Der Schmied Matthias Braun aus dem Stuttgarter Westen kümmert sich um Pferde der Region.

S-West - Die Herweghstraße ist eine steile kleine Stichstraße, die die Seyfferstraße mit dem Leipziger Platz verbindet. Hier, tief im Westen, ist die Parkplatzsituation so bescheiden, dass man sich manchmal förmlich in eine Zeit zurückwünscht, in der emsiges Pferdegetrappel die Gassen erfüllte. In denen eine kleine Straße wie das Rossbollengässle zu seinem denkwürdigen Namen kam. Nun ist Stuttgart freilich weitgehend pferdefrei, und das schon seit vielen Jahren. Für Matthias Braun spielen die noblen Vierbeiner dennoch die Hauptrolle: Braun ist staatlich anerkannter Hufschmied, einer von zehn in der Region Stuttgart. Das Glück der Erde, es liegt für ihn somit nicht auf dem Rücken, sondern eher unter den Beinen der Pferde.

 

Das Bild des Hufschmiedes stammt noch aus einer anderen Zeit

Einen Hufschmied stellen sich die meisten Menschen wahrscheinlich so vor: Stämmig, mit wildem Bart und schmieriger Schürze, gerne auch mit Armen so dick wie Baumstämmen. Gut, sehr muskulöse Arme hat Matthias Braun auch. Ansonsten sieht er aber eher aus wie ein Sportler aus – und nicht wie ein Angehöriger jener uralten und noblen Zunft. Außerdem wohnt er auch anders: Zuhause ist er nicht in einem verfallenen Fachwerkhaus, sondern im Westen, in einer schönen und modernen Dachgeschosswohnung in besagter Herweghstraße. Sein Herz schlägt jedoch für die Pferdehöfe in und um Stuttgart – und natürlich vor allem für deren Bewohner. Seit 20 Jahren übt er diesen Beruf mit Hingabe, Empathie und Feingefühl aus, noch jedes Mal, wenn er über Pferde spricht, ist ein Glanz in seine Augen getreten, haben sich ihm sämtliche Nackenhaare aufgestellt. „Ich mag das Edle an ihnen“, sagt er dann versonnen oder: „Wenn ich ein Pferd auf der Koppel sehe, ist das etwas Unbeschreibliches. Wenn ich es dann noch selbst beschlagen habe, bin ich einfach glücklich.“

Pferde – das ist eines seiner häufigsten Gesprächsthemen

Klar, einer wie er spricht natürlich oft über Pferde: Mit Mitte 20 hatte der 49-Jährige selbst ein Pferd, wollte seine equine Leidenschaft in irgendeiner Form zum Beruf machen. „Begonnen habe ich allerdings mit einer Mechanikerlehre“, so Braun. „Weil meine Passion aber nach wie vor das Reiten war und in dieser Richtung aus beruflicher Sicht nichts sicher vorherzusagen war, habe ich mich dann für den Hufschmied entschieden – als Kompromiss. Die vier Jahre Anmeldezeit für die Schule habe ich genutzt, um noch eine Schlosserlehre dranzuhängen. Damals“, so blickt er zurück, „brauchte man für den Hufschmied noch einen Metallberuf.“ Die handwerkliche Arbeit liebt Braun, mit nur drei weiteren Schülern zog er damals für die Lehre nach Freiburg. „Wir hatten Unterricht bei Tierärzten und einen Lehrschmied, der uns Pferde zum Beschlagen brachte.“ Hier lernte er, wie man Hufeisen schmiedet, wie man das Werkzeug richtig benutzt, auch Orthopädisches und Medizinisches stand auf dem Lehrplan. Früher kümmerten sich Hufschmiede auch noch um die Zähne der Pferde, das haben längst die Tierärzte übernommen.

Viele Bekannte sind verwundert, dass es so einen Beruf noch gibt

Für Braun ist sein Beruf das normalste auf der Welt. Auch für sein städtisches Umfeld ist er längst nichts Besonderes mehr. Die Menschen wären nur manchmal verwundert, dass es diesen Beruf überhaupt noch gibt, meint er mit einem Schmunzeln. „Doch solange es Pferde gibt, wird es diesen Beruf geben.“ Das Besondere: Im Vergleich zu vielen anderen traditionellen Handwerksberufen kann sich Braun in seinem nicht über mangelnde Arbeit beklagen. „Im Sommer bekomme ich zwischen 20 und 30 Kundenanfragen pro Woche, dazu kommt die Stammkundschaft.“ Als Selbstständiger natürlich der Jackpot, doch nach 20 Jahren im Beruf kann Braun gut auf Arbeitstage verzichten, die morgens um sieben Uhr beginnen und abends um 21 Uhr aufhören. Doch da auch in absehbarer Zeit keine Maschine entwickelt werden wird, die dem Hufschmied die Arbeit abnimmt, wird Braun stets genug auf den Höfen der Region zu tun haben.

Viel unterwegs ist er mit seinem Transporter, dessen angenehm nach Stall riechenden Kofferraum er zu einer mobilen Werkstatt mit Ofen umfunktioniert hat: In Kornwestheim, in Remseck, Ludwigsburg, Waldenbuch, Bonlanden oder Scharnhausen besucht er seine vierbeinigen Kunden und deren zweibeinige Besitzer, alle sechs bis acht Wochen rückt er an, um die Hufe zu kürzen. 45 Minuten dauert die Prozedur bei jedem Pferd, nach dem einen oder anderen Einsatz entsteht eine regelrecht innige Bindung zwischen Schmied und Pferd. „Das ist mit Abstand das Schönste an meinem Beruf“, sagt er mit einem Strahlen – er hat seine Berufung in einem 2000 Jahre alten Beruf gefunden hat.