Ursula Graf hat Tage und Nächte am PC verbracht. Überraschend bekam sie dann einen Impftermin für Sonntag im Kreisimpfzentrum Böblingen, das in der Sindelfinger Messehalle am Sonntag eröffnet wurde.

Böblingen: Carola Stadtmüller (cas)

Sindelfingen - Völlig entspannt wartet Ursula Graf nach der Impfung, ob ihr übel wird. Dann steht sie entschieden auf und geht zur offiziellen Abmeldung. „Ich geh’ jetzt, mir geht’s gut“, sagt sie zu einem netten, jungen Mann hinter Glas, der noch versucht, sie zum Bleiben zu bewegen, weil in ihrem Bogen etwas von Wespenstichallergie stehe. Es ist 11.19 Uhr. 48 Stunden vorher ist die agile 83-Jährige weit weniger entspannt gewesen.

 

„Es war eine Katastrophe, diesen Termin zu bekommen“, erzählt sie. Etliche Tage und halbe Nächte habe sie am PC verbracht. „Ich hatte gehört, dass man nachts mehr Glück hat.“ Ursula Graf hat damit gerechnet, nach Stuttgart zum zentralen Impfzentrum fahren zu müssen. Erst am Freitag sei Böblingen auf der Liste aufgetaucht, „dann bin ich nicht mehr von der Kiste weg“, sagt sie. Und es klappte. Das heißt, fast. Sie konnte den Termin mit dem QR-Code zum Scannen nicht ausdrucken. Sie schickte die Mail kurzerhand zu ihrer Tochter, die ihr den Scan wieder aufs Handy sendete – also: alles dabei für den wichtigen Moment um 9.58 Uhr.

Endlich wieder reisen können

Die Impfung bedeutet sehr viel für Ursula Graf. Sie ist vor zehn Monaten Uroma geworden. Natürlich bekommt sie täglich Fotos und Filme aufs Handy. „Aber ich will das Baby jetzt unbedingt knuddeln“, sagt sie und strahlt. Tochter und Sohn leben in Nordrhein-Westfalen, sie stammt aus Berchtesgaden und ist vor 60 Jahren der Liebe wegen ins Schwabenland gekommen. „Die Schwaben sind anfangs etwas unterkühlt. Aber wenn sie dich in ihr Herz lassen, sind sie die Größten.“ Ja, nach München düsen, zum Bodensee reisen und überhaupt, wieder unterwegs sein, das fehle ihr sehr. Und endlich wieder tanzen. Mit ihren 83 Jahren trainiert sie eine Gruppe Jungspunde mit 60 plus aus Maichingen. „Das wird leider noch etwas dauern. Die müssen ja auch alle erst geimpft sein“, sagt sie.

Um 9.43 Uhr betritt Ursula Graf das Kreisimpfzentrum (KIZ) in den Sindelfinger Messehallen. Es ist bestens ausgeschildert. Durch die Nähe zum Breuningerland gibt es ausreichend Parkplätze, auch wenn irgendwann mal 5600 Dosen pro Woche verimpft werden statt der 560 in den nächsten Wochen. Am Sonntag sind nur 200 Menschen geimpft worden, eine von ihnen war Ursula Graf aus Sindelfingen.

Tausende Senioren suchen Hilfe bei Impfterminvergabe

Dann wird sie aufgerufen. Die Nummer neun geht zum Arztgespräch. Uwe Strobel, niedergelassener Hausarzt aus Leonberg, fragt sie nach Medikamenten und Allergien und wie es ihr gehe. Da alles bestens ist, darf sie weiter zur Impfkabine. In jedem Wartebereich stehen Helfer des Roten Kreuzes und erklären haargenau, was jetzt folgt. Viele, die in diesen ersten Tagen zum Impfen kommen, haben nicht Ursula Grafs Fitness. Sie sind auf diese unaufgeregte Unterstützung angewiesen. Bislang sind auf dem extra dafür eingerichteten Telefon für ältere Menschen, die Hilfe bei der Impfung brauchen, mehr als 2500 Einrufe eingegangen (Telefonnummer 0 70 31/6 90 42 22).

Um 11.05 Uhr ist alles vorbei. Die erste Impfung hat Ursula Graf überstanden, und es geht ihr gut. Sie hat keine Angst und auch in der Nacht gut geschlafen. „Teilen und sprechen Sie über Ihre Erfahrungen im Impfzentrum“, hat die freundliche Stimme im Erklärfilm gesagt, den jeder Bürger vor der Impfung anschaut. Das kann Ursula Graf jetzt. In genau drei Wochen darf sie wiederkommen. Dem netten Mann an der Abmeldung sagt sie den Termin auswendig: 7. März 11.18 Uhr.