In diesem Jahr wird der 700. Todestag des italienischen Dichters Dante Alighieri begangen. Seine „Göttliche Komödie“ ist eines der großartigsten Werke der europäischen Literatur. Es handelt von einer Reise ins Jenseits. In unserer Serie „Dante lesen“ reisen wir mit.

Kultur: Stefan Kister (kir)

Stuttgart - Kaum ein Buch hat durch die Jahrhunderte so eine Karriere gemacht, wie die „Göttliche Komödie“, kaum eines wird so wenig gelesen. Doch wir wollen die drastischen Jenseits-Abenteuer des vor 700 Jahren gestorbenen Dichters Dante Alighieri nicht den Experten überlassen. In jeder Woche arbeiten wir uns weiter in die Unter- und Überwelt dieser vielleicht ersten Roadnovel der Geschichte vor – hier unser Bericht, Folge 5:

 

Wir müssen über Waschbecken sprechen. Der zweite Höllenkreis, in den Dante nun hinab steigt, ist voller Begierden, die dem körperfeindlichen Christentum als schmutzig gelten. Und wie es so geht: dieser Gesang ist ein echter Höhepunkt.

Ein schwarzer Hauch weht haltlose Fleischessünder vorbei, um den Leib beraubt, der ihnen so viel Freude machte. Man muss nicht prüde sein, um das Treiben jener Schattendame, die Dante dezent Herrscherin über viele Zungen nennt, anstößig zu finden. Semiramis, eine der großen Lasterdiven der Antike, pflegte ihre Liebhaber nach Gebrauch zu töten. Auch heiratete sie ihren Sohn. Wir missbilligen das ausdrücklich. Bei der schönen Helena, bei Dido und Tristan sieht das schon ein wenig anders aus.

Leselust und Leseleid

Ganz und gar verfallen ist die lesende Nachwelt aber Francesca da Rimini und ihrem Schwager mit dem nahrhaften Namen Paolo da Polenta. Die Lektüre heißer Ritterromane hat die beiden so füreinander entflammt, dass Junker Polentas eifersüchtiger Bruder das lesende Pärchen in die Hölle schickte. Tschaikowsky, Liszt und unzählige andere Künstler erweisen ihnen dort in ihren Werken Reverenz.

Auch ein italienischer Badezimmerdesigner hat sich hinreißen lassen: „Das Modell Paolo und und Francesca symbolisiert die Emotion zweier Körper, die am Endpunkt zusammentreffen“, heißt es in einem Wasserhahn-Prospekt. Wir erinnern uns lieber an einen der schönsten Sätze der „Commedia“: „Nessun maggior dolore che ricordarsi del tempo felice nella miseria“ – „nichts schmerzt doch mehr, als an die Zeit des Glücks zu denken, wenn man im Elend ist“.

Dante: Göttliche Komödie. Inferno, Canto 5. Alle bisherigen Folgen finden Sie hier.