Selbstversuch der Redaktion Hat es mit den guten Vorsätzen geklappt?

Man könnte im Neuen Jahr so viel anders und besser machen – aber funktioniert das auch? Foto: Imago/Christian Ohde

Unsere Redaktion hat sich zu Jahresbeginn einiges vorgenommen. Die individuellen Pläne wurden mal besser, mal schlechter umgesetzt.

Statistisch gesehen halten gute Vorsätze, die zum Jahreswechsel gefasst werden, im Mittel etwas mehr als zwei Monate. Die sind mittlerweile um. Doch wie verhält es sich mit den hoch gesteckten Zielen in der Lokalredaktion, die wir Anfang Januar vorgestellt haben? Grenzen setzen, Neues lernen, dem inneren Schweinehund ein paar Punkte abringen – was ist daraus geworden?

 
Melissa Schaich Foto: Stefanie Schlecht

Blockierter Nacken: Neujahrsvorsätze sind Klischee. Und Neujahrsvorsätze zu brechen, ist auch Klischee. In der Regel ist das kein Problem: Wer erinnert sich schon im März noch daran, was im Januar war? Dass andere Regeln gelten, wenn man diese Neujahrsvorsätze in der Zeitung veröffentlicht, hätte mir klar sein können. Trotzdem bin ich jetzt extrem zerknirscht. Im Januar waren meine Ziele glasklar: In den ersten Monaten des Jahres sollte Protein gelöffelt werden bis zum Abwinken, damit ich dann spätestens im März souverän drei (oder waren es vier?) Klimmzüge hinbekomme. In diesen strengen Trainingsplan war allerdings eine wichtige (und fatale) Variable nicht mit einberechnet: mein Alter. Denn, wie sich herausstellt, reagiert mein Nacken – nun da ich in meinen Dreißigern angelangt bin – beim Versuch einen Klimmzug zu machen mit einer Blockade (verständlich). Das ist dann kein zartes Ziepen (wie es in meinen Zwanzigern vielleicht ab und zu vorkam), sondern ein Feuerschmerz, der es unmöglich macht, meinen Kopf nach links oder rechts zu drehen oder auch nur gerade zu halten. Und das eine Woche lang. Um auch sicherzugehen, dass es an den Klimmzügen liegt, habe ich dieses Experiment ganze vier Mal innerhalb von zwei Monaten durchgeführt: Ich hänge mich an eine Stange und bin dann eine Woche bewegungsunfähig – das letzte Mal in der ersten Märzwoche. Obwohl das wirklich Spaß gemacht hat (Ironie!), muss ich mir eingestehen: So wird das nichts. Ich bin wohl in einem Alter angelangt, in dem mein Neujahrsvorsatz heißen sollte, einen Termin beim Osteopathen auszumachen.

Eddie Langner Foto: Stefanie Schlecht

Auf den inneren Widerstand hören: Öfter mal „Nein“ sagen – das war mein Vorsatz für dieses Jahr. Offenbar hatte ich damit einen Nerv getroffen, denn ich habe zahlreiche Rückmeldungen dazu bekommen. „Glaub‘ mir, es gibt schlechtere Charaktereigenschaften“, hatte mir ein ehemaliger Kollege geschrieben. Der hatte in seinem Berufsleben auch nur äußerst selten „Nein“ zu einer guten Geschichte sagen können und war damit offenbar ein prägendes Vorbild für mich. „Das hat ja nicht so wirklich geklappt bei dir“, lautet das Fazit einer Kollegin aus meiner Redaktion. Sie sagt es mit einem freundlichen und irgendwie auch mitleidigen Lächeln. Ich lächle etwas bemüht zurück, denn sie hat ja recht. Ob aus Pflichtgefühl, Harmoniebedürfnis oder dem Wunsch nach Anerkennung: Ein „Ja“ kommt mir immer noch leichter über die Lippen als ein „Nein“. Allerdings muss ich meiner lieben Kollegin zumindest ein bisschen widersprechen. Ich habe es in den letzten rund zweieinhalb Monaten nämlich sehr wohl immer wieder geschafft, in mich hineinzuhören und dann Dinge nicht zu machen, gegen die ich einen inneren Widerstand gespürt habe. Darauf bin ich stolz und ich will weiter dranbleiben. Auch auf die Gefahr hin, deshalb Sympathiepunkte oder womöglich gar Freundschaften einzubüßen. Denn: Sollte das passieren, war die Freundschaft es vermutlich nicht wert.

Julia Theermann /Stefanie Schlecht

Nachholbedarf beim Radeln: Was ist das immer für ein erhebendes Gefühl, wenn man die Pläne und Vorsätze für das neue Jahr öffentlich aufgeschrieben und sich ihnen damit verpflichtet hat. Tja, und teilweise klappt es auch ganz gut damit. Ich hatte mir vorgenommen, mein Handy soweit möglich vom Esstisch zu verbannen. Das wird von Mahl zu Mahl (haha) einfacher. Beim Spielen ist es immer noch häufig dabei – es entstehen einfach oft gute Schnappschüsse. Ebenfalls recht gut klappt es mit dem Vorsatz, zusätzlich zur Vesperbox meines Sohnes morgens auch eine Snackbox für mich selbst zu packen. Das sollte dazu dienen, nicht so häufig zum Bäcker zu rennen und dort mein Geld auszugeben. Wenn mein Mann kocht – was bei uns der Regelfall ist – schaffe ich es außerdem häufig, mein Mittagessen mit ins Büro zu nehmen. Läuft also eigentlich gar nicht so schlecht. Bis auf meinen ambitionierten Vorsatz, mich wieder mal aufs Fahrrad zu schwingen. Daraus ist noch nicht mehr geworden, als dass ich einmal den Reifendruck des Fahrrads überprüft und mir eine Route für die Fahrt von Dagersheim nach Böblingen überlegt habe. Bisher habe ich aber noch jeden Morgen eine Ausrede gefunden, um doch wieder das Auto zu nehmen. Da würde wahrscheinlich am ehesten eine Fahrgemeinschaft helfen.

Anke Kumbier Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Hello World: Wie das mit guten Vorsätzen nun mal so ist: Sie sind schnell beschlossen, aber nicht ganz so schnell umgesetzt. So geht es zumindest mir mit meiner Idee, etwas für mich komplett Neues und Herausforderndes, nämlich Programmieren, zu lernen. In den vergangenen Wochen habe ich es immer wieder vor mir hergeschoben – es war ja noch Zeit. Bis eine Kollegin meinte, sie würde doch gerne wissen, wie viel wir schon umgesetzt haben. Mit etwas Druck im Nacken war es plötzlich gar nicht mehr so schwer, zur Tat zu schreiten. Obwohl ich bislang nur kleine Schritte gemacht habe. Der erste: die Programmiersprache Python herunterzuladen. Der zweite: mir eine sogenannten integrierte Entwicklungsumgebung zu suchen, ein Werkzeug für die Software-Entwicklung, also das Schreiben von Programmcode. In einem dritten Schritt habe ich das Beispiel programmiert, das wohl  jeder Anfänger kennt. Ich habe meinen Computer „Hello World“ sagen lassen. Das erste Tutorial habe ich auch schon hinter mir und jetzt schwirrt mir von Schleifen und If-Bedingungen der Kopf. Ob Programmieren zu meinem neuen Hobby wird, kann ich noch nicht sagen. Aber es ist schon so: Es fühlt sich gut an, etwas Neues auszuprobieren und festzustellen, dass es klappt – auch wenn ich einen Schubser von außen gebraucht habe.

Robert Krülle /Stefanie Schlecht

Erfolg mit kleinen Ausnahmen: Meine guten Vorsätze waren von vorneherein auf zwei Monate begrenzt – insofern hatte ich es etwas leichter als die Kolleginnen und Kollegen. Mein Plan sah vor, den Januar und den Februar ohne Alkohol und Süßigkeiten auszukommen, als vorgezogene Fastenzeit. Und ich kann sagen: Auftrag erledigt! Ohne Schokolade und Gummibärchen auszukommen, war nach wenigen Tagen bereits überhaupt kein Problem mehr. Denn wenn der Süßi-Heißhunger, der einen täglich immer mal befällt, nach etwa einer Woche besiegt ist, lässt es sich gut ohne leben – selbst wenn sich die Familie am Esstisch noch ein fettes Schokoeis mit Streuseln gönnt. Die Lust auf ein gelegentliches kühles Feierabendbier kommt dagegen immer mal wieder auf, lässt sich aber auch händeln. Zwei Ausnahmen habe ich mir von der Anti-Alkohol-Vorgabe genehmigt. Beim Neunmeterturnier von Fortuna Böblingen mussten ein, zwei Bierchen drin sein, genauso beim Abschiedsfest eines Kumpels. So viel Freiheit gönne ich mir.

Weitere Themen

Weitere Artikel zu Neujahr Sport Alkohol