1992 bilden elf Legenden und ein Collegeboy eine Basketballmannschaft, die den Sport verändert – das Dream Team, das für Fans und Fachleute bei den Olympischen Spielen in Barcelona einen Traum wahr werden lässt. Teil zwei unserer Serie „Die Mannschaft“ über große Teams der Sportgeschichte.

Sport: Carlos Ubina (cu)

Stuttgart - Als Frank Deford vom Sheraton Grande Torre Pines Resort zurückreiste, muss er beseelt gewesen sein. Denn dort im kalifornischen La Jolla war ihm das glorreiche Dutzend erschienen. Und jetzt hatte der „Newsweek“-Autor seine Story. Inmitten der Kriege und Krisen, über die das US-Nachrichtenmagazin ansonsten berichtete, hatte er eine frohe Botschaft zu verkünden. Eine Geschichte von biblischem Ausmaß. Also begann Frank Deford seinen Artikel mit einem 15-strophigen Loblied.

 

(1) „Als Gott eine Weile geruht hatte, da schuf er das Dream Team.“

(2) „Und er sah, dass es gut   war. Wahrlich, außergewöhnlich gut . . .“

Ein himmlischer Einstieg für ein göttliches Team.

Nie zuvor und niemals danach vereinte eine Mannschaft so viel Talent und Technik, so viel Athletik und Wucht, so viel Glanz und Eleganz wie die US-amerikanischen Basketballer für Olympia 1992. Das Dream Team, gebildet aus elf Legenden und einem Collegeboy: angeführt von Michael Jordan, Earvin „Magic“ Johnson und Larry Bird, gefolgt von Charles Barkley, Patrick Ewing und Karl Malone, angereichert mit Scottie Pippen und David Robinson, austariert durch John Stockton, Clyde Drexler und Chris Mullin, vervollständigt durch Christian Laettner.

Letzterer misst 2,11 Meter. Doch unter den Riesen der National Basketball Association (NBA) muss sich der Power Forward der Duke University vorgekommen sein wie ein Zwerg. Obwohl er bei der Endauswahl für den Kader einen gewaltigen Jungen von der Louisiana State University ausgestochen hatte: Shaquille O’Neal.

Johnson, Jordan, Bird – Legenden unter sich

Doch das war vor den Sommerspielen in Barcelona nur eine Randnotiz. Im Zentrum stand, dass die drei besten Basketballer aller Zeiten zusammen spielen würden: Jordan, der König der Lüfte; Johnson, der charismatische Herrscher über Raum und Zeit; Bird, der blasse, ungelenke Junge aus Indiana mit dem feinen Händchen und der unfassbaren Spielintelligenz. Nur: Wie sollte so viel Klasse in eine Kabine passen?

Dafür brauchte es jemanden, der mit den Egoismen der NBA-Größen umzugehen vermochte, und dafür wurde Chuck Daly auserkoren. Ein harter Hund, der sich zum Spielerversteher wandelte. Damals schon über 60 Jahre alt und mittlerweile verstorben. Und als Daly seine Mannschaft erstmals um sich vereinte, die Begeisterung um die Millionäre herum spürte und auch die Selbstbeweihräucherung mitbekam, da machte er seinem Beinamen alle Ehre.

„Prince of Pessimism“ nannten sie Daly in den USA, weil er trotz seiner Meisterschaftserfolge mit den Detroit Pistons gerne mahnte. In der ersten Mannschaftsbesprechung führte der Coach die Superstars auch gleich eigenwillig in die spanische Landeskunde ein. Barcelona vorgelagert seien zwei Inseln, erzählte Daly. Die eine, Mallorca, sei wunderschön und lebhaft. Die andere, Menorca, düster und für ihre hohe Selbstmordrate bekannt. Und wenn sie auch nur ein Spiel verlieren würden, dann würden sie zeit ihres Lebens nicht mehr über Menorca hinauskommen.

Natürlich verlor das Dream Team kein Spiel. Das erste gegen Angola gewann es mit 116:48, das Finale gegen Kroatien mit 117:85. Im Schnitt distanzierten es seine Gegner mit 43,8 Punkten. Noch nie in der Olympia-Historie war eine Goldmedaille im Vorfeld so sicher gewesen. Selbst Roxy Roxborough, ein berühmter Buchmacher aus Las Vegas, nahm keine Wetten auf den ersten Platz an. Denn der Basketball des Dream Teams war eine neue Dimension.

Sportlich, weil die Ansammlung von Ausnahmekönnern ihr Schlüsselerlebnis schon in der Vorbereitung gehabt hatte. Coach Daly hatte am 23. Juni acht begabte Collegejungs als Sparringspartner zusammentrommeln lassen. Sie sollten seine Auswahl in einem Trainingsspielchen mit hohem Tempo und Drei-Punkte-Würfen piesacken. Nach 20 Minuten war Schluss – und das Starensemble mit 54:62 unterlegen. Weil es die Sache zu lässig anging. Da schworen sich die Spieler, auf dem Parkett nicht mehr herumzualbern, und forderten Revanche.

Die größte Show der Sportgeschichte

Das Dream Team gewann am nächsten Tag mit 50 Punkten Unterschied und erzielte im Anschluss mit seinem Spektakelbasketball auch einen gigantischen Vermarktungseffekt. Ganz so, wie es sich die Macher und Manager erträumt hatten. Allen voran der NBA-Chef David Stern und Dave Gavitt, Boss der Boston Celtics und Präsident des amerikanischen Verbandes. Sie hatten gebetet und gebettelt, um die fantastischen drei in eine Reihe zu bekommen. Sie hatten auch an den nationalen Stolz appelliert, nachdem die USA 1988 nur mit Bronze von den Spielen in Seoul zurückgekehrt waren. Gedemütigt von der Sowjetunion und Jugoslawien.

Und jetzt lief die Show. His Airness Michael Jordan hob ab, Magic Johnson, der Monate zuvor aufgrund einer HIV-Diagnose seine Karriere bei den Los Angeles Lakers beendet hatte, zauberte noch einmal, und Larry Bird lächelte – obwohl er zwischen seinen Kurzeinsätzen wegen des geschundenen Rückens auf dem Boden liegen musste. Dazu kamen die Gegner, die vor Ehrfurcht erstarrten, noch auf dem Feld Autogramme sammelten, Schnappschüsse machten und auch vor Glück weinten, weil sie ihren Idolen leibhaftig begegnet waren.

Ein einzigartiges Dutzend

Diese Bilder gingen um Welt, brannten sich in das kollektive Gedächtnis der Sportfans und machten aus der Bühne der besten Basketballer auch eine Werbebühne. Ihre Mission war Gold, und nebenher steigerten die Spieler ihre Popularität und ihren Marktwert. Sportstars? Popstars!

Noch heute lässt der Glamour des Dream Teams alle anderen stilprägenden Mannschaften verblassen. Die Boston Celtics mit ihren 17 NBA-Titeln und dem formidablen Bill Russell, der mehr Meisterringe besitzt, als er Finger hat. Auch die Lakers, die drei Dynastien – erst mit George Mikan, danach mit Kareem Abdul-Jabbar und Magic Johnson sowie später mit Kobe Bryant und Shaquille O’Neal – hervorbrachten, und die Chicago Bulls mit Michael Jordan und Scottie Pippen.

Europäische Formationen wie Jugoplastica Split mit Toni Kukoc und Dino Rada bleiben da ohnehin etwas für die Fachleute. Selbst wenn Kukoc als der einzige Europäer gilt, der annähernd an die Qualität der Dream-Team-Mitglieder heranreichte. Doch dieses Dutzend von 1992 ist einzigartig. Frank Deford hatte das gleich gespürt und wollte damals seine zwei Ikonen auf dem Titelbild von „Newsweek“ haben: Jordan und Johnson. Doch Johnson konterte kühl: „Kein Larry, kein Foto!“

Am 6. Juli 1992 erschien das Magazin mit Jordan, Johnson und Bird auf dem Titel, überschrieben mit „Team of Dreams“.