Der Staat unterstützt die zivile Seenotrettung auf dem Mittelmeer. Das stellten Unionspolitiker nun infrage. Menschenrechtliche Argumente zählen offenbar immer weniger, kommentiert unsere Hauptstadtkorrespondentin Rebekka Wiese.
Zwei Millionen Euro. Das ist die Summe, die die Bundesregierung für das Jahr 2023 einkalkuliert hat, um private Seenotrettung zu unterstützen. Das wurde bereits im November beschlossen. Zum Streitthema wird es aber erst jetzt.
Unionspolitiker wie der Fraktionsvize Johann Wadephul oder der ehemalige Parteichef Wolfgang Schäuble haben die Debatte aufgegriffen, die die italienische Ministerpräsidentin und Postfaschistin Giorgia Meloni kürzlich angestoßen hat. Sie finden, Deutschland solle keine private Seenotrettung auf dem Mittelmeer unterstützen. Das ist besorgniserregend. Denn es ist wichtig, dass auch der Staat hilft, weniger Menschen ertrinken zu lassen.
Kein Beleg für Pull-Faktor
Wer die Seenotrettung auf dem Mittelmeer anzweifelt, hat dafür meist zwei Argumente. Das erste ist das vermeintlich wohlwollende: Je mehr Menschen gerettet werden, desto mehr würden angeblich die Überfahrt wagen – und das wiederum führe dazu, dass es mehr Tote gäbe. Das Problem daran ist: Es ist nicht belegt. Studien deuten sogar darauf hin, dass die Rettungsaktionen die Anzahl der Überfahrten auf dem Mittelmeer wahrscheinlich nicht beeinflussen.
Praktisch ist es schwer vorstellbar, dass Menschen, die vor Krieg und Armut fliehen, vorher überprüfen, wie viele Rettungsboote gerade unterwegs sind. Viele wissen kaum, was auf sie zukommt – geschweige denn, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, im Fall einer Havarie gerettet zu werden.
Geld für Menschenrechte
Bleibt das ökonomische Argument. Dass man Vereine unterstützt, die Menschen vor dem Ertrinken retten, lässt sich nur mit Argumenten wie Menschenwürde, Empathie oder Solidarität begründen. Sie zählen in dieser Debatte offenbar immer weniger. Für eine Gesellschaft, die auch von solchen Werten zusammengehalten wird, sind das schlechte Nachrichten.
Gekürzt werden sollen die staatlichen Gelder für die Seenotrettung übrigens ohnehin. Das wurde schon im Juli bekannt – ohne weitere Debatte.