Der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer besucht den Parteitag der Schwesterpartei. Es zeigt sich: Die CDU hat ihm seinen ruppigen Umgang mit der Kanzlerin auf dem letzten CSU-Parteitag noch nicht verziehen.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Karlsruhe - Erst klatscht gar keiner. Dann rühren ein paar Jungunionisten die Hände, andere tun es ihnen gleich. Aber der Beifall bleibt schütter und verebbt, bis der Gast die Bühne erreicht. Vor einer Kulisse, die sich aus Schweigen und Teilnahmslosigkeit und einem sehr spärlichen Rest von Willkommenskultur zusammensetzt, steigt Horst Seehofer hinauf zum Podium. Sein Einmarsch in die Karlsruher Parteitagshalle, für gewöhnlich eine triumphale Angelegenheit, ist wie ein Gang nach Canossa. Die Christdemokraten haben es ihm nicht verziehen, wie er ihre Chefin Angela Merkel unlängst in München abgekanzelt hat. Der eine oder andere unter den führenden CDU-Herren, denen der CSU-Vorsitzende auf der Bühne die Hand schüttelt, beklagt hinter den Kulissen, dass er sie damit zur Geschlossenheit verpflichtet habe. Wegen Seehofers Schmähung sind sie zum Schulterschluss verdammt.

 

Seehofer gibt sich demütig. Er bedankt sich: die unterkühlte Atmosphäre nennt er einen „für meine Verhältnisse sehr freundlichen Empfang“. Seine Rede beginnt er früher, als es der Terminplan eigentlich vorsah. Er habe es auf seinem Platz nicht mehr ausgehalten, kokettiert Seehofer. Dort liege eine Sammlung von Presseartikeln über Merkels Auftritt am Tag zuvor – sie spiegelten eine Medienresonanz, „wie sie mir in meiner ganzen Karriere nie vergönnt war“.

Die Flüchtlingspolitik trennt Merkel und Seehofer. Es gibt dazu jetzt zwei Positionspapiere aus der Union – das der CDU wurde mit zwei Gegenstimmen beschlossen, das der CSU nur mit einer, so vermerkt Seehofer süffisant. Der CSU-Chef hat sich vorgenommen, die Schnittmenge auszuloten. Er kommt zu dem Schluss, dass „politisch ein ganz großes Maß an Übereinstimmung“ herrsche. Die Differenzen beschränkten sich letztlich auf das Reizwort „Obergrenze“, wofür die CSU kämpft, die Merkel aber verhindern will.

„Wir halten von Abschottung gar nichts“

Der Ministerpräsident aus München will sich nicht in die rechte Ecke stellen lassen. „Wir halten von Abschottung gar nichts“, sagt er. Bayern verdanke seinen Wohlstand auch Millionen von Zuzüglern seit Kriegsende. Und der Freistaat habe in den vergangenen Monaten „eine erstklassige Visitenkarte der Mitmenschlichkeit abgegeben“. Dafür erntet Seehofer rauschenden Applaus. Beifall bekommt er auch, als er sich für bei der Bundesregierung für die Finanzhilfen zum Ausgleich der Flüchtlingskosten bedankt – „mit großer Liebenswürdigkeit“, betont Seehofer, „das muss man ja neuerdings immer dazu sagen“.

Der schwierige Gast will aber nicht den Eindruck hinterlassen, dass die CSU die Kanzlerin künftig schonen will. Zur Geschlossenheit gehöre auch Ehrlichkeit, sagt Seehofer. Das Vertrauen der Bürger lasse sich auf Dauer nur sichern, wenn die Zahl der Flüchtlinge reduziert werde. Wie man das erreicht, sei zweitrangig.

In ganz Europa sei „niemand, der nicht auch diese Position vertritt“, betont er. Es gebe „kein Land auf der Erde, das unbegrenzt Flüchtlinge aufnimmt“, auch Deutschland könne das „auf Dauer nicht schaffen“. Er sei froh, dass auch die CDU diese „Grundbotschaft“ akzeptiert habe. Wie dies nun genau formuliert sei, darüber wolle er nicht in einen Kampf eintreten. Was zählt, sei letztlich die Realität an den Grenzen, sagt Seehofer. „Abgerechnet wird am Ende über die Zahl.“

Dieser Satz klingt schon wieder wie ein Ultimatum. Merkel muss ihn als Drohung empfinden. Und Seehofer belässt es nicht dabei. Die Regierung habe eine „doppelte Verantwortung“, mahnt er. Sie sei nicht nur den Flüchtlingen verpflichtet, sondern auch der einheimischen Bevölkerung. Der Gastredner hört gar nicht mehr auf zu reden. Es scheint so, wie wenn er sich fürchten würde vor dem, was danach kommen könnte.

Zum Abschluss ein Gruppenbild

Als Merkel bei ihm in München war, da war der Abgesang jedenfalls garstig. Seehofer schließt mit einer Überfülle von Komplimenten. „Wir haben eine exzellente Kanzlerin“, sagt er. Die Halle johlt. Merkel genießt die Huldigung. Sie sei „hoch geschätzt auch in Bayern“, fügt er hinzu. Ganz kleinlaut bietet er am Ende seine Hilfe an bei den anstehenden Wahlkämpfen – falls die Kollegen von der Schwesterpartei nicht der Meinung seien, er möge „besser in seinen Bergen bleiben“. Als sein letzter Satz verhallt, ist ihm so ganz allein am Rednerpult offenbar unwohl. Er winkt den baden-württembergischen Spitzenkandidaten Guido Wolf zu sich, die ebenfalls wahlkämpfenden Reiner Haseloff (Sachsen-Anhalt) und Julia Klöckner (Rheinland-Pfalz) sowie die Kanzlerin. So endet das verzwickte Gastspiel mit einem Bild demonstrativer Einigkeit. Seehofer mittendrin. Und Merkel wird am Ende sagen: „Dieser Parteitag hat uns allen gut getan.“