Ist der Masterplan von Horst Seehofer ein Produkt der Angst vor der AfD? Der Bundesinnenminister widerspricht seinen Kritikern vehement.

Berlin - Er kämpft. Die letzten Monate haben ihm zugesetzt. Das versucht Horst Seehofer, der Bundesinnenminister, gar nicht erst zu verstecken. Er habe das alles gelesen: Eine „Persönlichkeitsstörung“ sei ihm attestiert worden, er habe sich als „Psycho“ bezeichnen lassen müssen. „Aber was hier steht“, gemeint ist der Masterplan Migration, den er nun endlich an diesem Dienstag in Berlin offiziell vorstellt, „ist meine Grundhaltung“. Es sei einfach zu sagen, es gehe nur um die Bayernwahl und sei getrieben von der Angst vor der AfD. Nein, er mache das alles „aus tiefer Überzeugung“. Niemand habe schließlich in den Koalitionsvertrag ein „Weiter so“ hineingeschrieben. „Und niemand hat glauben können, dass ich nicht für meine Überzeugung kämpfe.“ Worin die genau besteht, hat er in die Präambel des 23-seitigen Papiers mit seinen 63 Punkten geschrieben. „Die Aufnahmebereitschaft der Gesellschaft setzt Ordnung und Steuerung von Migration voraus. Kein Land der Welt kann unbegrenzt Flüchtlinge aufnehmen.“ Es brauche klare Vorgaben. „Menschen ohne Bleiberecht müssen unser Land verlassen.“

 

Der Druck auf die Migranten wächst – aber auch auf Seehofer

Der Druck auf die Flüchtlinge wächst. Weit mehr als die Hälfte des Papiers widmet sich angestrebten Verschärfungen im Asylrecht: Flüchtlinge sollen gesetzlich darauf verpflichtet werden, bei Widerrufsverfahren, in denen ihr Bleiberecht überprüft wird, aktiv mitzuwirken. Für Asylbewerber, die keine Identitätsdokumente vorlegen können, soll es beschleunigte Verfahren geben, bei denen angenommen wird, dass der Antrag „offensichtlich unbegründet“ ist. In Gemeinschaftsunterkünften und für abgelehnte Asylbewerber soll der Grundsatz „Sachleistung vor Geldleistung“ gelten. Bis zu drei Jahren statt bisher 15 Monate lang sollen Flüchtlinge die niedrigeren Asylbewerberleistungen bekommen, die teils deutlich unter den Hartz-IV-Sätzen liegen. Das Fernbleiben von Integrationskursen soll sanktioniert werden, die Trennung von normalen und Abschiebehäftlinge soll befristet ausgesetzt werden. Die Schleierfahndung an den Grenzen wird intensiviert. Und das Papier legt die Einrichtung von Ankerzentren fest. Im Masterplan ist noch von „Transitzentren“ die Rede. Das aber soll ausdrücklich keine Provokation der SPD sein, mit der sich die Union auf die Einrichtung von „Transferverfahren“ für Asylbewerber geeinigt hat, die schon in einem anderen Land einen Antrag gestellt hatten. Der Plan sei eben auf dem Stand vor der Koalitionseinigung mit der SPD, sagte Seehofer.

Der Druck auf Seehofer steigt

Der Druck steigt aber auch auf Seehofer selbst. Er muss schnell bilaterale Vereinbarungen mit den Ländern aushandeln, die Migranten zurücknehmen sollen, die bei ihnen schon Anträge gestellt haben. „Das werden sehr schwierige Gespräche“, sagt der Minister, wohl vor allem mit Blick auf Italien. Innerhalb von vier Wochen will er Klarheit haben. Die Italiener wollen, dass Asylanträge überhaupt nur noch von außerhalb Europas gestellt werden dürfen. Seehofer weist das nicht in Bausch und Bogen ab. Die Länder an den EU-Außengrenzen hätten „ein Recht darauf, dass wir uns mit ihren Vorschlägen beschäftigen“. Sie müssten aber in Einklang mit der EU-Politik stehen.

Verhandeln muss Seehofer auch mit der SPD, die er aber für einen einfacheren Partner als die Italiener hält. Immerhin könne er vermelden, dass sich die Sozialdemokraten in zwei Punkten mit ihm verständigt hätten: So unterstütze die SPD die Mitwirkungspflicht der Asylbewerber bei Widerrufsverfahren. Und außerdem seien die Sozialdemokraten mit der Ausweisung von Georgien, Tunesien, Marokko und Algerien als sichere Drittstaaten einverstanden.

Viel Kritik von Hilfsorganisationen

In der deutschen Politik war am Dienstag eine gewisse Müdigkeit spürbar, alte Schlachten neu auszufechten. Dafür kam viel Kritik aus anderen gesellschaftlichen Bereichen. Das evangelische Hilfswerk „Brot für die Welt“ nannte den Masterplan „ein Debakel für die Humanität“. Unicef Deutschland rief dazu auf, bei allen geplanten Maßnahmen das Wohl und den Schutz von Kindern jederzeit vorrangig zu behandeln.

Seehofer weiß, dass ihm noch Kämpfe bevorstehen. Die Umsetzung des Masterplanes stimme nicht mit seiner Amtszeit überein. „Ich weiß aber noch nicht, was länger dauert“, sagt er hintersinnig. Dann fragt jemand, wie oft man eigentlich mit Rücktritt drohen kann, ohne unglaubwürdig zu werden. Seehofers Antwort ist ein wenig beunruhigend. „Da setzt die Kunst keine Grenzen.“