Das Jahr 2017 ist rum. Viel ist passiert. Schönes, Kurioses, Schreckliches. Aber was davon bleibt? In der Serie 12 aus 2017 blicken wir zurück – und voraus. Heute: Suse Kletzin, die sich für die Internationale Bauausstellung engagiert und Vorsitzende der Weißenhofsiedlung ist.

Stuttgart - Drei Buchstaben sind es nur, und doch verbindet sich damit bei vielen Entscheidungsträgern in der Region Stuttgart die Hoffnung, dass Stuttgart wieder positive Schlagzeilen schreiben und sich der Blick vom lokalen Kleinklein über den Kesselrand öffnen möge: IBA – die Internationale Bauausstellung 2027 StadtRegion Stuttgart soll in zehn Jahren in der Landeshauptstadt und den Nachbarstädten neue und ungewöhnliche Ansatzpunkte für Architektur und Städtebau liefern, die weltweit Beachtung finden.

 

Ganz bewusst setzen die Organisatoren dabei auf den Brückenschlag zum weltberühmten IBA-Vorläufer, der Werkbundausstellung auf dem Weißenhof, die 2027 ihr hundertjähriges Bestehen feiern wird.

Zeitlos modern

Suse Kletzin kennt beide Pfeiler, die die Brücke von der Vergangenheit in die Moderne tragen sollen. Die Architektin und SPD-Gemeinderätin sitzt für die Stadt Stuttgart im Aufsichtsrat der IBA-GmbH, die sich im September 2017 konstituierte. Und sie arbeitet seit 1998 im Vorstand der Freunde der Weißenhofsiedlung mit, seit 2005 als Vorsitzende. Der Verein betreibt im zum Weltkulturerbe zählenden Le-Corbusier-Haus das Weißenhofmuseum und bringt mit Führungen und Ausstellung mehr als 30 000 Besuchern pro Jahr die Ideen der von Mies van der Rohe geplanten Siedlung am Killesberg nahe. „Wenn ich mit Berufsschülern, die ich in Bauzeichnen unterrichte, hierher komme, frage ich sie, wie alt sie die Gebäude schätzen“, erzählt Kletzin. Die Antworten bewegten sich meist im Zeitraum von zehn bis 20 Jahren. „Dabei haben die Gebäude mittlerweile 90 Jahre auf dem Buckel“, sagt die Architektin, „es ist die Zeitlosigkeit, die sie auch heute fernab von Moden noch modern macht“.

Wer begreifen wolle, wie sehr der Werkbund und die Architekten damals ihrer Zeit voraus waren, müsse nur Gebäude aus der gleichen Zeit betrachten. „Das sind Häuser, wie wir sie im Stuttgarter Westen kennen“, sagt Kletzin. Daran werde deutlich, wie avantgardistisch die Weißenhof-Siedlung damals war. Und gleichzeitig sieht Kletzin damit auch den Anspruch formuliert, den die IBA 2027 einlösen muss. „Wenn man etwas Gutes haben will, muss es provokant sein“, sagt sie.

IBA-Macher: die Mühen der Ebene

Soweit, dass sie Provokantes vorzuzeigen hätten, sind die IBA-Macher indes noch nicht. Zwar hatten sich prominente Namen aus Architektenschaft, Bauwirtschaft und Politik schon vor Jahren hinter die Idee einer Bauausstellung gestellt, doch erst als sich der regionale Wirtschaftsförderer Walter Rogg und der Regionalpräsident Thomas Bopp der Sache annahmen, nahm das Projekt Fahrt auf. Mit mehreren Veranstaltungen, die in einem Memorandum zusammengefasst wurden, gelang es, den IBA-Gedanken zu verankern. Die großen Auftritte, die pathetischen Reden und Pro-IBA-Beschlüsse in den Gremien sind freilich Vergangenheit. Momentan sind die Macher in den organisatorischen Mühen der Ebene angekommen und auf der Suche nach der Führungsperson, die die IBA inhaltlich prägen, organisatorisch bewältigen und überzeugend nach innen und außen präsentieren soll.

Weniger Gebäude, mehr Prozesse?

Wie wichtig eine solche Persönlichkeit ist, weiß auch Suse Kletzin mit Blick auf die Geschichte der Weißenhofsiedlung. Ohne Mies van der Rohe an der Spitze, der sich über die Bedenken mancher in Stuttgart hinweg- und seine Ideen konsequent durchsetzte, wäre die Siedlung nicht das, was sie heute ist, sagt sie. Und zur Wahrheit gehöre auch, dass die Stuttgarter ihrem weltbekannten Erbe lange Zeit die kalte Schulter gezeigt hatten. Jetzt ist Kletzin erfreut über die große Resonanz im Museum und bei den Führungen. „Neben den internationalen Gästen kommen auch immer mehr Besucher aus der Region“, sagt sie.

Und wie geht es bei der IBA 2027 weiter? Anders als auf dem Weißenhof werde sie nicht auf einen kleinen Raum begrenzt sein, sondern in der ganzen Region gespielt, so Kletzin. Und es werde vielleicht auch weniger um fertige Bauten gehen, weshalb sie die S-21-Ungewissheit bei der Bebauung des Rosensteinviertels für nicht so dramatisch hält, sondern um Prozesse – wie wandelt sich eine Region, wie wird das zwischen Kernstadt und Umland organisiert? „Das wird viel politischer“, glaubt Kletzin. Und natürlich müsse thematisiert werden, was die dann hundertjährige Werkbundausstellung der heutigen Gesellschaft noch zu sagen hat. „Sie kann uns Mut zum Außergewöhnlichem machen“, sagt Kletzin: „Es wäre doch toll, wenn die IBA in 100 Jahren so bedeutend wäre wie es heute die Weißenhofsiedlung ist.“