Sie sind rar geworden: das schwäbisch-hällische Schwein, das Vorderwälder Rind und die Schwarzwaldziege. Züchter wollen die alten Rassen erhalten.

Hohenheim - Das Schwäbisch-Hällische Schwein ist mittlerweile bekannt: Das Mohrenköpfle, so genannt wegen seines schwarzen Kopfs und Hinterteils sowie dem weißen Sattel und Rücken, läuft fröhlich anmutend auf dem Volksfestumzug in Bad Cannstatt mit. Jedes andere Schwein würde vermutlich vor Stress einen schnellen Herztod sterben. Auch das Fleisch der robusten Sau ist beliebt, selbst wenn es teurer ist als Schweinefleisch im Supermarkt.

 

„Alte Rassen müssen in Wert gesetzt werden. Der Bauer kann nicht nur von seinem Idealismus leben, er muss auch etwas verdienen“, sagte Rudolf Bühler, der Vorsitzende der bäuerlichen Erzeugergemeinschaft Schwäbisch Hall, bei der jährlichen Wintertagung des ökologischen Landbaus an der Universität Hohenheim. Bei dieser Tagung ging es um den Erhalt und die Wiedereinführung alter Haustierrassen.

Das Schwäbisch-Hällische Landschwein und sein Förderer Bühler nehmen eine Vorbildfunktion ein: In den 80er Jahren galt das Mohrenköpfle als ausgestorben. Heute gibt es 3500 Mutterschweine dieser alten Rasse. Das Fleisch wird direkt ohne Zwischenhändler zu den entsprechenden Metzgern, Feinkostläden oder an den Stand in der Stuttgarter Markthalle geliefert. „Wir beliefern einen Markt mit Premiumqualität, der etwa 20 Prozent des Gesamtmarktes ausmacht“, erklärte Bühler. Weil das hochwertige, ökologisch produzierte und schmackhafte Fleisch teurer verkauft werden kann, lohnt sich die Haltung dieser alten Rasse für den Landwirt.

Erbgut vom chinesischen Maskenschwein

Dabei ist dieses alte Haustier gar nicht so urschwäbisch wie seine Name suggerieren mag: König Wilhelm kreuzte das heimische Wildtier mit asiatischen Verwandten, das erhöhte die Fruchtbarkeit und den damals noch erwünschten Fettansatz. Ihren Gesichtsausdruck mit der vermeintlich gerunzelten Stirn haben die Schwäbisch-Hällischen Landschweine eindeutig vom chinesischen Maskenschwein als Erbmasse mitbekommen. Doch in einer Zeit, in der die Verbraucher billiges und mageres Fleisch wünschten, hatten die Mohrenköpfle keine Chance mehr – und ein Bauer, der sie hielt, auch nicht.

Nur auf einigen wenigen Höfen im Hohenlohischen überlebten diese Haustiere. Und wurden von Rudolf Bühler wiederentdeckt. Nach einigen Jahren als Entwicklungshelfer in Afrika und Asien kam er zurück in seine hohenlohische Heimat. Was er im Ausland gesehen hatte, gab ihm zu denken. „Man wollte als Entwicklungshilfe die einheimischen Tiere durch hochleistungsfähige Tiere aus den Industrienationen ersetzen. Doch die hohe Leistung brachten diese Tiere nur, wenn sie mit ihrem gewohnten Futter und den entsprechenden Medikamenten versorgt wurden. Zudem konnten sie sich gegen die lokal grassierenden Krankheitserreger nicht durchsetzen“, erinnert sich Bühler. So setzten sich schließlich doch die lokalen Tiere mit geringer Produktivität durch.

Die Idee, alte Haustierrassen zu erhalten, wollte er nun auch ins Hohenlohische übertragen. Und er war erfolgreich: „In den achtziger Jahren hatte Schweinefleisch einen ganz schlechten Ruf. Es wurde davor gewarnt, die hochgezüchteten Industrieschweine zu essen. Es begann ein Umdenken, und man suchte nach gesunden Nahrungsmitteln“, berichtete der Ökobauer. Er gründete eine Züchtergemeinschaft, schaffte ein gutes Image – Bühler ist inzwischen ein weltweit gefragter Redner auf Kongressen und Expertentreffen – und mittlerweile wird das Überleben dieser alten Tierrasse immer wahrscheinlicher.

Die Gefahr liegt in der Inzucht

Dieses positive Beispiel wirkt motivierend. Denn überall kämpfen die alten Nutztierrassen um ihr Überleben, viele müssen vor dem Aussterben bewahrt werden. „In den reicher werdenden Industrienationen veränderte sich das Konsumverhalten immer schneller. Das führte zur Massentierhaltung. Es ging darum, möglichst viele Tier auf engem Raum schnell zu mästen und früh zu schlachten. Kühe sollten viel Milch liefern, Schweine viel Fleisch“, sagte Hans Ableiter vom baden-württembergischen Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz. Doch nun gehe es darum, die Merkmale der alten Haustierrassen wieder auszumachen und sie in deren Züchtung miteinfließen zu lassen. Eine Gefahr dabei ist die Inzucht, weil es nur noch wenige Tiere gibt.

Auch bei Rindern versucht man wieder, auf die jahrhundertealte Tradition zu setzen. Im Schwarzwald gibt es noch immer zwei ursprüngliche Rinderrassen, das Hinterwälder und das Vorderwälder Rind. Robust und genügsam im Futter sind sie ideale „Ökorasenmäher“ für Feuchtwiesen und Steilhänge – doch die genügsamen Tiere geben nur wenig Milch. Daher nutzen die Bauern im Schwarzwald diese Nutztierrassen für den Fremdenverkehr: Der Urlaub auf dem Bauernhof mit den traditionellen Tieren ist mittlerweile ein gutes Geschäft. Und er dient der Arterhaltung.

Recht schwierig ist die Erhaltung traditioneller Ziegen. „Die Ziege war früher die Kuh des kleinen Mannes“, erklärte Petra Herold, Vorsitzende des Ziegenverbandes und lange Jahre wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Uni Hohenheim. Seit den 60er Jahren aber ist die Ziege in Deutschland fast wie vom Erdboden verschluckt. Im Land etwa ist die genügsame Schwarzwaldziege heimisch, die sich gut an steile Hänge mit kargem Bewuchs angepasst hat.

Nun möchte man diese Tiere den Bauern wieder ans Herz legen. „Die Ziegen sind attraktiv für Bauern, die durch den niedrigen Milchpreis nicht mehr existieren können“ , sagte Petra Herold. Allerdings müsse man umdenken bei der Umstellung auf Ziegenhaltung: es gebe keine großen Molkereien, der Bauer müsse die Milch direkt auf dem Hof zu Käse verarbeiten und diesen möglichst auch direkt verkaufen, ebenso wie die anderen Ziegenprodukte. „Man muss bei den Ziegen das Besondere der Produkte hervorstellen“, lautete der Rat der Ziegenexpertin.