Vom „Laubschiff“ bis zur „Lebens-Ader“: Entlang des Wunderwegs im Erfahrungsfeld der Sinne „Eins + Alles“ an der Laufenmühle gibt es sechs neue Landart-Stationen zu entdecken.

Welzheim - Ein Schiff mitten im Wald – wo gibt es denn so was? Seit wenigen Tagen im Erfahrungsfeld der Sinne „Eins + Alles“ bei der Welzheimer Laufenmühle. Das „Laubschiff“ hat Carolin Kranzer an seinen Ankerplatz zwischen den Bäumen gesteuert. Bei ausgiebigen Rundgängen über das Gelände vor rund fünf Wochen haben sie und weitere Studierende der Freiburger Edith Maryon-Kunstschule drei Tage lang das Terrain erkundet und nach Standorten für sechs neue Landart-Objekte gesucht. „Manche hatten deswegen schlaflose Nächte“, erzählt Hansjörg Palm, der das Projekt gemeinsam mit Jürgen Grieger-Lempelius geleitet hat.

 

Es hat schon Tradition, dass der Betreiber des Erfahrungsfelds, der Verein Christopherus Lebens- und Arbeitsgemeinschaft Laufenmühle, Kunstschaffende dazu einlädt, sich auf dem Areal kreativ zu betätigen. Der vier Kilometer lange „Wunderweg“, der sich als schmaler Pfad zwischen den Bäumen hindurch schlängelt, wird so Jahr für Jahr um Attraktionen rechts und links des Weges reicher.

Ein Laubbett zum Hineinspringen

Auf dem Rundgang sei ihr der am Hang gelegene Ort, an dem das Laubschiff nun ankert, sofort aufgefallen, sagt Carolin Kranzer: Reste eines umgestürzten Baums, ein Erdhügel und eine Kuhle, in der sich ein kleiner Berg von Laub türmt. „Ich habe beobachtet, dass Kinder dort hineinspringen“, erzählt Carolin Kranzer, „plötzlich habe ich den Bug eines gestrandeten Schiffs gesehen, der als Laubbett dient.“ Für ihren Schiffsbug nutzte Carolin Kranzer auch einige Pfosten, die zuvor an anderer Stelle verwendet worden waren. „Es war eine richtige Knochenarbeit, die Pfähle in den Boden zu stemmen“, sagt sie.

Einen Platz beim Einstieg in den Wunderweg, gleich neben der Tieroase, hat sich Gabi Kuch für ihr Landart-Objekt „Lebens-Ader“ ausgesucht. Mehrere Stümpfe säumen den Weg. „Die Bäume mussten wegen unseren Neubauplänen gefällt werden“, erklärt Daniela Doberschütz von der Christopherus Lebens- und Arbeitsgemeinschaft Laufenmühle, „das hat grauenhaft ausgesehen.“ Nun aber züngeln aus den abgesägten Stämmen 36 in den Hausfarben Rot, Orange und Lila bemalte, meterhohe Stangen gen Himmel, jeder Stumpf dient als Sockel für neues Leben. Die „Lebens-Ader“ sei nicht nur ein schöner Anblick, sondern erfülle gleichzeitig eine Funktion, sagt Daniela Doberschütz: „Viele Besucher finden den Eingang zum Wunderweg nicht. Nun können die Mitarbeiter an der Kasse leichter erklären, wo es losgeht.“

„Baumkrone“ als spezieller Kronleuchter

Ein schöner Ausblick auf das Tal bietet sich von Station Nummer 3, wo ein vielstimmiges Vogelzwitschern zu vernehmen ist. Mareike Mohr hat den Platz ausgewählt und dort zwei Skulpturen, die sie aus Metall angefertigt hat, in den Baumkronen befestigt. „Naturschutz liegt mir am Herzen“, sagt Mareike Mohr, „ich habe deshalb einen Wiedehopf und einen Auerhahn geformt – beide stehen auf der roten Liste der bedrohten Tierarten.“

Auch Irene Melcherts Objekt erfordert es, dass Besucher den Kopf in den Nacken legen und himmelwärts schauen: Aus farbigen Flaschen hat sie unter dem Titel „Baumkrone“ einen speziellen Kronleuchter angefertigt, der wie der Name sagt, zwischen den Bäumen schwebt. Er rückt ein Tango tanzendes, aus Zweigen gefertigtes Paar – eine in früheren Jahren entstandene Arbeit – ins rechte Licht.

Selma Kahoul hingegen will Besucher dazu animieren, für kurze Zeit selbst zur Skulptur zu werden. Drei insektenartige, mit Fühlern versehene Wesen hat sie aus zersägten Dachlatten zusammengefügt und bemalt. Die „Dreierlei“-Skulpturen sind so groß, dass auch Erwachsene sich hineinstellen und eine neue Gestalt annehmen können. Die letzte Station am Wunderweg ist das Werk von Rocco Semik: Der wegen des tief eingeschnittenen Tals quasi unsichtbare Bach und Mörikes berühmtes Frühlingsgedicht haben ihn gleichermaßen inspiriert. So blitzt nun ein rund 100 Meter langes blaues Band aus Ballonseide, in mehreren Metern Höhe gespannt, zwischen den Baumstämmen hervor.

Entschleunigung als Motto

Konzept: Das Erfahrungsfeld der Sinne „Eins + Alles“ ist im Jahr 2007 eröffnet worden – als Freizeitpark der etwas anderen Art: statt um Tempo geht es hier um Entschleunigung und Besinnung.

Betreiber: Der Verein Christopherus Lebens- und Arbeitsgemeinschaft Laufenmühle betreibt das „Eins + Alles“ als Werkstatt für behinderte Menschen . Die Idee ist, dass auf der Ebene der Sinneserfahrung alle Menschen gleich sind und Behinderung in den Hintergrund rückt.

Werkstatt: Im Erfahrungsfeld arbeiten Menschen mit Behinderungen im Service, in der Kaffeerösterei, bei der Pflege der Anlagen und der Betreuung der Tieroase.

Wunderweg: Auf dem rund vier Kilometer langen Pfad, der sich durch ein Waldstück schlängelt, können Besucher ihre Sinne schulen, so etwa auf einem Balancierpfad, und Landart-Werke bestaunen.

Kunstsinnfestival: Am 13. und 14. Oktober bietet das Festival zwei Tage Kleinkunst-Stationen und Mitmachaktionen. Außerdem zwei Auftritte des inklusiven Teatro La Luna nel Pozzo aus Apulien, die jeweils um 15 Uhr beginnen.