 2016 aufgenommen haben, ist dieses anders. Als Trump zum Präsidenten gewählt wurde, ist unsere ganze Wut darüber in das Songwriting eingeflossen. Nun leben wir in der Zeit danach, wir sind immer noch sehr involviert in diese politische Sache, aber jetzt geht es eben mehr um die Gefühle, um das Innenleben der Menschen.

Gehen Sie als Musiker also in eine Art inneres Exil?

Ich denke, in gewisser Weise. Es geht darum, sich zu vergewissern, was man hat, sich auf sich selbst zu besinnen.

Popmusik war allerdings immer Teil linker Protestkultur. Heute gibt es Musiker wie Morrissey, die rechtes Gedankengut vertreten. Wie sehen Sie diese Entwicklung?

Das ist definitiv sehr seltsam! Als Teenager bin ich mit der Musik von The Smiths und Morrissey aufgewachsen und ich mag sie immer noch. Ich stimme aber überhaupt nicht dem zu, was Morrissey jetzt so von sich gibt. Ich weiß auch nicht, warum er das macht. Vielleicht will er auf eine bestimmte Weise kontrovers sein, er begeht damit aber politischen Selbstmord. Es ist so irre, vor allem, wenn man seine Geschichte bedenkt, seine Erfahrungen als Außenseiter. Nun steht er wirklich im Abseits, aber er bekommt eine Menge Aufmerksamkeit dafür.

The National ist eine reine Männer-Band. Auf dem neuen Album gibt es aber Gastsängerinnen wie Gail Anne Dorsey. Ist das vielleicht auch eine Solidaritätsbekundung in Zeiten von Metoo?

Indirekt sicherlich. Es war zwar keine konkrete Entscheidung, nichts, was wir so direkt empfunden hätten. Aber es sind ja alles Leute, die wir schon kannten, als Freunde, oder als befreundete Musikerinnen, mit denen wir schon auf Tour gegangen sind. Manche sind sogar Verwandte (lacht). Es ist ja auch so, dass der Kurzfilm zum Album die Geschichte einer Frau von der Geburt bis zum Tod erzählt, da macht es keinen Sinn, das ganze ohne weibliche Stimme zu erzählen. Für Matt (Berninger, den Bandleader, Anmerkung der Redaktion) ging es um diese Perspektive. Wir dachten, die Stücke sollten mehr inklusiv sein, eben nicht nur um einen einzigen Menschen kreisen, sondern von der Welt handeln, was in gewisser Weise auch politisch ist, aber eben auch sehr persönlich. Hinzu kam, dass der Film von Mike Mills vor dem Album fertig war. Als wir ihn gesehen hatten, war klar, dass wir die Stimme dieser Frau brauchten. Es sind zwar noch Matts Texte, aber es ist doch interessant, dass sie nun auch von anderen gesungen werden. Das öffnet die Perspektive.

Die Frontmänner am Mikrofon haben eine Menge Macht, im Guten wie im Schlechten. Als Bassist stehen Sie selbst nicht direkt im Rampenlicht. Würden Sie manchmal gerne mit Matt Berninger tauschen?

(lacht) Na ja, Matt spielt kein Instrument, er schreibt die Texte und singt, klar, dass er da mehr im Rampenlicht steht. Für mich ist das schon in Ordnung.

Vielen Fans ist aber die Bedeutung der Rhythmus-Fraktion einer Band gar nicht so bewusst. Wie würden Sie Ihre Macht als Musiker beschreiben?

Die Bedeutung der Rhythmus-Fraktion erschließt sich den Leuten immer dann, wenn sie fehlt oder patzt. Der Rhythmus ist der Herzschlag eines Songs, obwohl auch das bei uns ein bisschen anders ist, wir sind eben keine Motown-Band. Aber wir bringen den Song voran, wir bilden das Fundament für das, was in den Stücken passiert.

Zum Schluss noch ein Gedankenexperiment: Stellen Sie sich vor, Sie hätten die Macht in den USA, was würden Sie für Ihr Land ändern wollen?

Oh Mann! Na ja, ich denke, es wäre toll, alles zurückzunehmen, was in den vergangenen drei Jahren in den USA geschehen ist. Das ist nur leider unmöglich, ich denke, wir sprechen da über einen ausgeschlossenen Fall. Ich, an der Spitze des Landes...! (lacht) Aber ich finde, dass wir gerade einen sehr dunklen Weg beschreiten mit Trump. Ich wäre wirklich nicht traurig, wenn er nicht mehr Präsident wäre. Es ist eine verrückte Zeit, für die gesamte Welt. Wenn ich mir etwas wünschen dürfte, dann, dass all das bald ein Ende findet. Es wird aber wohl ein langer Weg zurück.