Moderieren will gelernt sein. Die StZ-Mitarbeiterin Eva-Maria Manz hat das in einem Selbstversuch gelernt. An der Stuttgarter Hochschule der Medien leitete sie vor laufender Kamera eine Talkshow – und bekam hinterher von Mentor Wieland Backes Kritik zu hören.

Psychologie und Partnerschaft: Eva-Maria Manz (ema)

Stuttgart - Die Maskenbildnerin wartet schon. Es ist nicht einfach hierherzufinden. Die Gänge beim Südwestrundfunk sind so verwirrend wie im Spiegelkabinett. Jetzt mischt die Stylistin etwas auf ihrem Handrücken zusammen. „Das Licht im Studio schluckt alles“, sagt sie und schmiert mir die Masse ins Gesicht.

 

Noch eine gute halbe Stunde bis Drehbeginn. „Willst du üben?“, fragt mich die junge Frau: „Sag doch mal deine Anmoderation auf, das machen alle, wenn sie bei mir sitzen.“ Zu diesem Zeitpunkt ist die meiste Arbeit für mich bereits getan. Mit den drei Talkgästen telefonieren, eine Dramaturgie für eine halbstündige Show überlegen, Fragen auf Karteikarten notieren, die Anmoderation überlegen und auswendig lernen – das habe ich erledigt.

Wieland Backes fördert den Nachwuchs

Genau wie die 14 Schüler des Instituts für Moderation (imo). Alle können sich jetzt, zum Ende ihres Studiums an der Stuttgarter Hochschule der Medien, in der Königsdisziplin erproben: der Talkshow. Eine halbe Stunde, drei Gäste, vor Fernsehkameras, mit Aufzeichnung und Saalpublikum – also unter echten Bedingungen. Einer ihrer Lehrer ist der bekannte Fernsehmoderator Wieland Backes. Er hat das Institut 2009 mit gegründet und fördert den Nachwuchs ehrenamtlich. Ich aber spiele hier heute nur ausnahmsweise mit – ein Selbstversuch. Was haben die Studenten zu meistern? Das schaue ich mir genauer an, springe ins kalte Wasser. Noch nie habe ich vor einer Fernsehkamera gestanden.

Einer meiner Mitstreiter breitet jetzt seinen Karteikartenberg vor meinen Augen aus. „Wieland Backes notiert sich alle Fragen penibel genau beim ,Nachtcafé‘“, lässt er mich wissen. „Das sieht man gar nicht“, bemerke ich. – „Ist in seinem Tisch versteckt. Das weißt du aber nicht von mir.“

Einige Wochen vor dem Dreh haben die 14 Studenten gelernt, was es heißt, eine Talkshow zu moderieren. Martin Müller, der Chef der Journalistischen Unterhaltung des SWR, erklärte ihnen: „Das ist akribische Vorbereitung.“ Und: „Sie sind der Chef im Ring. Setzen Sie auf dem Podium nur neben sich, wen Sie gut leiden können. Das gibt Sicherheit.“ Er kennt alle Tricks. Auch wichtig: nicht sagen, „im Vorgespräch hatten Sie mir ja bereits erzählt . . .“ Das schließe die Zuschauer aus. Die Anmoderation zu Beginn, genau wie die Vorstellung der Kandidaten, sollte außerdem nicht zu lang geraten. In der Kürze liegt die Würze, finde der Fernsehzuschauer. Die Studenten schreiben eifrig mit. „Und wann hat man genügend Routine, um sich an all das auch wirklich halten zu können?“, fragt eine Nachwuchsmoderatorin. Das ist es nämlich, die Routine. Wieland Backes gibt später zu, dass selbst er nach der Sommerpause immer ein wenig aus der Übung sei.

Konzentration unterm Scheinwerferlicht

Die Gruppe der 14 Studenten besteht aus Volontären des Südwestrundfunks, Journalisten anderer Medien und der Hochschule. Sie alle haben schon Erfahrungen auf der Bühne, vor Bildschirmen oder beim Hörfunk gesammelt. Der Studiengang ist berufsbegleitend, dauert ein Jahr.

Ich werde an diesem Tag vor der Kamera ein Gespräch zum Thema „Mutter heute“ moderieren. Mein Ziel ist, ein normales Gespräch mit den drei Müttern zu führen, die meine Gäste auf dem Podium sind. Ich hoffe, ich kann mich im Scheinwerferlicht auf ihre Antworten konzentrieren.

Natürlich holt mich das Lampenfieber ein. In den Stunden vor Drehbeginn muss ich mich ablenken. Als das rote Licht angeht, wird es endlich besser. Die Anmoderation habe ich zum Glück nicht vergessen. Nach und nach kommt das Gespräch in Gang, auch meine Gäste werden lockerer, ein normales Plaudern ist tatsächlich möglich. Ich schiele ab und an auf meine Notizen und sehe im Augenwinkel zwei große Digitaluhren im Galopp auf die 30 zureiten. Gegen Ende halten die Techniker mir große Schilder hoch: „1 Minute!!!“ Ich muss darauf achten, nicht auf die Uhren oder in meine Karteikarten zu schauen, während ich selbst im Bild zu sehen bin. Dann rede ich bei der Abmoderation in die falsche Kamera, ein Mann hinter der richtigen wedelt amüsiert mit den Armen.

Geschafft!

Altwerden verboten – zumindest für Frauen

Um eine Talkshow so zu meistern, dass sie auf Sendung gehen könnte, üben die Studenten am Institut ein Jahr lang. Das Wertvolle am Studiengang sei „der geschützte Raum“, der es ermögliche, in die Arbeit vor der Kamera hineinzuwachsen, erklärt Stephan Ferdinand, einer der Direktoren. Die Studenten bekommen Sprech- und Rhetoriktraining, bekannte Moderatoren besuchen die Gruppe und berichten von ihren Erfahrungen. Geprobt wird dann unter realen Bedingungen, mit Publikum.

Hinter der Kamera erzählt mir jemand: „Moderatorin, das ist für Frauen aber kein Traumberuf.“ Wieso, frage ich. „Die werden aussortiert, wenn sie nicht mehr jung ausschauen. Ganz radikal.“ Ich überlege, wer mir von den bekannten Fernsehgesichtern einfällt – und es sind tatsächlich leider recht wenige ältere Frauen.

Am Ende bekomme ich, wie die Studenten, ein ausführliches Feedback-Gespräch mit Wieland Backes und Stephan Ferdinand, Direktoren des Instituts. Meine Fragen sind zu lang fürs Fernsehen. Und meine Stimme klinge bisher etwas zu blechern, sagt mir Wieland Backes. Und genau daran könne man arbeiten. Wenn man wolle.