Durch die Einführung eines einheitlichen Zahlungsverkehrssystems in Europa sollen Zahlungen ins Ausland schneller und günstiger werden. Mittelständler bezweifeln die Vorteile – schaffen nun aber rechtzeitig die Umstellung.

Frankfurt - Ausgerechnet Deutschland: zwar nannte EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier keine Namen, als er im Januar den Vorschlag der Kommission vorstellte, die Einführung des neuen einheitlichen europäischen Zahlungssystems Sepa „mit großem Bedauern“ um sechs Monate zu verschieben. Aber alle Studien zeigten zu Jahresbeginn, dass vor allem die sonst als mustergültig bekannten deutschen Unternehmen und Vereine spürbar hinter denen in anderen Ländern herhinkten. Ohne die Verschiebung hätte es zu zahlreichen Zahlungsausfällen kommen können, befürchtete man in Brüssel.

 

Auch die Bundesbank hatte damals gewarnt. Doch gestern zeigte sich Carl-Ludwig Thiele, das zuständige Vorstandsmitglied der Notenbank, erleichtert. „Für die meisten Unternehmen, öffentlichen Kassen und Vereine sind Sepa-Zahlungen inzwischen der Normalfall“, sagte er in Frankfurt. Nachzügler ermahnte Thiele, die verbleibenden Wochen bis zum 1. August zur Umstellung auf das einheitliche Zahlungsverfahren zu nutzen: „Eine weitere Fristverlängerung wird es nicht geben.“

Der Aufwand für kleinere und mittelgroße Firmen ist enorm

Was auf den ersten Blick wie eine kleine technische Umstellung erscheint, hat unerwartet vielen Unternehmen in den vergangenen Monaten große Schwierigkeiten bereitet. Erst nach und nach erkannten vor allem kleinere und mittelgroße Unternehmen, welcher Aufwand damit verbunden ist. Hunderte von Kontobeziehungen zu Kunden und Lieferanten mussten auf das neue System umgestellt werden. Doch nicht nur das, wie Experten erklären, auch die Verkaufsbereiche mussten sich umstellen, weil für den Lastschriftverkehr und den Einzug von Forderungen neue Regelungen gelten, ebenso die Einkaufsabteilungen; die Personalbereiche müssen umstellen auf neue Überweisungswege für Löhne und Gehälter.

Der deutsche Einzelhandel hatte die Verschiebung begrüßt. Die Unternehmen könnten beim Umstieg auf Sepa nicht auf erprobte Zahlungsprozesse und verlässliche Software zurückgreifen, hatte der Handelsverband HDE moniert. Eigentlich hätten sie ausreichend Zeit gehabt, um sich auf das neue System vorzubereiten, denn die EU-Kommission hatte die Gesetze bereits 2012 verabschiedet.

In der Wirtschaft ist ein gewisses Desinteresse festzustellen

Jetzt aber, so scheint es, ist es geschafft. Im Mai wurde nach Angaben der Bundesbank bei fast 90 Prozent der Überweisungen in Deutschland das neue Verfahren genutzt. Bei den Lastschriften lag der Sepa-Anteil bei gut 82 Prozent. Damit habe Deutschland zu den europäischen Partnern aufgeschlossen, bilanzierte Thiele. Nach einer vor Kurzem veröffentlichten Umfrage der Fachhochschule des Mittelstandes in Bielefeld sind sogar 99 Prozent der deutschen Mittelständler sicher, dass sie zum 1. August „sepa-ready“ sein werden. Allerdings hatten die Wissenschaftler im Auftrag der Commerzbank rund 5000 Unternehmen befragt, geantwortet haben aber nur 275.

In der Wirtschaft sei ein gewisses Desinteresse festzustellen, meinen Experten. Das liegt wohl vor allem daran, dass die Mittelständler keine Vorteile in dem neuen Zahlungssystem sehen. „Das ist definitiv so. Explizit nach den Vorteilen von Sepa befragt, haben uns 69 Prozent geantwortet, dass sie keine Vorteile für oder in Sepa erkennen. Andersherum gesprochen, haben uns zahlreiche Unternehmen auch Nachteile genannt, die mit der Nutzung dieser Zahlungsverkehrsformate verbunden sind“, erklärte der Studienleiter Volker Wittberg.

Das neue System ist auch bei den Verbrauchern angekommen

Es war wohl der hohe bürokratische Aufwand, der den Sepa-Start so holprig werden ließ. Kunden mussten schriftlich informiert werden, sie mussten überprüfen, ob ihre Iban-Angaben richtig erfasst wurden. Und dadurch ist das neue System inzwischen auch bei den Verbrauchern angekommen, obwohl sie eigentlich noch bis Februar 2016 die bisherigen Kontodaten für ihre Überweisungen benutzen dürfen. Doch weil die Unternehmen schon vorbereitete Überweisungsträger in dem neuen Format schicken, müssen auch Verbraucher auf ihren Kontoauszug schauen, denn dort finden sich die neuen Angaben. Statt bisher nur zehn Stellen von der Kontonummer muss man sich nun an eine in Deutschland 22-stellige Ziffer gewöhnen, die Internationale Kontonummer Iban (siehe Bild). Sie beginnt mit dem Ländercode DE und einer zweistelligen Prüfziffer. Danach folgen die Bankleitzahl und die Kontonummer. Der internationale Code zur Identifizierung der Bank (BIC) ersetzt bei Sepa die Bankleitzahl, eine Buchstabenfolge ersetzt die Zahlen.

Dadurch, so hoffen die Experten, werden Zahlungen in 34 europäischen Ländern schneller und günstiger werden. Das wird hauptsächlich für solche Unternehmen ein Vorteil sein, die viel mit dem Ausland zu tun haben oder dort sogar eigene Gesellschaften besitzen. Diese verbesserte Liquidität werde sich schnell auszahlen, meinen Banker, die von dem neuen System begeistert sind. Sepa gilt für alle Transaktionen in Euro in 34 Ländern, das sind alle 28 Mitglieder der Europäischen Union (inklusive der französischen Übersee-Départements Guadeloupe, Französisch-Guayana, Martinique, Réunion, Mayotte und Saint-Pierre und Miquelon, der zu Spanien gehörenden Kanarischen Inseln, der Exklaven Ceuta und Melilla sowie der portugiesischen Inseln Azoren und Madeira). Ferner gehören dem Sepa die Schweiz, Monaco und San Marino an, sowie die drei übrigen Länder des Europäischen Wirtschaftsraums, Island, Liechtenstein und Norwegen.

Europaweit läuft bei Sepa noch nicht alles rund

„Ab dem 1. August dürfen Kreditinstitute Aufträge von Firmen anders als in Sepa nicht mehr annehmen“, betont Bundesbank-Vorstand Thiele. Er geht davon aus, dass es höchstens in Einzelfällen zu Problemen kommen wird. „Gallische Dörfer sind mir in diesem Zusammenhang nicht bekannt.“ Europaweit laufe bei Sepa noch nicht alles rund, stellte Thiele auch fest. So akzeptierten in einzelnen Fällen Unternehmen manche Iban aus anderen europäischen Staaten nicht. „Anfangsschwierigkeiten bei Sepa müssen noch ausgeräumt werden, aber das ist bei einem technischen Großprojekt eher die Regel.“