24 Stunden Ludwigsburg – in einer 24-teiligen Serie erzählen wir, wie die Ludwigsburger und die Gäste der Stadt leben und arbeiten. Zwischen 0 und 1 Uhr treffen sich die Nachtschwärmer in der Schwarz-Weiß-Bar in der Schlossstraße bei gedämpftem Licht, bei leiser Jazz- und Soulmusik.

Rems-Murr/ Ludwigsburg: Martin Tschepe (art)

Ludwigsburg - Steil führt die steinerne, ausgetretene Treppe in den Untergrund. Gedämpftes Licht, Geplauder einer Männergruppe, leise Jazz- und Soulmusik aus den Lautsprechern. Willkommen in der Schwarz-Weiß-Bar mitten in Ludwigsburg. Es ist 0 Uhr an einem gewöhnlichen Tag unter der Woche. In einer Nische fläzt ein Pärchen und schmust. Fünf Herren, geschätzt Mitte vierzig, sitzen an einem Tisch gleich neben der Theke. Sie schwätzen offenbar über ihre Arbeit.

 

Leopold Langer betreibt die Cocktailbar in einem rund 300 Jahre alten Kellergewölbe unter dem Gebäude Schlossstraße 17 seit gut zwei Jahren. Die Bar indes gibt es schon viel länger, seit mehr als 20 Jahren, früher hieß sie aber Tatort. Der 28-jährige Langer ist eine Nachteule, arbeitet, wenn andere schlafen. Er hat tolle Geschichten auf Lager von Menschen zu nachtschlafender Stunde. Zum Beispiel von der Göttin Viktoria. Die junge Frau, eine notorische Zechprellerin, habe ihm eines Nachts eröffnet, dass sie doch nicht bezahlen müsse. Göttinnen, so die Dame, bekämen alle Getränke für umme. Langer rief damals die Polizei.

„So etwas hätte ich in Ludwigsburg nicht erwartet.“

In dieser Ludwigsburger Nacht sind keine schrägen Gestalten zu Gast in der Bar. Nach einem letzten Drink stehen die Herrschaften auf. Einer zieht die EC-Karte und sagt: „Bezahlen, bitte.“ „Macht 49 Euro“, antwortet Laura Bender. Sie arbeitet erst seit ein paar Wochen in der Bar, ist 23 Jahre jung, in Pleidelsheim aufgewachsen und war eine Zeit lang auf Hawaii. Jetzt ist sie zurück in der alten Heimat und sagte, sie sei froh, dass sie die Stelle in der Schwarz-Weiß-Bar bekommen habe. Sie wolle und müsse noch viel lernen über Cocktails. Der Mann mit der EC-Karte sagt: „54 Euro.“ Laura Bender lächelt und kassiert.

Dann erzählt der Mann, dass er Christian Laier heiße, fünf Jahre lang für Bosch in den USA und in China gearbeitet habe und jetzt zurück sei. Die Familie wohne nun in Marbach. Die anderen Herren, die mit ihm in die Bar gekommen sind, seien seine ehemaligen, seine alten und neuen Kollegen von Bosch. Ist Herr Laier Stammgast? Noch nicht, sagt er. Aber gut möglich, dass er künftig regelmäßig vorbeikommen werde in dieser coolen Bar. „So etwas hätte ich in Ludwigsburg nicht erwartet“, sagt Laier anerkennend, und Leopold Langer nickt ganz zufrieden.

Laier hat die Ludwigsburger Bar im Internet ganz oben auf einer Liste mit Ausgehtipps gefunden und spontan entschieden: „Die probiere ich mal aus.“ Diese Entscheidung hat sich aus seiner Sicht ganz offenkundig gelohnt.

In dem Keller wurden anno dazumal Kohlen gelagert

Zu vorgerückter Stunde verabschiedet sich das Pärchen aus der Nische. Der Mann ist wortkarg, er sagt nur: „Ich komme regelmäßig in die Schwarz-Weiß-Bar“, in jenen Keller, in dem anno dazumal Kohlen gelagert worden sind. Die alten Ludwigsburger, die einst ihr Brennmaterial in diesen Räumen aufbewahrt haben, wären vermutlich niemals auf die Idee gekommen, dass ihre Nachfahren hier eines Tages freiwillig lange Nächte verbringen würden.

Bevor sich auch die anderen fünf Gäste verabschieden, sagt Christian Laier noch, dass ihm die große Auswahl an Whiskys gut gefalle. Und der Drink, den er in dieser Nacht geordert habe, der stehe zwar nicht auf der Karte, aber der Rusty Nail sei ihm auf Nachfrage sofort gemixt worden. Dann verschwinden die Männer in die tiefschwarze, kalte Ludwigsburger Nacht.

Mittlerweile tönt die französische Chansonsängerin Zaz mit „Champs-Élysées“ aus den Boxen. Langer und seine Mitarbeiterin warten weiter auf Kundschaft. Er sagt, später kämen bestimmt noch ein paar Gastronomen nach der Arbeit auf einen Absacker vorbei. Die Öffnungszeiten würden jedenfalls immer penibel eingehalten. Die Gäste könnten sich darauf verlassen, dass die Bar werktags immer bis 2 Uhr und an den Wochenenden bis 5 Uhr offen sei.

„Das Leben ist zu kurz, um schlechten Alkohol zu trinken.“

„Ich weiß nie, wie die Nacht verläuft“, erzählt Langer, der im Hotel Nestor in Neckarsulm Hotelfachmann gelernt hat. Mal ist die Bude mit 120 Sitzplätzen brechend voll, mal gähnend leer. Montage seien am schwierigsten, weil viele Gaststätten geschlossen seien. Unter der Woche kämen oft Geschäftsleute nach einem Meeting vorbei, Leute wie Christian Laier.

In der Schwarz-Weiß-Bar träfen sich mitten in der Nacht aber auch Mitarbeiter von Pflegeheimen, und Taxifahrer – Menschen, die arbeiten müssen, wenn fast alle anderen schlafen. „Wir haben eine Wellenlänge“, sagt Langer und behauptet von sich: „Ich habe Menschenkenntnis“, denn er treffe täglich mehrere Dutzend unterschiedlichste Männer und Frauen.

Gegen ein Uhr warten Langer und seine Mitarbeiterin immer noch auf nächtliche Kundschaft. Ein letzter Blick auf die Karte mit den vielen Drinks – ins Auge springt ein Zitat frei nach Goethe: „Das Leben ist zu kurz, um schlechten Alkohol zu trinken.“