Das Deutsche Rote Kreuz plant, das Seniorenzentrum „Haus auf dem Killesberg“ abzureißen und neu zu bauen. Doch die Stadt als Grundstückeigentümer hat sich mit dem DRK bisher nicht geeinigt.

Killesberg - Die DRK-Kreisgeschäftsführung und die Stadtverwaltung haben offenbar bisher noch unterschiedliche Vorstellungen, was mit dem Seniorenzentrum „Haus auf dem Killesberg“ an der Lenbachstraße 105 in Zukunft passieren soll. Wie berichtet, plant das Deutsche Rote Kreuz, den in den Jahren 1972 bis 1974 gebauten Gebäudekomplex abzureißen und für rund 27 Millionen Euro ein neues Seniorenzentrum zu errichten. Doch offenbar besteht seitens der Stadt, der das Areal gehört, bei dem Projekt noch großer Klärungsbedarf. „Wir sind mit dem DRK noch heftig am Diskutieren“, sagt Sozialbürgermeister Werner Wölfle. Eine neue Gesprächs- und Verhandlungsrunde sei bereits anberaumt. Beteiligt daran seien neben dem DRK auch das Sozial- und das Liegenschaftsamt. Der vor der Sommerpause in einem interfraktionellen Antrag geforderte „ausführliche Planungsbericht des Trägers“ in der Sitzung des Sozialausschusses am Montag fällt aus: Das DRK werde bei der Sitzung nicht über den Stand der Planungen berichten, weil es noch nichts zu berichten gebe, sagt Wölfle auf Anfrage der Nord-Rundschau. Stattdessen wird die Stadtverwaltung einen kurzen Zwischenbericht über den Stand der Dinge liefern.

 

Das Haus wurde 2001/2002 für rund 13 Millionen Euro saniert

In dem Seniorenzentrum gibt es 71 Pflegeplätze und 69 Appartements im Bereich „Wohnen mit Service“. Frei werdende stationäre Pflegeplätze werden derzeit nicht mehr belegt, erklärt DRK-Pressesprecher Udo Bangerter. Für die Menschen, die Ende 2017 im Pflegebereich leben, würde Ersatz gesucht. Die Bewohner der Appartements sollen während der Bauphase in einem Gebäude auf dem ehemaligen Krempel-Areal an der Stuttgarter und Tunnelstraße nahe des Feuerbacher Bahnhofs untergebracht werden. Im Herbst 2017 sei der Umzug vorgesehen, sagt Bangerter. „Dann kann mit dem Neubau auf dem Killesberg begonnen werden.“

Unter den Bewohnern stößt das Vorhaben auf massiven Widerstand: Viele fürchten, dass es für sie ein Umzug ohne Rückkehr werden könnte. Etwa die Hälfte der Bewohner im Haus sei über 90 Jahre, der Rest über 80 Jahre, sagt Erika Moik, Sprecherin des Bewohnerbeirats. Bereits 2001/2002 wurde das Haus für rund 13 Millionen Euro grundlegend saniert. Dass die Seniorenresidenz nun abgerissen werden soll, ist für Moik völlig unverständlich: „Erklären sie das mal einem privaten Hausbesitzer, der greift sich doch an den Kopf.“ Aus Sicht der Bewohner sind die neuen Pläne des DRK auch mit dem sozialen Grundgedanken des Stifterehepaars Otto und Edith Mühlschlegel unvereinbar. Denn das ursprünglich von der Stadt Stuttgart und der Mühlschlegel-Stiftung finanzierte Haus sei ganz bewusst großzügig gestaltet worden – „mit der Verpflichtung an die Adresse des Betreibers, bejahrten Stuttgarter Bürgern in gemeinnütziger Weise ein gepflegtes Heim für ihren Lebensabend zu bereiten“. So stehe es auch auf der Tafel im Eingangsbereich des Hauses, betont Erika Moik.

Schaffung von Pflegeplätzen ist für die Stadt von zentraler Bedeutung

„Wir wissen um die Härte der Maßnahme, aber wir haben auch eine wirtschaftliche Verantwortung“, sagte DRK-Kreisgeschäftsführer Frieder Frischling bereits am 9. Juni bei einer Versammlung vor den Bewohnern im Haus auf dem Killesberg. Eine Sanierung im Bestand würde 17,1 Millionen Euro kosten und die Umsetzung bei laufendem Betrieb vier bis fünf Jahre dauern. Ende Juli informierte das Präsidium des DRK-Kreisverbandes die Bewohner schriftlich: „Ein Umbau, bei dem die Bewohner im Haus wohnen bleiben können, ist nicht möglich.“ Abriss und Neubau seien unumgänglich.

Zur Finanzierung des Projekts will sich der DRK-Kreisverband einen Investor ins Boot holen. Das erleichtere die Umsetzung des Vorhabens nicht gerade, so Wölfle weiter. Denn die Stadt, der Grund und Boden gehört, hat dem DRK als Eigentümer und Betreiber des Hauses zwar ein Erbbaurecht eingeräumt – aber dieses ist zeitlich begrenzt. Damit sich aber das Neubau-Investment überhaupt rentiert, wäre eine längere Laufzeit des Vertrags erforderlich, erklärt Bangerter. Wölfle sagt dazu: „Der jetzige Erbbauvertrag gilt. Wenn er geändert werden soll, muss man miteinander reden.“ Der Rede- und Klärungsbedarf ist offenbar auch bei anderen Fragen noch groß: Die Schaffung von Pflegeplätzen sei von zentraler Bedeutung, betont der Sozialbürgermeister. „Das heißt nicht, dass wir uns grundsätzlich gegen einen Abriss sperren, aber als Stadt haben wir eine Verpflichtung gegenüber den jetzigen Bewohnern und wir müssen auch den Bedarf an Pflegeplätzen für die Zukunft sicherstellen“, betont Wölfle.

Stadträte können die Ängste der Bewohner gut verstehen

Beim Gros der Stadträte im Sozial- und Gesundheitsausschuss stößt das Projekt bisher eher auf Skepsis: „Einen alten Baum soll man nicht verpflanzen“, sagt CDU-Stadträtin Beate Bulle-Schmid. Sie könne die Ängste und Sorgen der Bewohner gut verstehen. Jochen Stopper von Bündnis 90/Die Grünen betont, dass das DRK bisher viele Antworten schuldig geblieben sei. „Die Bewohner haben sich an uns gewandt und intensiv um Unterstützung gebeten.“ Auch Matthias Oechsner von der FDP beklagt die mangelhafte Informationspolitik des Verbandes: So einfach, wie sich das DRK die Umsetzung der Pläne vorstelle, werde das nicht gehen, meint er. Ein wichtiger Eckpunkt zukünftiger Planungen sei die Schaffung von Pflegeplätzen im Haus, betont SPD-Fraktionsvorsitzender Martin Körner. Stadtweit würden 600 bis 1000 Pflegeplätze bis im Jahr 2030 fehlen. Für Hannes Rockenbauch ist wichtig, dass dort kein Luxus-Seniorenheim entsteht. „Unser Ziel ist, dass die Mietpreise für die Appartements bei ähnlichem Standard und Ausstattung gleich bleiben“, sagt der Fraktionssprecher von SÖS-Linke-Plus.

Für Ilse Bodenhöfer-Frey von den Freien Wählern ist klar, dass „Stadt und das Rote Kreuz gemeinsam abwägen müssen, welches die beste Lösung ist, um diese dann mit den Bewohnern zu erörtern“. Unterdessen hat sich der Vorstand des „Bürgervereins Killesberg und Umgebung“ an Oberbürgermeister Fritz Kuhn mit der Bitte gewandt, dem Abriss nicht zuzustimmen. „Hier leben pflegebedürftige Menschen und alte Menschen in tiefer Verzweiflung und Angst, weil sie ihre Wohnung nicht aufgeben wollen“, heißt es in dem Schreiben. Die Menschlichkeit sollte über Rentabilitätsbetrachtungen stehen, meint der Vorsitzende Klaus Eisele.