Die Sepp-Herberger-Stiftung nimmt das Seehaus Leonberg in seine Initiative „Anstoß für ein neues Leben“ auf. Als Pate fungiert der VfB Stuttgart.
Leonberg - Die 21 jugendlichen Strafgefangenen im Seehaus Leonberg sind sichtlich aufgeregt. Es ist ein besonderer Tag in ihrem Leben, das sonst durch strenge Regeln in sehr geordneten Bahnen verläuft. Ein gemeinsames Training mit der U 17-Mannschaft des VfB Stuttgart stand am Freitagnachmittag auf der Tagesordnung. Die Trainingseinheit ist das erste sichtbare Zeichen einer neuen Kooperation, die am Freitag im Seehaus mit zahlreichen Partnern besiegelt worden ist.
„Anstoß für ein neues Leben“ heißt eine seit 2008 bestehende Initiative der Sepp-Herberger-Stiftung des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), in die das Seehaus Leonberg, das einen Strafvollzug in freier Form anbietet, aufgenommen wurde. „Zusammen mit Partnern aus der Justiz, der Bundesagentur für Arbeit sowie dem württembergischen Fußballverband wollen wir ein Netzwerk bilden, um mit den jugendlichen Straftätern eine Perspektive für die Zeit nach der Haft zu erarbeiten“, erläuterte Tobias Merckle, der Vorsitzende des Seehauses den Ansatz.
Fußball, Arbeit und Soziales
Die drei Säulen Fußball, Arbeit/Schule/Beruf und Soziales spielen dabei eine wichtige Rolle. In der Kategorie Fußball werden durch die DFB-Landesverbände in den Haftanstalten Ausbildungen zu Schiedsrichtern, Trainern oder Vereinsmitarbeitern angeboten. „Die Idee ist, dass die Jugendlichen nach der Haftentlassung in jeder erdenkbaren Rolle in die Fußballfamilie finden können“, erklärte Axel Jeroma, der Pressesprecher des Seehauses.
Der Bereich Arbeit/Schule/Beruf wird überwiegend durch die Bundesagentur für Arbeit abgedeckt. Verena Bischl von der Agentur für Arbeit bot an, bei Bedarf einen Resozialisierungsberater vorbeizuschicken. Im Bereich Soziales werden Workshops zur Persönlichkeitsbildung und gewaltfreien Kommunikation angeboten.
(Hier geht’s zum Artikel: Tobias Merckle kämpft für seine „Jungs“)
Die Idee, sich der Initiative „Anstoß für ein neues Leben“ anzuschließen, hatte Steffen Hofmann, der mehrere Jahre als Hausvater im Seehaus tätig war. „Es gibt ein paar begeisterte VfB-Anhänger im Seehaus“, erklärte Hofmann, der selbst großer Fußballfan ist und um die integrative Kraft des Mannschaftssports weiß.
Nico Kempf, der stellvertretende Geschäftsführer der Sepp-Herberger-Stiftung, erklärte, Sepp Herberger habe einmal gesagt: Wer oben ist, darf die unten nicht vergessen. 1970 habe er in Bruchsal zum ersten Mal ein Gefängnis besucht und sich soziales Engagement zur Lebensaufgabe gemacht. Inzwischen beteiligten sich 20 Jugendstrafanstalten aus zehn Bundesländern an der Initiative, in Baden-Württemberg neben dem Seehaus noch die JVA Adelsheim, bei der die TSG 1899 Hoffenheim Pate sei. Im Seehaus übernehme diese Rolle der VfB Stuttgart.
„Im Fußball geht es immer bei 0:0 los“
Sportlicher Höhepunkt des Resozialisierungsprogramms sei das Fußballturnier um den Sepp-Herberger-Pokal, das jedes Jahr in einer anderen Haftanstalt ausgetragen werde. „In diesem Jahr haben wir es bis ins Finale geschafft, dann aber im Elfmeterschießen gegen Wuppertal verloren“, erzählt einer der Jugendlichen aus dem Seehaus. Er wird im Seehaus im September entlassen und will dann das Berufskolleg machen und in seiner Freizeit in einem Fußballverein kicken.
„Wir helfen gern bei der Vermittlung“, erklärte Frank Thumm, der Geschäftsführer des württembergischen Fußballverbands (wfv). Im Fußball komme es schließlich nicht darauf an, wo einer herkomme und welchen Rucksack er mitbringe. „Da geht es immer bei 0:0 los“, sagte Thumm. Der wfv könne darüber hinaus auch anbieten, einen Verbandstrainer für eine Teambildungsaktion ins Seehaus zu schicken. „Oder es gibt Seminare zum Thema Umgang mit Stress, das kann man sehr gut am Beispiel Fußball üben“, bot Thumm an.
Nico Kempf sagte, die Stiftung könne Anstöße geben, was man daraus mache, liege an jedem selbst. Das war am Freitag erst mal das Training mit der U 17 des VfB, für das die Seehaus-Jugendlichen extra eigene rote Trikots bekamen.