Unsere Redakteurin Isabelle Butschek berichtet vom holprigen Start in einen Familienalltag ohne Schule, ohne Kindergarten und ohne Hobbys. Und von der Herausforderung, das Arbeiten ohne Betreuung in den Griff zu bekommen.

Schorndorf - An dem Montag, an dem ich anfange, diese Zeilen zu schreiben, ist meine Tochter im Kindergarten. Zum letzten Mal für fünf Wochen. Als einzige ihrer Gruppe. Bin ich eine Rabenmutter? Vielleicht. Hab ich ein gutes Gefühl? Nur bedingt. Nicht, weil ich mir Sorgen um meine Vierjährige mache, sondern weil ich einen gewissen Rechtfertigungsdruck verspüre. Am Morgen hagelt es nämlich im Chat der Kindergartengruppe eine Absage nach der anderen. Versendet werden die Wünsche, auf uns aufzupassen, stark zu bleiben. Ist das jetzt noch gut gemeint oder schon ein wenig panisch?

 

Mir bleibt trotzdem keine Wahl: Hat schon mal jemand versucht, mit zwei durch die Wohnung tobenden Kindern zu arbeiten? Eben. Mein zehnjähriger Sohn war schon am Montag daheim, weil die Stadt Schorndorf am Sonntagabend kurzfristig die sofortige Schließung aller Schulen beschlossen hat. Eine erste Kostprobe, wie das Homeoffice in den kommenden Wochen aussehen könnte, gab es also bereits. Es ist wirklich schwer, konzentriert bei der Sache zu bleiben, wenn nebenher Deutsch- und Matheaufgaben erklärt werden müssen. Die Bitte, mich mittags kurz etwas fertig machen zu lassen, endet mit zwei schreienden Kindern und knallenden Türen. Ich frage mich, warum ich gerade dieses Jahr beschlossen habe, in der Fastenzeit auf Schokolade zu verzichten.

Der Wochenplan leert sich rapide

Dass alles anders wird, weil Schulen und Kindergärten geschlossen werden, war klar. Wie schnell allerdings diese und die folgenden Maßnahmen den Familienalltag auf den Kopf stellen würden, wie viele letzte Male innerhalb weniger Tage aufeinander folgen würden, war dann trotzdem überraschend. Angefangen hatte es gleich am Freitag, noch vor Bekanntgabe der Schulschließungen, mit einer kurzen WhatsApp-Nachricht der Übungsleiterin: Das Kinderturnen der Tochter ist wie der gesamte Betrieb des örtlichen Sportvereins bis nach den Osterferien eingestellt. Wenig später war zudem klar, dass mein Sohn sich nicht auf den Weg zum Leichtathletik im Nachbarort machen muss. Das Tennistraining am Samstag fand noch statt, allerdings zum letzten Mal: Der Vorstand des Tennisclubs gab am Sonntag per Mail die Schließung der Halle bekannt. Damit war die Idee obsolet, die Kinder bei einem Trainingsausfall trotzdem dort spielen zu lassen – immerhin steht man beim Tennis weit auseinander.

Improvisation bei der Kinderbetreuung

Über die neu gewonnenen Freiräume im Alltag kann ich mich noch nicht so richtig freuen. Das hängt vor allem damit zusammen, dass die Betreuung der Kinder ungeklärt ist. Mein Sohn wird an einem Nachmittag vom Opa gehütet. Der ist zwar topfit, aber trotzdem ist das für die nächste Zeit keine Option. Meine Tochter geht nach dem Kindergarten noch zur Tagesmutter – doch die Tagespflegestellen sind ab Dienstag geschlossen. Die Rest-Hoffnung auf einen letzten normalen Arbeitsablauf am Montag wurde mit einer Nachricht der Tagesmutter zerschlagen: Weil ihre Tochter krank ist, gab es bereits am Montag keine Betreuung mehr.

Von nun an ist Improvisation gefragt. Am Dienstag besucht ein Kindergartenfreund meine Tochter – die beiden spielen tatsächlich so friedlich miteinander, dass dieser Text fertig wird. Mein Mann wird in den nächsten Wochen viel daheim arbeiten, ihm soll die einstündige S-Bahn-Fahrt erspart bleiben. Ich hoffe also auf Entspannung an dieser Front.

Dagegen wächst die Anspannung im Umfeld. Im Klassenchat meines Viertklässlers regt eine Mutter an, den Kindern zu verbieten, mit anderen Kindern zu spielen. Sie bekommt Zustimmung von vielen Seiten. Die Kinder könnten ja über die elektronischen Medien Kontakt halten. Sprich: ab ans Handy. Dass jetzt keine Treffen in großer Runde mehr angesagt sind – keine Frage. Aber draußen scheint die Sonne, das Wetter ist traumhaft. Ich schicke meinen Sohn zum Fahrradfahren, zum Inlineskaten, zum Basketballspielen. Ehrlich: wer weiß, wie lange die Kinder noch ins Freie dürfen? Danach werden eben die Hände gewaschen.

Am Nachmittag schaukelt meine Tochter auf dem Spielplatz. Abends ist klar: Sie hat schon wieder ein letztes Mal erlebt.