Immer mehr alte Menschen verunglücken im Verkehr. Und das hat finanzielle Auswirkungen: Für Rentner wird die Kfz-Versicherung teuer.

München - Deutschlands Rentner leben im Straßenverkehr immer gefährlicher: Die Zahl der in Autounfälle mit Verletzten oder Toten verwickelten Menschen über 65 hat sich im Laufe von 25 Jahren mehr als verdoppelt - obwohl die Zahl der Unfälle insgesamt zurückgegangen ist. Und wenn ein alter Mensch verunglückt, sind auch die Folgen häufig gravierend: Ein Drittel aller Verkehrstoten sind Senioren, obwohl sie nur ein gutes Fünftel der Bevölkerung stellen.

 

Die nackten Zahlen: 1991 waren nach einer kürzlich aktualisierten Aufstellung des Statistischen Bundesamts in Wiesbaden deutschlandweit noch weit über eine halbe Million Autofahrer in „Unfälle mit Personenschaden“ verwickelt. 2016 waren dann fast 130 000 Fahrer weniger an Unfällen mit Verletzten beteiligt. Doch die Zahl der Unfallfahrer im Pensionsalter hat sich seither verdoppelt: von knapp 23 000 auf über 48 000.

Die Ursachen sind vielfältig: Ein Faktor ist schlicht der demografische Wandel - die Zahl der alten Menschen wächst. Und abgesehen davon ist die ältere Generation heutzutage sehr mobil.

Senioren im Straßenverkehr seien aber „keine besondere Gefährdergruppe für andere im Straßenverkehr“, sagt Jörg Kubitzki, Unfallforscher im Allianz Zentrum für Technik (AZT) des größten deutschen Versicherers. „Im Vergleich zu anderen Altersgruppen sind sie unterdurchschnittlich häufig in Unfälle mit Personenschäden verwickelt. Es ist eher so, dass Senioren sich vor allem selbst gefährden, wenn sie verunfallen.“

Das lässt sich aus der Statistik ablesen: Die Zahl der Verkehrstoten ist in den vergangenen Jahrzehnten in allen Altersgruppen gesunken, auch bei den Senioren. Doch ihr Anteil an den tödlichen Unfällen steigt und steigt: 1991 war jeder sechste Verkehrstote über 65 Jahre alt, 2016 bereits jeder dritte. Besonders gefährdet sind alte Menschen ganz offensichtlich auf dem Fahrrad: 2016 starben 393 Menschen in Deutschland bei Zweiradunfällen, davon 232 Senioren - ein Anteil von fast 60 Prozent.

Da die von Senioren verursachten Unfälle steigende Kosten verursachen, hat die Versicherungsbranche in den vergangenen Jahren flächendeckend reagiert: Im Rentenalter ist die Kfz-Versicherung teurer als für Menschen mittleren Alters. Dabei geht es keineswegs nur um schwere Unfälle mit Toten und Verletzten.

Paradoxerweise könnte eine Tugend des Alters negative Auswirkungen haben

„Für Versicherungen relevant ist vor allem die Masse der Sachschäden“, sagt Allianz-Unfallforscher Kubitzki. „Über drei Viertel der Unfälle sind Sachschäden ohne Verletzte. Wenn es um die Masse dieser Sachschäden geht - Parkrempler und dergleichen -, sind Senioren durchaus auffällig.“

Das Vergleichsportal Verivox hat für eine Modellrechnung rund 150 Kfz-Tarife verglichen: Demnach zahlt ein 80-Jähriger im Schnitt aller Versicherungsanbieter 82 Prozent mehr für die Kfz-Haftpflicht (mit Vollkasko) als ein 45-Jähriger, wenn abgesehen vom Alter sämtliche Kriterien gleich sind.

Senioren sind allerdings oft jahrzehntelang unfallfrei gefahren und dementsprechend häufig in niedrigen Schadenfreiheitsklassen eingruppiert. „Doch selbst dann können die Senioren den Zuschlag nicht kompensieren“, sagt ein Verivox-Sprecher. Selbst mit dem höchstmöglichen Schadenfreiheitsrabatt zahlten sie in der Modellrechnung noch 18 Prozent mehr als der 45-Jährige mit einem mittleren Rabatt.

Der Gesamtverband der Versicherungswirtschaft (GDV) wertet jährlich die Kfz-Unfälle aus. Demnach steigt die Wahrscheinlichkeit eines Unfalls ab 68 Jahren rapide. In mittleren Jahren haben im Schnitt nur 52 von 1000 Autofahrern einen Unfall, wie der „Jahresgemeinschaftsstatistik“ zu entnehmen ist. Mit 68 Jahren sind es bereits 60 von 1000, ab Ende 70 dann über 80.

„Weil Lebensalter und Schadenrisiko so eindeutig zusammenhängen, sind Zuschläge für ältere Fahrer nicht nur gerechtfertigt, sondern auch gerecht“, argumentierte Jörg Rheinländer, Vorstandsmitglied bei der HUK Coburg, in einem Aufsatz für den GDV.

Paradoxerweise könnte eine Tugend des Alters negative Auswirkungen haben: Menschen vorgerückten Alters sind in der Regel weniger leichtsinnig als jüngere Zeitgenossen. Manche fahren freiwillig weniger - aber das tut dem Fahrkönnen nicht gut. „Das Risiko eines Unfalls hängt in hohem Maße von der Fahrleistung ab. Wer weniger fährt, verliert an Kompetenz. Manche Senioren fahren weniger als tausend Kilometer im Jahr“, sagt Kubitzki.

„Senioren sind vorsichtig“, meint der Allianz-Unfallforscher - „aber die Vorsicht führt häufig dazu, dass sie auf risikoarme Fahrten verzichten und beispielsweise nicht mehr auf der Autobahn fahren, wo vergleichsweise wenige Unfälle passieren.“ Weniger häufig verzichteten alte Menschen auf Fahrten zum Einkaufen oder zum Arzt. Doch der innerörtliche Verkehr ist vergleichsweise gefährlich, die „Unfallexposition“ höher.

Die regelmäßig geforderten Fahrtüchtigkeitsprüfungen für Senioren würden jedenfalls nichts bringen, meint Kubitzki. „In der Verkehrssicherheitsforschung ist die allgemeine Einschätzung, dass regelmäßige Überprüfungen der Fahreignung faktisch keinen Nutzen bringen.“