Die Initiative Seebrücke im Landkreis Böblingen ist seit Jahresbeginn ein eingetragener Verein. Die Aktiven setzen sich für die Rechte von Flüchtlingen ein. Doch sie mussten auch schon Rückschläge einstecken.

Altkreis - Immer wieder sterben Menschen auf der Flucht im Mittelmeer. Die Retter werden kriminalisiert, Häfen verweigern das Anlegen der Schiffe. Die Zustände im Mittelmeer und der Umgang mit den Flüchtlingen hat viele Menschen in Deutschland dazu bewogen, sich 2018 zum Bündnis Seebrücke zusammenzuschließen, um auf die Zustände aufmerksam zu machen und dagegen anzugehen. Seit 2019 gibt es auch im Kreis Böblingen eine lokale Gruppe der Menschenrechtsbewegung. Seit wenigen Tagen ist diese Gruppe ein eingetragener Verein.

 

„Der Anlass waren damals die Geschehnisse um die ,Lifeline‘, die mehrere Tage darauf warten musste, dass sie an einem Hafen anlegen durfte“, erklärt Schirin Ziesing, Vorstandsmitglied im neuen Böblinger Verein. Die Vorstandschaft teilt sie sich mit der Weissacherin Sanja Jäger und Brigitte Sautter aus Sindelfingen. „Bis 2019 wurden solche Vorfälle immer häufiger“, beklagt sie.

Situation der Flüchtlinge verschlechtert sich dramatisch

Im Kreis Böblingen, wo es bis zu diesem Zeitpunkt noch keine lokale Initiative gab, organisierten einige Engagierte eine erste Demonstration in Sindelfingen. Es stellte sich heraus, dass in Herrenberg auch schon Menschen für die Seebrücke aktiv waren, und so schloss man sich zu einer gemeinsamen Initiative zusammen.

„Leider mussten wir erkennen, dass sich die Situation auf den Fluchtrouten und an den EU-Außengrenzen nicht verbessert, sondern noch dramatisch verschlechtert hat“, sagt Schirin Ziesing. Brigitte Sautter ergänzt: „Die Lage derer, die über Mittelmeer und Ägäis fliehen, wird durch das Verhalten von Frontex verschlimmert, und gleichzeitig haben wir die verzweifelten Menschen im Grenzgebiet zwischen Belarus und Polen vor Augen. Deshalb beschlossen wir, uns als Verein für eine langfristige Arbeit aufzustellen.“ Die Mitglieder erhoffen sich davon mehrere Vorteile, beispielsweise dass sie nach außen hin ernster genommen werden und mehr Rechte haben, so Ziesing.

Lokale Aktionen sollen Aufmerksamkeit schaffen

Auch der Umgang mit Spenden sei damit deutlich vereinfacht. Geldspenden wie auch Mitgliedsbeiträge kommen einerseits der Vereinsarbeit zugute, also für die Organisation von Flyern, Demonstrationen und anderen Aktionen, um auf die Missstände aufmerksam zu machen. „Wir sammeln aber auch regelmäßig für konkrete Projekte, die den Flüchtlingen direkt zugute kommen.“

Zu den Aktionen des Vereins gehörte unter anderem im Oktober 2021 eine Ausstellung von Fotos aus dem griechischen Flüchtlingslager Moria in der Leonberger Johanneskirche. Der Fotografin sei es vor allem darum gegangen, auf den Bildern die Würde der Menschen zu bewahren, so Schirin Ziesing. Auch an der Organisation der grenzüberschreitenden Menschenkette von Norddeutschland über Österreich und Italien zum Mittelmeer war die Böblinger Seebrücke beteiligt – und betreute die Durchgangsstationen Leonberg, Rutesheim und Gerlingen. Am 18. September wurde mit dieser Aktion ein Zeichen für eine humane Flüchtlingspolitik gesetzt, gegen das Vergessen des Leids und des Sterbens vieler Menschen, die sich oft aus purer Not auf den gefährlichen Weg über das Mittelmeer begeben.

Drei Städte werden ein sicherer Hafen

Als besonderen Erfolg seit ihrer Anfangszeit verbuchen die Unterstützer der Seebrücke im Kreis Böblingen, dass Herrenberg sich zum „sicheren Hafen“ erklärt hat. Städte mit diesem Titel erklären sich solidarisch mit den Zielen der Seebrücke und erklären sich beispielsweise zur Aufnahme weiterer Flüchtlinge bereit. „In Herrenberg war das ein sehr langer Prozess mit zermürbenden Gemeinderatssitzungen“, erinnert sich Ziesing. Mittlerweile sind auch Renningen und Deckenpfronn ein sicherer Hafen. 270 Städte sind es in Deutschland.

Wo Licht ist, ist aber auch Schatten. Und im Fall der Flüchtlingspolitik ist der Schatten besonders groß, bedauert der Verein. „Als sich im Juni 2019 die Lokalgruppe der Seebrücke im Landkreis Böblingen gründete, hatten wir noch die Hoffnung auf eine baldige Verbesserung der Lage von Menschen auf der Flucht.“ Die Realität sah dann ganz anders aus: „Das ist schon deprimierend, obwohl wir so lange schon aktiv sind, wird die Situation immer schlechter statt besser.“ Durch Corona sei es schwerer geworden, die Menschen zu erreichen.

Seebrücke will Leonberg zum sicheren Hafen machen

Das Vorhaben, auch Leonberg zu einem sicheren Hafen zu machen, sei unter anderem an dieser schlechteren Erreichbarkeit der Menschen gescheitert, „wir mussten das erst mal auf Eis legen“. Trotzdem oder gerade wegen der Rückschläge wollen die Engagierten weiter am Ball bleiben. So möchten sie in Leonberg irgendwann einen neuen Anlauf starten, um die Stadt in einen sicheren Hafen zu verwandeln. Zunächst steht jedoch Holzgerlingen auf der Agenda. Auch am bald anstehenden Aktionstag „Keine Eiszeit für Menschenrechte“ am 29. Januar will sich der Verein mit lokalen Aktionen beteiligen.

Mehr Informationen zur Seebrücke im Kreis Böblingen gibt es im Internet auf der Seite www.seebruecke.org, unter der Rubrik „Mach mit“ finden sich alle lokalen Ortsgruppen.