Studenten der Uni Hohenheim müssen heute mehrere Hundert Meter von der Stadtbahnhaltestelle Plieningen bis zur Uni hinter sich bringen. Was kaum jemand weiß: früher fuhr die Bahn direkt bis zum Schloss.

Stuttgart - Wenn sich morgens die Türen einer Stadtbahn der Linie U3 an der Endhaltestelle Plieningen öffnen, beginnt die große Karawane. Gut 750 Meter sind es, die die Studenten der Uni Hohenheim tagein tagaus entlang der Garbenstraße in Richtung des Schlosses zurücklegen müssen. Für eine bessere Anbindung war deshalb eine Verlängerung der U3 in Richtung Uni diskutiert worden, allerdings wurde dies aufgrund der sensiblen Gerätschaften in den Unigebäuden wieder verworfen.

 

Was nur wenige wissen: genau diese Verbindung existierte bis Ende der 1960er Jahre. Die ursprüngliche Bahntrasse führte an der Garbe vorbei bis kurz vor das Hohenheimer Schloss. Sie war Teil der ältesten Teilstrecke der Filderbahn, die die Fildergemeinden Ende des 19. Jahrhunderts erstmals mit Stuttgart verband.

Die Gründung der Filderbahngesellschaft geht auf Emil Kessler zurück, den damaligen Besitzer der Maschinenfabrik Esslingen. „Er brauchte ein Demonstrationsobjekt“, sagt Gerhard Voss vom Verein Stuttgarter Historische Straßenbahnen. Deshalb wirkte Kessler im Jahr 1884 maßgeblich beim Bau der Zacke mit. Später entstand unter dem Dach der Filderbahn ein ausgedehntes Schienennetz, das sich bis nach Echterdingen, Stuttgart-Vaihingen, Neuhausen und Plieningen mit der Endstation Hohenheim erstreckte.

Dampfstraßenbahnen fuhren nach Plieningen

Als Anschluss an die Zacke ging am 12. Dezember 1888 die Strecke zwischen Degerloch, Möhringen und der Endstation Hohenheim in Plieningen in Betrieb. Kleine Dampfstraßenbahnen zockelten zwischen den Stadtbezirken hin und her. Zwischen der Landhauskreuzung in Möhringen und der Garbe in Plieningen folgte die Bahn nicht dem modernen Schienenverlauf, sondern verkehrte unmittelbar neben der Straße, die der heutigen Plieninger Straße / Filderhauptstraße entspricht. Am Gasthaus Garbe bog die Bahn, die laut einem Bericht der Filderzeitung vom 15. Januar 1969 auch „Käpselesbähnele“ genannt wurde, links ab und folgte der Garbenstraße bis zur Station kurz vor dem Schloss Hohenheim.

Für die Plieninger stellte das „Bähnle“ eine große Arbeitserleichterung dar, da neben Personenzügen auch Frachtzüge verkehrten – immerhin war die Filderbahn zu Beginn eine Eisenbahngesellschaft. „Damit konnten die Bauern das Filderkraut leichter in die Stadt transportieren“, sagt Oerny Lunke, Plieninger Künstler und leidenschaftlicher Sammler historischer Fotografien aus der Gegend. Mit dem Fahrrad oder einem Fuhrwerk seien die Feldfrüchte von den umliegenden Ortschaften nach Hohenheim transportiert, auf die Bahn verladen und von dort zu Zielen im In- und Ausland gefahren worden. „Die Pferdefuhrwerke standen oft Wagen an Wagen bis hinunter zum Jägerhof“, schrieb Emil Herre senior 1969 in der Filderzeitung.

Modernere Fahrzeuge für komfortableres Reisen

1906 stellte die Filderbahn den Frachtverkehr zwischen Möhringen und Hohenheim auf regelspurige Züge um. „Die alte Strecke war nämlich in schlechtem Zustand“, erklärt Gerhard Voss. Dabei wurde sie elektrifiziert, zum Dreischienengleis umgebaut und auf eigenes Gelände, das der heutigen Strecke der Linie U3 entspricht, verlegt. „Nun war es möglich, von Stuttgart-Vaihingen Güterwagen von der Staatsbahn zu übernehmen und bis nach Hohenheim zu überstellen“, sagt Thomas Mörbe, Stuttgarter Eisenbahn-Fan und Betreiber der Webseite Filderbahn.de. Auch die Endstation Hohenheim wurde dabei um einige Meter an die neuen Schienenstränge verlegt, sie bestand aus einem Wartesaal, einem Güterschuppen und einem Fahrkartenschalter.

Im Laufe der 1950er und 1960er Jahre wurde die Filderbahn nach und nach in die spätere SSB integriert, und wegen Bauarbeiten an einer Brücke der B27 zeitweise unterbrochen. 1963 stellte man den Güterverkehr in Plieningen ein. Moderne Straßenbahnfahrzeuge ermöglichten den Passagieren komfortableres Reisen. Deren Züge mussten an der Endstation in Hohenheim allerdings umgesetzt werden, damit die Bahn in die entgegengesetzte Richtung zurückfahren konnte.

Genau das wurde Hohenheim zum Verhängnis. Ende der 1950er Jahre stellte die SSB nach und nach auf die neuen GT4-Bahnen um. Dabei handelte es sich um Einrichtungswagen, die ausschließlich in eine Richtung fahren konnten. Sie besaßen nämlich nur auf einer Seite Türen, durch die die Fahrgäste ein- und aussteigen konnten. „Das schaffte Platz für zusätzliche Sitzplätze“, erklärt Gerhard Voss. Diese Bahnen mussten allerdings am Ende einer Strecke wenden, deshalb baute man zahlreiche Endhaltestellen mit entsprechenden Schleifen aus. Dazu allerdings wurde Gelände benötigt, das die Uni an der Haltestelle Hohenheim nicht zur Verfügung stellen konnte, sagt Voss.

Also entschied man sich, die Station Plieningen zur neuen Endstation umzubauen und deren alte Gebäude sowie die Station Hohenheim abzureißen. Die neue Haltestelle Plieningen, die heute hinter dem Bezirksrathaus liegt, wurde am 18. Dezember 1967 eröffnet, Hohenheim ging damit offiziell vom Netz.

Station Hohenheim lag bei der heutigen Mensa

Heute zeugen nur noch wenige Spuren von der Eisenbahngeschichte Plieningens. Der Kreisel vor der Garbe hat die Kreuzung ersetzt, über die unzählige Züge über die Filderhauptstraße ratterten, im Bereich der alten Gleise befindet sich ein Parkplatz entlang der Garbenstraße. Neben dem Gelände der ehemaligen Endstation Hohenheim lassen sich die Studenten heute in der Mensa ihr Mittagessen schmecken.

Die Erinnerung an die Geschichte aber bleibt lebendig. Thomas Mörbe hat die Hohenheimer Endstation in einem Modell, das den Zustand der 1960er-Jahre zeigt, wieder zum Leben erweckt – komplett mit parkender Bahn, wartenden Fahrgästen und einem Wagen samt Ladung. Den heutigen Studenten allerdings wird der Weg zwischen der Endstation Plieningen und der Uni wohl vorerst nicht erspart bleiben.