Wer an der Endhaltestelle Hölderlinplatz im Stuttgarter Westen aussteigt, findet dort ein lebendiges Viertel vor, das sich im ständigen Wandel befindet. Doch während neue Bars und Läden eröffnen, halten sich andere bereits in zweiter Generation.

Stuttgart - Die Stadtbahn biegt um die Kurve und hält im Schatten der hohen Häuser, die typisch für den Stuttgarter Westen sind. An der Endstation Hölderlinplatz verweilt sie einige Minuten, bevor sie ihren Weg zurück zum Charlottenplatz aufnimmt. Wer hier aussteigt, befindet sich zunächst in einem ruhigen Teil der Johannesstraße. Der Blick fällt von hier aus sofort auf die blühende Pracht vor dem Blumengeschäft Blumen-Insel.

 

„Wir profitieren von der Endhaltestelle, weil die Kunden hier noch schnell Sträuße einkaufen, wenn sie auf dem Weg nach Hause sind, oder bevor sie in die Stadtbahn einsteigen“, sagt Inhaber Dilaver Gök. Er betreibt mit seiner Frau Angelika Maria Gök den Laden am Straßeneck seit etwa vier Jahren – und darüber hinaus noch ein kleines Theater inmitten der Blumen. „Meine Frau hat Figurentheater studiert und führt Stücke für Kinder auf, während ich Stücke für Erwachsene schreibe“, erklärt Gök.

Egal, ob die Kunden in das Theater oder zum Blumenkaufen kommen, das Ehepaar Gök möchte sie zum Lachen bringen. Die Beiden leben und arbeiten am Hölderlinplatz, einem Viertel, „das sich im Wandel befindet“ – im Wandel zum Positiven, wie Gök findet: „Es wird hier immer lebendiger und beliebter, auch zum Wohnen.“

Neues, aber auch Beständiges findet sich am Hölderlinplatz

Trotz vieler Veränderungen hat sich aber auch Beständiges gehalten. In direkter Nachbarschaft der Blumen-Insel befindet sich seit 20 Jahren die Wäscherei Glinias, die Pana Glinias gemeinsam mit seinen Eltern betreibt. Hier wird die Wäsche der Großkunden von Hotels und Gastronomie wieder rein, aber auch Anwohner können die Waschmaschinen nutzen, die in der Nähe des Eingangs aufgereiht stehen. „Das sind meistens Studenten“, sagt Pana Glinias. Doch auch ältere Menschen würden hier ihre Wäsche waschen und die Zeit für einen Plausch nutzen.

Lesen Sie hier: Selbstversuch als Stadtbahnfahrerin – um einen Einblick in die Arbeit der Stadtbahnfahrer zu bekommen, hat unsere Redakteurin Dominika Jaschek eine Stadtbahn-Fahrstunde genommen.

Einmal um die Ecke gelaufen, wird das Viertel lebendiger: Hier befindet sich in der Traubenstraße die Bar Vicino. Bereits Vormittags herrscht dort ein reges Kommen und Gehen, Musik plätschert auf die Straße. Einige trinken an der Bar einen schnellen Espresso, bevor sie ihren Weg fortsetzen. „Wir wollen das Flair einer Bar aus dem Mittelmeer-Raum nach Stuttgart bringen“ erklärt Mitarbeiter Rafed, während er für ein kleines Mädchen warmen Milchschaum in eine Espressotasse füllt und ihn liebevoll mit Kakaopulver bestreut. Auch dass mit dem Heilignüchtern kürzlich ein weiteres Café am Hölderlinplatz eröffnet hat, stört die Harmonie nicht: „Ganz im Gegenteil: Je mehr hier los ist, desto besser auch für uns“, sagt Rafed.

Eine vierköpfige Familie hat es sich direkt vor dem Eingang in der Sonne bequem gemacht. Während die Kinder Saft aus kleinen Fläschchen trinken, genießen die Eltern ihren Cortado, einen spanischen Milchkaffee. Die Familie wohnt seit über acht Jahren gleich um die Ecke in der Schwabstraße. Warum es die Familie an den Hölderlinplatz gezogen hat? „Hier wohnen viele Familien mit Kindern“, sagt die 34-jährige Mutter. Man brauche hier kein Auto, alles liege gleich um die Ecke. Kleine Läden, die Apotheke, die Bank, Bäcker, Cafés und Restaurants – alles ist vorhanden. Auch begrüßt die Familie, dass sich das Viertel in den vergangenen Jahren stark gewandelt hat. „Es ist jetzt viel mehr los, als früher“, bestätigt der Familienvater. Der zehnjährige Sohn hat jedoch noch eine eigene Antwort parat, warum es ihm am Hölderlinplatz gefällt: „Weil es hier das Schoko-Paradies gibt.“

Traditionsreiche Läden und lebendige Bars

Gemeint ist der traditionsreiche Süßwarenladen gegenüber der Haltestelle. Marianne Schweigert hat den Laden von ihren Eltern übernommen, die ihn vor 52 Jahren am Hölderlinplatz gründeten. Jetzt steht bereits ihre Tochter in den Startlöchern, um die Familientradition weiterzuführen. Das Erfolgsrezept: „Wir setzen auf ausgesuchte Spezialitäten. Wir führen keine Süßwaren, die es ohnehin in jedem Supermarkt gibt“, sagt Marianne Schweigert. So kommen vor allem die selbstgemachten Pralinen bei der Kundschaft gut an. „Im Gegensatz zu den Supermärkten sind wir hier unser eigener Herr. Uns schreibt niemand vor, wie wir unsere Ware präsentieren“, sagt die 72-Jährige. Dennoch sei klar, dass es die kleineren Läden immer auch schwer haben, sich zu behaupten.

Die Caffèbar Hölderlin hat sich am Platz längst behauptet, bei schönem Wetter drängen sich die Gäste vor der kleinen Bar, um einen Platz in der Sonne zu ergattern. „Die Stimmung hier im Viertel ist einfach gut, wir haben nur angenehme Gäste“, sagt Katharina Rockstein, die schon seit rund vier Jahren in der Bar arbeitet. Sie bringt es auf den Punkt: „Am Hölderlinplatz kennt man sich, es ist hier nicht anonym.“