Wegen eines Papiers des Sozialministeriums müssen etliche Pflegeeinrichtungen umgebaut werden. Die Geschäftsführerin des Waiblinger Alexander-Stifts, Gaby Schröder, spricht über Unverständnis und „irrsinnig viel Geld“.

Rems-Murr : Frank Rodenhausen (fro)

Schon der erste Bürokratieaufwand war enorm. Für insgesamt 20 Standorte mussten 30-seitige Anträge ausgefüllt werden, um erst einmal zumindest den vorübergehenden Weiterbetrieb der Pflegeheime sicherzustellen, erinnert sich Gaby Schneider, die Geschäftsführerin des Alexander-Stifts. Eine 2009 in Kraft getretene Verordnung des Sozialministeriums hatte nicht nur neue Vorgaben für den Neubau von stationären Pflegeeinrichtungen gemacht, sondern auch für bestehende Häuser einen entsprechenden Umbau eingefordert.

 

Unverständnis und Unmut der Eigentümer

In einigen Einrichtungen des Tochterunternehmens der Diakonie Stetten, das auf die Betreuung von älteren Menschen spezialisiert ist, wurde das richtig kompliziert. Insbesondere in acht Seniorenheimen, in denen das Alexander-Stift zwar der Betreiber, nicht aber der Eigentümer der Immobilie ist, mussten zum Teil bis zu 50 Privatpersonen, die sich als Besitzer einzelner Zimmer eingekauft hatten, von den aufgezwungenen Veränderungen überzeugt werden.

Das habe bisweilen zu erheblichem Unmut geführt, sagt Gaby Schröder, die dafür durchaus größtes Verständnis hat. Schließlich fürchteten viele nicht nur um einen erheblichen Wertverlust ihrer Investition, sondern auch um den eigentlich fürs Alter sicher geglaubten Pflegeplatz.

In Rudersberg etwa gipfelte der Widerstand gegen die Aufgabe einer bestehenden Senioreneinrichtung zugunsten eines Neubaus in direkter Nachbarschaft gar in einer Petition an den baden-württembergischen Landtag, die letztlich aber keinen Erfolg hatte. Nach vielen Gesprächen mit der Kommune, dem Landratsamt, der Heimleitung und den Eigentümern kam man letztlich zu einer Lösung. Im Februar wurde mit den Bauarbeiten für ein völlig neu konzeptioniertes Seniorenquartier inklusive 23 geförderter Mietwohnungen begonnen. Der Investor ist die Kreisbau-Gruppe, die neben dem benachbarten, bisher gemeindeeigenen Gelände, alle bestehenden Räumlichkeiten mit Pflege- und Gemeinschaftszimmern sowie betreutem Wohnen aufgekauft hat, um das neue Pflegeheim zu ermöglichen. Der Weiterbetrieb des bestehenden Heims ist in der Bauphase durch eine Ausnahmeerlaubnis gesichert.

Manche Einrichtung muss aufgegeben werden

Auch Gaby Schröder ist mit der Lösung zufrieden, hat für die strenge Auslegung mancher Auflagen der Landesheimbauverordnung hingegen wenig Verständnis. Am Standort Aspach etwa hätten zur Einhaltung der Zimmermindestgrößen zum Teil nur wenige Zentimeter gefehlt. „Da musste man sich ernsthaft die Frage stellen, ob wir nicht einfach den Putz von den Wänden klopfen sollten, damit die Menschen in ihrer angestammten Umgebung bleiben könnten.“ Auch die zwingende Einrichtung einer Küche für Wohngruppen von maximal 15 Personen ergebe oft keinerlei Sinn. Im Gegenteil: „Für demente Menschen kann ein offener Zugang zu einem Herd lebensgefährlich sein.“

Dennoch sei man fleißig dabei, die To-do-Liste abzuarbeiten – „aber noch nicht durch“, wie Gaby Schröder sagt. Zumindest planerisch habe man aber auch an die meisten „kniffligen Häusern“ einen Haken machen und in Allmersbach als erstem Haus sogar Vollzug melden können.

Bewohnern wäre mehr Zeit wichtiger

An drei Standorten wird man die bestehenden Einrichtungen aufgeben müssen, weil unter den neuen Bedingungen ein halbwegs wirtschaftlicher Betrieb nicht mehr gewährleistet gewesen wäre. Insgesamt habe man aber gute Lösungen zur weiteren Versorgung der Älteren finden können.

Letztlich werde „irrsinnig viel Geld“ für Um- und Neubauten ausgegeben, sagt Gaby Schröder. Genau will sie das nicht beziffern, aber: „Das hätte ich lieber in mehr Mitarbeiter investiert.“ Denn sie wage behaupten zu können, dass es den meisten Bewohnern egal sei, ob ihr Zimmer 15,2 oder 16 Quadratmeter umfasse. „Ihnen ist wichtig, dass die Menschen, die sie betreuen, Zeit für sie haben.“ Doch die Menschen würden nicht gefragt, wie sie wohnen wollten.

Schon allein wegen der demografischen Entwicklung und des Fachkräftemangels werde man sich in Zukunft ohnehin ein neues Konzept für die Pflege überlegen müssen, glaubt Schröder. In der Schweiz etwa seien mittlerweile sogenannte Pflegeoasen üblich, in denen sich bis zu acht Pflegebedürftige ein Zimmer mit einem Mitarbeiter teilten, um die Betreuung sicherzustellen.

Das steht in der Landesheimbauverordnung

Vorgaben
 Die grundsätzlich veränderte Verordnung des Sozialministeriums zur baulichen Gestaltung und zur Verbesserung der Wohnqualität in den Heimen Baden-Württembergs, Landesheimbauverordnung (LHeimBauVO), ist bereits im Herbst 2009 in Kraft getreten. Sie regelt neben anderen baulichen Anforderungen wie Zimmergröße, Gemeinschaftsflächen und anderen Vorgaben, dass in Pflegeheimen für alle Bewohner ein Einzelzimmer zur Verfügung stehen muss. Die Vorgaben gelten für sämtliche Neubauten, aber auch für eine umfassende Sanierung von bestehenden Gebäuden.

Fristen
Für die Sanierung von bestehenden Pflegeheimen wurde eine zehnjährige Übergangsfrist bis zum 31. August 2019 eingeräumt. Von diesem Zeitpunkt an sollten in allen Einrichtungen die Doppelzimmer in Einzelzimmer umgewandelt worden sein, sofern nicht ausnahmsweise Befreiungen erteilt wurden. In besonderen Fällen konnte aber die Übergangsfrist auf bis zu 25 Jahre verlängert werden.