Der Südosten Australiens brennt. Nicht weit davon streben Sindelfinger Fliegerinnen nach einem WM-Titel.

Lake Keepit - Sand, überall Sand. Wie mit einem Filter bearbeitet sehen die Fotos aus, die die deutschen Flugsegler ins Internet stellen. Windstürme toben über den Flugplatz. 46 Grad Hitze und nur 25 Prozent Luftfeuchtigkeit. „Extrembedingungen wie in der Sahara“, sagt Katrin Senne am Telefon. Abgekämpft und müde klingt ihre Stimme nach fünf Stunden in der Luft. Ein Wettkampf in 1500 Meter Höhe gegen die Konkurrenten. Ein Kampf gegen das Extremwetter, das gerade in Australien herrscht. Nur einige Hundert Kilometer von den Feuerwalzen im Südosten des Landes entfernt verteidigt Katrin Senne zwischen Sydney und Brisbane ihren Weltmeistertitel im Segelfliegen. Ein Luftsport wird zum Extremsport. Wie man dabei seine Kräfte mobilisiert, davon erzählt Senne.

 

Unter blauem Himmel hat am Samstag die Weltmeisterschaft der Frauen begonnen. Seit den Weihnachtstagen ist die deutsche Delegation um Steffi Mühl und Katrin Senne, den Fliegerinnen vom FSV in Sindelfingen (Kreis Böblingen) – dabei sind Conny Schaich aus Nürtingen (Kreis Esslingen) und fünf andere Frauen – im WM-Camp am Lake Keepit, bis zum 17. Januar.

Sicht ist trüb, Thermik fehlt

Gegen 14 Uhr am ersten Wettkampftag bringt eine Schleppermaschine Katrin Sennes Flugzeug in die Luft. Mit jedem Meter, den sie aufsteigt, entflieht sie der Hitze. „Oben wird es kühler und angenehmer“, erzählt sie. Einfacher wird es nicht. Die Sicht ist trüb, teilweise fehlt die Thermik, also das Luftpolster, das das Flugzeug nach oben hievt. Das macht das Fliegen ohne Motor anstrengend.

Katrin Senne berichtet von einer Wüstenlandschaft, die sich den Fliegern offenbart. Vor drei Jahren war die Region zur selben Jahreszeit mit Gras bedeckt. Trockenheit und Hitze haben den anliegenden Stausee zu einer Pfütze schrumpfen lassen. Nur mit 0,6 Prozent des maximalen Vermögens ist der Lake Keepit gefüllt.

Eine Stunde später sind auch die anderen Teilnehmer oben, dann wird die Linie eröffnet, wie Segelflieger sagen, die Wettkämpfe können beginnen. Jetzt geht es darum, in möglichst kurzer Zeit eine vorgegebene Strecke zu fliegen. Dazu haben die Organisatoren auf etwa 500 Kilometer Luftweg Punkte bestimmt, die die Flieger erreichen müssen.

Mit 3700 geflogenen Stunden zählt Senne zu den erfahrenen Sportlerinnen in ihrer Klasse, der Flugzeuge mit 18 Meter Flügelspanne. Nur zehn Prozent der 30 000 Segelflieger in Deutschland sind Frauen. Erfahrung und das Gefühl für die Naturkräfte sind für den Erfolg beim Segelfliegen unerlässlich. Es geht darum, das Wetter richtig einzuschätzen, die Gegebenheiten am Boden in Verbindung mit den Luftströmungen einzuordnen. Ein GPS-System weist die Richtung, ein Barometer misst den Luftdruck, ein Variometer hilft beim Aufsteigen und beim Sinken des Seglers.

Säuft der Flieger ab? Steigt er?

Senne vergleicht das Flugsegeln mit dem Motorradfahren. Auch da müsse der Fahrer ein Gefühl für seine Maschine und die Gegebenheit der Strecke entwickeln. „Es geht um das richtige Gespür für die Situation: Wie reagiert das Flugzeug unter einer bestimmten Wolkenmasse? Säuft es ab, oder steigt es?“

Die Wetterextreme, die das Land seit Oktober heimsuchen, erschweren den Wettkampf. Winde blasen den Rauch, der bei den Feuern im Süden entsteht, in den Norden. Das könnte sich demnächst weiter zuspitzen. Nachdem die Temperaturen einige Tage lang abgekühlt waren, stiegen sie an der Südostküste des Landes am Mittwoch wieder. Meteorologen sagen für die Ostküste neue Hitzewellen voraus, die die heftigen Brände in der Region anzufachen drohen. So könnten die Weltmeisterschaften ein Ende finden, bevor überhaupt die Siegerinnen feststehen.

Damit die Wettbewerbe sicher geflogen werden, hat der Weltverband seit dem Beginn einen Safety-Piloten im Einsatz. Dieser steigt am Mittag in das Flugzeug und prüft vorab die Strecke. Wenn sich die Sicht weiter verschlechtern sollte, wird der Wettbewerb abgebrochen. Ob es im Falle eines Falles zu einer Pause kommt oder der Wettbewerb ganz abgeblasen wird, steht nicht fest.

Noch aber steigen die Frauen Tag für Tag in die Luft. Am frühen Morgen, wenn die Luft kühl ist, gehen manche Sportlerinnen joggen. Am Abend fallen sie erschöpft ins Bett ihres Wohnwagens am Stausee, von wo man Kängurus sieht, die von einem Schattenplatz zum anderen hüpfen. „Trotz der Hitze genießen wir es“, sagt Katrin Senne. Nach Jahren gemeinsamer Teilnahmen an internationalen Wettkämpfen ist der Fliegerzirkus für viele wie eine Art Familie. Man kennt sich und freut sich aufs Wiedersehen. Daran kann auch das Wetter nichts ändern.