Der Garten diente früher vielen zur Versorgung mit Essen. Mit Krieg und Krisen lebt diese Kultur wieder auf. Tipps, wie man es angehen kann – sogar auf dem Balkon.
Erst die Schrecken und Einschränkungen der Pandemie, dann der russische Angriff auf die Ukraine und in dessen Folge die Verteuerung und Verknappung vieler Lebensmittel – die Zeiten waren ohne Zweifel schon mal besser. Kein Wunder also, dass viele darüber nachdenken, wie sie sich unabhängig machen können von globalen Krisen und ständig steigenden Preisen fürs tägliche Brot und gesundes Grünzeug.
Doch nicht allein die Sorge um die Nahrungsgrundlagen sind Auslöser dafür, über Selbstversorgung aus dem eigenen Garten nachzudenken. An erster Stelle steht für viele der Wunsch nach naturbelassenen, regionalen Nahrungsmitteln, die ohne Agrarchemie und unter menschenwürdigen Arbeitsbedingungen erzeugt wurden.
Wunsch nach mehr Nachhaltigkeit
Hinzu kommt, dass die letzten Jahrzehnte eine Zeit des Überflusses waren. Inzwischen ist es selbstverständlich, frische Erdbeeren mitten im Winter und Mangos aus Asien oder Avocados aus Südamerika in den Supermärkten vorzufinden. Immer mehr Konsumenten merken allerdings, dass so etwas nicht nachhaltig ist, und sie erkennen, dass sie durch ihr eigenes Verhalten Einfluss auf Wirtschaftskreisläufe nehmen können und nicht zuletzt auch auf den Klimawandel.
Dass Selbstversorgung und Permakultur voll im Trend liegen, spiegelt ein Blick in die Regale von Buchhandlungen wider. Fast 50 Jahre nach Erscheinen des Klassikers „Selbstversorgung aus dem Garten“ von John Seymour hat das Thema nichts von seiner Faszination eingebüßt.
Vorbei sind die Zeiten, als nur Ökos in grob gestrickten Pullovern die Selbstversorgung für sich neu entdeckten. Neu entdeckt deshalb, weil Selbstversorgung vor der Erfindung des Supermarktes zumindest für die Landbevölkerung überall auf der Welt selbstverständlich war.
Eigentlich keine Zeit?
Das Spektrum aktueller Ratgeber reicht daher von „Selbstversorgung zu Uromas Zeiten“ über „Selbstversorgung kann jeder“ bis hin zu „Wenig Zeit und trotzdem Selbstversorger“. Letzteres ist ein trendiger Ratgeber für alle, die eigentlich keine Zeit für Säen, Gießen, Jäten, Ernten und Konservieren haben. Beschrieben werden in den Druckwerken alle erdenklichen Methoden, gesunde Nahrung selbst zu erzeugen und das Erntegut zu verarbeiten, also auch das Konservieren durch Trocknen, Vergären oder Einwecken.
Echte Selbstversorger bewirtschaften natürlich Hochbeete, brauen ihr Bier selbst, backen Brot, halten Hühner und Ziegen, imkern fleißig und erzeugen im besten Fall sogar ihre eigene Energie aus nachhaltigen Quellen wie Sonne, Wind oder Wasser. Je nach verfügbarer Zeit, Kraft, der Größe des Nutzgartens oder der Vorratsräume kann das Maß der Selbstversorgung von kleinen Anfängen bis hin zur fast kompletten Autarkie immer weiter optimiert werden.
So kann Selbstversorgung ansatzweise auch schon in relativ kleinem Maßstab praktiziert werden, etwa indem Gemüse und Kräuter in ein Hochbeet gepflanzt, die Beeren aus dem eigenen Garten zu Konfitüre eingekocht oder selbst angebauter Weißkohl zu Sauerkraut vergoren wird.
Und wer es mit der Selbstversorgung wirklich ernst meint, kann gleich einem zweiten Trend huldigen, der Permakultur. Der Begriff ist eine Verschmelzung der Worte „permanent“ und „Agrikultur“ und ist zurzeit genauso angesagt wie die Selbstversorgung.
Und was heißt Permakultur?
Aber was genau ist mit Permakultur gemeint? Streng genommen gibt es keine exakte Definition für diese Wirtschaftsweise. Die Begründer der Bewegung, Bill Mollison und David Holmgren, entwarfen Mitte der 1970er Jahre ein nachhaltiges Konzept für Landwirtschaft und Gartenbau, das darauf basiert, natürliche Ökosysteme und Kreisläufe genau zu studieren und dann nachzuahmen.
Das Ziel ist, durch geschlossene Stoffkreisläufe langfristig stabile Ökosysteme zu schaffen, die sich selbst erhalten, dadurch möglichst wenig Arbeit machen und die natürlichen Ressourcen schonen.
Konkret bedeutet das beispielsweise: mehrjährige statt einjährige Nutzpflanzen, eine konsequente Bodenpflege durch Mulchen, Kompostierung und den Verzicht auf Agrarchemie sowie eine planvolle Aufteilung der Anbauflächen.
Permakultur enthält aber auch eine soziale Komponente, indem unabhängige, widerstandsfähige, gerecht verteilte Lebensräume geschaffen werden. Mit anderen Worten: eine konsequente Form von Biolandbau mit positiven sozialen Nebeneffekten.
Inzwischen ist aus der einstigen Nischenkultur eine weltweite Graswurzelbewegung geworden, die eine nachhaltige Lebensweise und Landnutzung anstrebt, und das sowohl im privaten Hausgarten als auch in der kommerziellen Landwirtschaft. Wie das im Einzelnen konkret praktiziert wird, kann in zahlreichen Büchern sowie im Internet in zuweilen recht launigen Blogs und Youtube-Videos nachverfolgt werden.
Manche haben übrigens schon ein Stück Permakultur in ihrem Garten, ohne es zu wissen. Die beliebte Kräuterspirale ist eine relativ einfach zu errichtende Struktur, bei der sich eine Steineinfassung schneckenförmig in die Höhe schraubt und mit Substrat gefüllt wird.
In den unteren Zonen werden Kräuter gepflanzt, die mehr Humus und Feuchtigkeit brauchen, wie Sauerampfer oder Minze-Arten. In den oberen Bereichen finden Kräuter eine Heimat, die mit weniger Nährstoffen auskommen, etwa Thymian, Berg-Bohnenkraut und Oregano.
Und wer keinen Garten hat, kann auf dem Balkon oder der Terrasse einfach ein paar Töpfe mit mehrjährigen, winterharten Kräutern wie Lavendel, Rosmarin oder Salbei bepflanzen. Solch ein kleiner Topfgarten ist dann immerhin permakulturelle Selbstversorgung „light“ mit frischen Küchen- und Teekräutern das ganze Jahr über. Sogar Erdbeeren gedeihen auf dem Balkon. Das ist mit wenig Anstrengung auch nach Feierabend und ohne großen Garten gut zu meistern!