Immer mehr Steuerbetrüger melden sich bei den Behörden. Die Zahl der Selbstanzeigen hat sich verdreifacht. Die meisten gingen in Baden-Württemberg ein.

Berlin - Die Beamten in der Finanzverwaltung sprechen vom „Hoeneß“-Effekt: Seitdem die Steuerprobleme des FC-Bayern-Präsidenten Uli Hoeneß Schlagzeilen machen, nehmen die Selbstanzeigen bei den Finanzämtern zu. Im vergangenen Jahr hat sich deren Zahl verdreifacht: rund 25 000 Selbstanzeigen gingen bundesweit ein. Allein in Baden-Württemberg machten 6200 steuerunehrliche Bürger reinen Tisch und offenbarten Kapitalanlagen in der Schweiz oder Liechtenstein, die bis dahin vor dem Fiskus verheimlicht worden waren. Damit ist ein neuer Höchststand erreicht.

 

Auch wenn Hoeneß’ Schwierigkeiten mit der Justiz Steuerbetrügern zur Mahnung gereichen, kann der Fall eines Prominenten die steigenden Zahlen nicht erklären. Mehrere Ursachen kamen im vergangenen Jahr zusammen: Viele Steuerbetrüger hofften wie Hoeneß auf das deutsch-schweizerische Steuerabkommen, das Ende 2012 am Widerstand von SPD und Grünen im Bundesrat scheiterte.

Bankkunden, die ruhig schlafen wollen, bleibt nur die Selbstanzeige

Wer sich vor dem Fiskus ehrlich machen will, dem bleibt nach dem Aus des Steuerabkommens nur die Selbstanzeige. Dazu drängen auch schweizerische und liechtensteinische Banken. Sie setzen den Kunden aus dem Ausland die Pistole auf die Brust. Inzwischen hat dort ein Umdenken stattgefunden. Die Banken in Zürich, Genf oder Vaduz verlangen, dass die Kunden Nachweise vorlegen, aus denen die ordnungsgemäße Versteuerung hervorgeht. Die strengen Vorschriften gegen Geldwäsche machen es Steuerbetrügern fast unmöglich, Konten und Depots einfach zu kündigen und das Geld bar abzuheben. Auch der Transfer in exotische Steueroasen ist wegen des wachsenden internationalen Drucks nicht mehr so einfach möglich. Damit bleibt Bankkunden, die ruhig schlafen wollen, nur die Selbstanzeige. Die Länder mit rot-grüner Regierung sehen die steigende Zahl von Selbstanzeigen als Bestätigung dafür, dass es richtig war, das deutsch-schweizerische Steuerabkommen zu verhindern. „Nur so können wir den Druck auf Steuersünder aufrechterhalten“, heißt es im Stuttgarter Finanzministerium. Demgegenüber hält Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) das Scheitern des Abkommens nach wie vor für einen großen Fehler. Bei genauer Betrachtung zeigt sich, dass das Steuerabkommen Bund und Ländern weitaus höhere Einnahmen gebracht hätte als die Welle von Selbstanzeigen. Diese Erkenntnis geht bei den Jubelmeldungen aus den Ländern leicht unter.

Einnahmen aus nachversteuerten Einkünften betrugen in den vergangenen Jahren rund 3,5 Milliarden Euro

Nach ersten Schätzungen betrugen die Einnahmen aus nachversteuerten Einkünften in den vergangenen Jahren rund 3,5 Milliarden Euro. Das ist zweifellos viel Geld und zeigt, wie verbreitet Steuerbetrug ist. In Baden-Württemberg wurden seit 2010 unversteuerte Kapitalanlagen in der Schweiz und Liechtenstein im Volumen von 1,5 Milliarden Euro offengelegt. Der Fiskus im Land kassierte auf diese Weise nachträglich 425 Millionen Euro an Steuern.

Das deutsch-schweizerische Steuerabkommen hätte zu einem größeren Geldsegen geführt. Die Schweiz garantierte allein aus der nachträglichen Besteuerung der Altvermögen eine Summe von mindestens zwei Milliarden Franken (1,6 Milliarden Euro). Nach Schätzungen des Bundesfinanzministerium wären zehn Milliarden Euro realistisch gewesen. Wichtiger noch: das Abkommen mit der Schweiz sah eine Quellensteuer auf alle Kapitalerträge in der Zukunft vor. Nur mit Verträgen von Staaten untereinander wird sichergestellt, dass sich Steuersünder nicht mehr entziehen können. Abgesehen von der lückenhaften EU-Zinssteuerrichtlinie gibt es solch einen Vertrag mit der Schweiz nicht. Damit verjähren weiterhin von Jahr zu Jahr Ansprüche des deutschen Fiskus. Bei einer Selbstanzeige muss der Steuerzahler die vorenthaltenen Gelder mit Zinsen und Zuschlägen nachträglich erstatten. Bei schweren Fällen von Steuerhinterziehung beträgt die Verjährungsfrist zehn Jahre. Dies führt zu einer merkwürdigen Logik: Steuersünder, die keine Selbstanzeige abgeben, können mit jedem Jahr, in dem sie nicht entdeckt werden, etwas mehr aufatmen, denn die Ansprüche des Staates sinken von Jahr zu Jahr.

Der Weg zur Transparenz ist steinig

Die EU-Staaten bemühen sich gegenwärtig zwar, einen automatischen Informationsaustausch über Kapitalerträge festzuschreiben, aber da sich Österreich und Luxemburg noch sperren, ist nicht absehbar, wann die Regelung kommt. Offen bleibt auch, wann der deutsche Fiskus von Konten in der Schweiz und Liechtenstein erfährt. Der Weg zur Transparenz ist steinig.

Nachdem die SPD mit weitreichenden Forderungen gegen Steuerbetrug in den Wahlkampf gezogen ist, klingen die Anforderungen nun zurückhaltender. Das Bundesfinanzministerium bestätigte, dass Bund und Länder gegenwärtig prüfen, ob Selbstanzeigen künftig immer für einen rückwirkenden Zeitraum von zehn Jahren abgegeben werden müssen. Bis jetzt ist das nur bei schweren Fällen von Steuerhinterziehung die Regel. Von der Abschaffung der Selbstanzeige, die SPD-Politiker einst verlangten, ist mittlerweile keine Rede mehr.

Stattdessen verhandeln die Finanzminister über Minikorrekturen bei der Selbstanzeige. Bund und Länder denken daran, die strafrechtlichen Verjährungszeiten an die steuerrechtlichen Fristen anzupassen. Dies wollen die Finanzminister im ersten Quartal klären. Auf sprudelnde Einnahmequellen wollen sie aber nicht verzichten.