Beim Bogenschießen braucht man Konzentration und Koordination. Unsere Mitarbeiterin Julia Barnerßoi hat sich beim Bogensportclub Stuttgart in der Präzisionssportart versucht. Nach einer Trainingsstunde landen tatsächlich zwei Pfeile in der Mitte der Zielscheibe.

Riedenberg - Beim Bogenschießen sind wir alle gleich. So schreibt es der Bogensportclub Stuttgart auf seiner Homepage. Das macht mir Mut. „Egal, ob Riese oder Zwerg, ob Kraftprotz oder Milchbubi, ob Strich in der Landschaft oder Bierbauchträger“, heißt es weiter. Mit dem richtigen Material könne jeder mit Pfeil und Bogen umgehen. Ich zähle mich zwar zu keiner der Kategorien, vertraue aber darauf, dass es auch mir gelingen wird, mit Pfeil und Bogen zu hantieren, ohne dass es Verletzte gibt. An diesem Mittwochabend versuche ich mich auf der Anlage an der Birkacher Straße in Riedenberg zum ersten Mal in der Präzisionssportart – Gott sei Dank unter fachkundiger Anleitung von Dieter Heinz, dem Sprecher des Vereins.

 

Bevor es losgeht, guckt Heinz nur kurz auf meine Statur – schon greift er sich einen bestimmten Holzbogen aus dem Leihbogen-Sortiment an der Wand in der Gartenlaube des Clubs. „18 Pfund Zuggewicht, das sollte passen“, sagt er und drückt mir den gar nicht mal so leichten Bogen in die Hand. Dazu bekomme ich drei Pfeile, einen Brust- und einen Armschutz, sowie den sogenannten Tab, ein Fingerschutz aus Leder, mit dem man die Sehne des Bogens spannt. Am Tab ist außerdem ein Plastikplättchen angebracht, auf dem das Kinn beim Zielen aufgelegt wird.

Beim Befehl „Pfeil stopp“ wird nicht mehr geschossen

Die nächste Lektion sind die Platzregeln: „Zunächst duzen wir uns hier auf dem Platz“, sagt Dieter Heinz. Regel Nummer zwei: Beim Befehl „Pfeil stopp“ wird nicht mehr geschossen. Denn dann geht jemand in Richtung Zielscheibe und zieht seine Pfeile aus dem Schaumstoff unter der Papier-Auflage mit den bunten Kreisen. Erst wenn der Schießleiter wieder „Pfeil frei“ gibt kann es weitergehen.

Rund 170 Mitglieder zählt der 1968 gegründete Verein, wenn auch nicht alle regelmäßig an den Trainingstagen Mittwoch und Samstag mit Pfeil und Bogen auf dem Platz stehen. Manche Mitglieder betreiben den Präzisionssport nur als Hobby, einige mischen aber auch bei Meisterschaften, Turnieren und in der Liga mit. Der Verein ist erfolgreich: „Wir haben allein zwei Mannschaften in der Württemberg-Liga“, erzählt Dieter Heinz stolz.

Die 18 Pfund Zuggewicht sind ganz schön ordentlich

Von solch einem Erfolg bin ich an diesem frühen Abend noch weit entfernt. Noch nie habe ich einen Bogen in der Hand gehalten, es geht also ganz von vorn los: „Die Füße parallel stellen“, gibt mir mein Privattrainer die erste Anweisung. Bei mir als Rechtshänderin kommt der linke Fuß nach vorne, die linke Hand hält den Bogen gerade vor mir. Dann geht es ans Sehne anziehen. Die 18 Pfund Zuggewicht sind ganz schön ordentlich, wie ich gleich merke. Nur mit viel Kraft schaffe ich es, die Sehne bis an mein Gesicht zu ziehen „Sie muss die Mitte der Nase und der Lippen berühren“, sagt Dieter Heinz schnell, bevor mir die Kraft ausgeht. Jetzt noch das linke Auge zusammenkneifen und mit dem rechten durch das Visier das Gold – also die Mitte der Zielscheibe – links an der Sehne vorbei anvisieren. Dann lasse ich los. Schnarrend saust der Pfeil die 18 Meter zur Zielscheibe – und trifft diese sogar. Zwar nur im äußeren Ring, aber immerhin.

Auf die Feinkoordination kommt es an

„Jede kleinste Bewegung, jede Falte in der Kleidung kann die Flugbahn des Pfeils beeinflussen“, erklärt mir mein Mentor Dieter Heinz. Es komme beim Bogenschießen also vor allem auf die Feinkoordination an. Und es bedarf der Konzentration. Das sei anstrengend, aber auch entspannend, sagt Heinz. Er zum Beispiel könne beim Bogenschießen den Alltag und alle Gedanken oder Sorgen einfach ausblenden.

Mein Kopf ist indes alles andere als leer, entspannen kann ich mich nicht. Zu viele Befehle schwirren in meinem Hirn herum. Eine andere These von Dieter Heinz kann ich jedoch absolut bestätigen. „Beim Bogenschießen hat man schnell erste Erfolgserlebnisse“, hatte er zu Beginn des Abends zu mir gesagt. Und es stimmt. Einige Versuche später habe ich den Schussablauf allmählich verinnerlicht, und er verselbstständigt sich. Am Ende gehe ich mit einer tollen Bilanz vom Platz: Ich habe tatsächlich zweimal ins Gold getroffen.

Julia BarnerßoiStZ Julia Barnerßoi
versucht sich in loser Folge in verschiedenen Dingen – ob ganz Alltägliches oder Außergewöhnliches.