Damit die Filderebene nicht im Stau erstickt, sollten mehr Pendler auf den Nahverkehr setzen. Deshalb haben fünf Redakteure unserer Zeitung ein paar Tage das bequeme Auto stehen lassen und sind in Bus und Bahn gestiegen. Wie ist es ihnen dabei ergangen?

Filder - Damit die Filderebene nicht im Stau erstickt, sollten mehr Pendler auf den Nahverkehr setzen. Auch die Redakteure unserer Zeitung fahren täglich aus verschiedensten Richtungen ins Pressehaus nach Stuttgart-Möhringen. Für ein paar Tage haben fünf von ihnen das bequeme Auto stehen lassen und sind in Bus und Bahn gestiegen. Wie ist es ihnen dabei ergangen?

 

Rebecca Anna Fritzsche pendelt von Stuttgart-Plieningen

Ich wohne in Stuttgart-Plieningen, mit dem Bus brauche ich wenige Minuten ins Pressehaus. Allerdings bin ich morgens nicht alleine unterwegs, sondern mit meiner zweieinhalbjährigen Tochter, deren Buggy und allerhand Gepäck – darum nehme ich das Auto.

Spannend wird alleine schon der Versuch, pünktlich aus dem Haus zu kommen. Einem Kleinkind klarzumachen, dass wir genau jetzt losgehen müssen und nicht erst in zehn Minuten, wenn das Puzzle fertig gelegt ist, ist eine Kunst, die mir morgens alle Energie abverlangt. Mit dem Auto bin ich flexibel: Ein paar Minuten hin oder her fallen nicht ins Gewicht. Beim Bus schon: Der fährt nur alle 20 Minuten. Müssen wir den nächsten nehmen, kommen wir zu spät.

Alles, was ich sonst einfach ins Auto werfe, muss ich nun auf Rücken, Schulter und Buggy mitschleifen: neben meiner Tasche für die Arbeit auch das liebste Kuscheltier des Kindes, die Wickelausrüstung, Spielzeug, Getränke und Obst, Wechselkleider – eben alles, was man für den Nachmittag bei der Kita-Freundin oder andere Unternehmungen braucht.

Die Busfahrer halten außerdem gerne so an, dass eine riesige Kluft zwischen Gehwegrand und Bustür klafft. Die ist genau so breit, dass ich nicht einfach mit dem Buggy vom Gehweg in den Bus übersetzen kann, aber natürlich nicht breit genug, dass ich ohne umständliche Manöver auskomme. Und zu guter Letzt ist das Gelände rund um das Pressehaus eindeutig nicht für Fußgänger gemacht, und schon gar nicht für Kinderwagen. Unzählige hohe Bordsteine, Treppen und Umwege gilt es zu überwinden.

Fazit: Machbar wäre es. Das muss ich ehrlich zugeben. Gut wäre es, wenn der Bus häufiger fahren würde, etwa alle zehn Minuten statt alle 20. Dann fiele es nicht so stark ins Gewicht, ob wir pünktlich aus dem Haus kommen. Meinem Rücken und meinen Nerven zuliebe kann ich mir aktuell aber nicht vorstellen, dauerhaft umzusteigen.

Judith A. Sägesser pendelt von Tübingen

Ich lebe in Tübingen und gehöre damit zu den Pendlern, die morgens und abends die B 27 verstopfen. Den Selbstversuch habe ich aus Feigheit auf die Ferien geschoben. Und ich habe schon im Vorfeld eifrig Argumente gesammelt, warum das Ganze nicht klappen kann. Zu teuer, zu umständlich, zu zeitintensiv. Und dann haben mir die öffentlichen Verkehrsmittel einen Strich durch die Rechnung gemacht.

In den Tagen, in denen ich aufs Auto verzichtet habe, hat alles reibungslos geklappt. Es gibt eine direkte Busverbindung durch den Schönbuch mit einmal umsteigen in Echterdingen, Verspätungen habe ich keine erlebt. Gut, eine Klippe gab es gleich zu Beginn. Ich hatte Mühe, herauszufinden, wie viel mich der Spaß eigentlich kostet. Ich wollte den neuen BW-Tarif ausprobieren, mit dem man billiger von A nach B kommt. Blöd nur, dass man diese Tickets nicht im Bus lösen kann, dort wäre es teurer. Es gibt sie an DB-Automaten, beim Bahn-Schalter oder online. Das habe ich herausgefunden, als ich etwas echt Fieses getan habe. Ich habe um 22 Uhr bei der Service-Hotline von BW-Tarif – rund um die Uhr erreichbar – angerufen. Abgenommen hat ein sehr freundlicher Herr. Das Ergebnis: 20,60 Euro hin und zurück. Das ist, wenn man mit einer Kilometerpauschale von 30 Cent rechnet, fast genauso teuer wie mit dem Auto. Weniger freundlich war die Bahn-Angestellte am Schalter, bei der ich die Tickets für alle Test-Tage gekauft habe. Bei ihr monierte ich, dass man den Fahrschein nicht im Bus kaufen kann. Das sei, Originalzitat, „Meckern auf hohem Niveau“.

Fazit: Zu meckern hatte ich dann beim Versuch selbst nichts – bis auf die Tatsache, dass ich mit anderthalb Stunden von Tür zu Tür dreimal so lang gebraucht habe wie mit dem Auto. Das muss man wollen. Mich hat es genervt, weil ich es effizient mag. Und dazu gehört nicht, an Haltestellen herumzuhocken und auf den Anschluss zu warten. Um komplett umzusteigen, muss aber nur ich etwas ändern und nicht der Nahverkehr: Ich müsste meinen inneren Schweinehund überwinden.

Otto-H. Häusser pendelt von Bonlanden

Der Start ist etwas holprig. Bei der ersten meiner Testfahrten bin ich so aufgeregt, dass ich zu früh zur Haltestelle gehe. Prompt steige ich in den falschen Bus ein. Das wird mir allerdings erst klar, als der in Echterdingen stehen bleibt und die Ansage erschallt: „Umsteigen in die Linie 77...“. Ich steige aus und merke, dass ich im 76er saß. Kurz warten und schon kommt der 77er – mein eigentlicher Favorit, der von Bonlanden direkt nach Möhringen zur Haltestelle „Landhaus“ fährt. Ansonsten verläuft die Fahrt jedoch problemlos. Auf der Rückfahrt braucht der Bus etwas länger, weil er in Echterdingen (Berufsverkehr) und Stetten (Baustelle) im Stau steht. Jedes Mal bin ich mit dem Bus samt der dazu gehörenden Fußwege etwa 45 Minuten unterwegs. Mit dem Auto brauche ich rund 20 Minuten. Dann darf aber auf der B 27 kein Stau sein. Wenn dem doch so ist, hilft nur das Motorrad. Mit dem kann man zwischen den stehenden Autoreihen hindurchfahren.

An einem anderen Tag muss ich abends in den Filderstädter Gemeinderat. Also fahre ich von der Redaktion aus mit der Stadtbahn nach Plieningen. Dort steige ich nach einer Wartezeit in den Bus um und fahre nach Bernhausen. Nach der Sitzung muss ich noch mal den Bus nehmen, um nach Bonlanden zu kommen.

Fazit: Die Fahrt mit den öffentlichen Verkehrsmitteln ist machbar. Sie dauert zwar länger, ist aber auch interessanter, weil man die Umgebung intensiver wahrnehmen kann. Wenn die noch schnellere neue Buslinie X 7 zwischen Harthausen und Degerloch im Dezember eingeführt wird, dann ist das für mich eine echte Alternative zum Auto. Falls ich meine Faulheit überwinden kann, dann wäre auch irgendwann ein Umstieg auf Bus und Pedelec im Wechsel denkbar.

Götz Schultheiss pendelt von Wildberg

Kreuzfidele Extrovertierte gehen mir morgens auf die Nerven. Deshalb ist die Fahrt alleine im Auto zur Arbeit für mich ideal. Das Radio ist aus, kein Berufsspaßmacher und kein Schnulzen-Fuzzi massakrieren meine Ohren.

Beim ÖPNV-Versuch geht es von Wildberg rund 50 Kilometer weit zum Pressehaus an der Stadtbahnhaltestelle Landhaus. Um 7.52 Uhr ist der Bus zur S-Bahn nach Herrenberg da. Der Fahrer kassiert 3,20 Euro, dann geht’s los. Insgesamt sind es fünf Fahrgäste, es ist angenehm still. An der S-Bahn in Herrenberg blockieren Schüler die Fahrkartenautomaten. Als ich zum Zug komme, versuche ich, Landhaus als Endhaltestelle einzugeben. Die künstliche Intelligenz des Automaten lässt mich die Lettern nur bis Land eingeben, dann bekomme ich ungewollt Wahlmöglichkeiten, darunter Lindau und Landau, nur Landhaus nicht. Am Fahrkartenschalter der Bahn findet die natürliche Intelligenz eines Angestellten die Lösung. Hin und zurück kostet sie 13,60 Euro.

Auf dem Rückweg zum Bahnsteig erlebe ich einen gefährlichen Moment: Die schräge Kleidung einiger Mitreisender fesselt meinen Blick, und ich pralle beinahe gegen einen Automaten. Das wäre auf der Autobahn nicht passiert. Um 8.31 Uhr fährt die S-Bahn los. Eine schnatternde Schülergruppe sitzt in angenehmer Distanz. Der Umstieg in Vaihingen in die Stadtbahn geht schnell, 9.22 Uhr bin ich im Pressehaus. Auch die Rückfahrt am Abend verläuft gut, aber nur, weil ich keinen Termin mehr habe. Wäre ich später als 21 Uhr in Herrenberg, käme ich nicht mehr heim.

Fazit: Ich werde weiter Auto fahren, bis der ÖPNV preiswert genug ist und ich von Herrenberg bis Wildberg Busverbindungen bis Mitternacht habe.

Sandra Hintermayr pendelt von Stuttgart-Weilimdorf

Eigentlich muss ich nur vom einen Ende Stuttgarts ans andere: von Weilimdorf nach Möhringen. Luftlinie sind das elf Kilometer, auf der Straße etwa 16. Mit dem Auto fahre ich sozusagen einmal um Stuttgart herum, über die Bergheimer Steige, Wildparkstraße, B 14 und die Ostumfahrung Vaihingen. Normalerweise schaffe ich das in etwas mehr als einer halben Stunde, an guten Tagen in 25 Minuten.

Eigentlich gibt es auch eine ideale ÖPNV-Verbindung: die Haltestelle der Stadtbahn ist nur drei Minuten von meiner Haustür entfernt, mit der U 6 und der U 3 komme ich bis zum Pressehaus. Allerdings brauche ich mit der Bahn eine Stunde von Tür zu Tür – doppelt so lange wie mit dem Auto. Acht, neun Minuten davon warte ich auf dem Hinweg morgens am Möhringer Bahnhof auf meinen Anschluss, denn meistens sehe ich die U 3 gerade abfahren, wenn meine U 6 einfährt. Das nervt mich. Zudem bin ich ein Morgenmuffel, brauche erst Zeit zum Hochfahren. Kindergartengruppen in der Bahn, deren Erzieher Mühe haben, die Kleinen im Griff zu behalten, ziehen an meinem Geduldsfaden ebenso wie das Dutzend Geschäftsreisende, die mit ihren Köfferchen die Türen und Gänge in der Bahn verstopfen und Teenager, die ihre Musik so laut hören, dass ich auch noch was davon habe.

Eigentlich hatte ich mich auf die ÖPNV-Fahrt gut vorbereitet und ein Buch mitgenommen. Bei der Lautstärke ist an Lesen aber nicht zu denken. Memo an mich: nächstes Mal Kopfhörer mitnehmen, um die anderen Fahrgäste auszublenden. Sonst laufen die drei Testtage gut, Verspätungen gibt es kaum, nur eine Bahn entfällt einmal. Statt vier Minuten stehe ich 14 Minuten an der Haltestelle und warte. Warum die Bahn ausfällt, weiß niemand. Eine Durchsage gibt es nicht.

Fazit: Die doppelte Fahrzeit morgens und abends und meine eigene Bequemlichkeit halten mich davon ab, künftig regelmäßig mit der Bahn zu fahren. Ist mein Auto in der Werkstatt, ist der ÖPNV aber eine gute Alternative, um ins Büro zu kommen.