Andy Holzer ist der einzige blinde Profi-Bergsteiger Europas. Noch im Mai will er auf dem Gipfel des Mount Everest stehen. Wir begleiten ihn mit einer Serie bei seiner Vorbereitung und beim Weg hinauf in eisige Höhen.

Wochenend-Magazin: Markus Brauer (mb)

Mount Everest - 6. Mai 2017 – 34. Tag der Expedition des „Blind Climber“ Andy Holzer und seines Teams auf den Mount Everest.

 

Die Klassiker

Wer auf den Gipfel des Mount Everest will, hat die Qual der Wahl. 20 bisher begangene Wege führen auf das Dach der Welt. Die beiden klassischen, meist bestiegenen Routen führen über den Südostgrat sowie über den Nord- und Nordostgrat auf 8848 Meter. Andy Holzer und sein Team haben sich für diese Nordroute entschieden.

Die Extreme

Daneben gibt es Routen, die über den Westgrat (1963), die Südwestwand (1975), die Nordwand (1980), die Ostwand (1983), den Südpfeiler (1980), den Nordnordost-Couloir (1996) oder die Ostwand (Kangshung-Wand, 1988) führen.

Einer der bekanntesten Aufstiegsrouten ist die Nordwand-Messner-Variante. Als Reinhold Messner im August 1980 alleine und ohne zusätzlichen Sauerstoff den Mount Everest bestieg, wählte er diesen Weg auf den Summit, den er am 20. August erreichte.

Wir stellen die beiden Normalrouten über Nordostgrat und Südostgrat sowie die Messner-Variante vor.

Die Südroute

Routenverlauf

Basislager – Khumbu-Eisfall – Western Cwm – Lhotse-Flanke – Südsattel – Südostgrat – Hillary Step – Gipfel.

Basislager – Khumbu-Eisfall

Diese Route gingen Edmund Hillary und Tenzing Norgay im Mai 1953 bei ihrer Erstbesteigung des Mount Everest. Das Basislager auf nepalesischer Seite befindet sich 540 Meter unterhalb des Khumbu-Gletschers. Diese 600 Meter hohe Eisbruch beginnt auf 5400 Meter und zieht sich bis zum Western Cwm – auch Tal des Schweigens genannt – auf 6000 Meter.

Die umstürzenden und brechenden Eisblöcken von teils gigantischer Größe sind extrem gefährlich und verändern sich jeden Tag je nach Wetter und Sonnenstrahlung. Jedes Jahr vor Beginn der Klettersaison im April/Mai sichern Sherpas die Passage mit Fixseilen und Leitern. Der Eisbruch gilt als einer der gefährlichsten Wege auf der Erde.

Tal des Schweigens

Weiter geht es in das Tal des Schweigens. Dieser Talkessel beginnt auf 6000 Meter und endet nach fast fünf Kilometern auf 6780 Metern Höhe. Hier wird auch das vorgeschobene Basislager errichtet.

Lhotse-Wand – Südsattel

Der Weg führt von dort zur Lhotse-Wand auf der Westflanke des Lhotse. Der 8516 Meter hohe Lhotse ist der Nachbarberg des Everest und mit ihm über den 7986 Meter hohen Südsattel verbunden. Die Lhotse-Flanke ist 60 Grad steil und umfasst 1000 Höhenmeter.

Auf 7900 Meter erreicht man den Südsattel (South Col). Hier wird das letzte Lager vor dem Aufbruch zum Gipfel aufgeschlagen. Weiter geht es den Südostgrat (Southeast Rigde) hinauf bis zum Südgipfel auf 8751 Meter.

Hillary Step

Der Gipfel ist schon zum Greifen nah, da tut sich plötzlich das letzte große Hindernis auf – der Hillary Step. Eine zwölf Meter hohe, 70 Grad steile Felsstufe, die nach ihrem Erstbezwinger Edmund Hillary benannt wurde. Die schwierige Kletterpassage ist mit Fixseilen gesichert, die Sherpas vor jeder Klettersaison überprüfen und erneuern.

Stau auf dem Gipfel

Nach rund zwölf Stunden Kraxelei ist der Gipfel auf 8848 Metern erreicht. An den wenigen freundlichen Tagen im Mai stauen sich auf dem höchsten Punkt der Erde die Bergsteiger. 2016 stürmten an einem Maitag mehr als 150 Kletterer den Gipfel. Am 19. Mai 2012 waren es noch mehr – 245.

Es kann zu mehrstündigen Wartezeiten kommen, bis man an der Reihe ist. Da niemand später als 14 Uhr den Gipfel wieder verlassen sollte, weil sonst die Gefahr des Auskühlens zu groß ist, müssen viele Bergsteiger 100 Meter unterhalb des Gipfels erschöpft wieder umkehren.

Endpunkt aller Routen über den Südost-, West-, Nordost- und Nordgrat sowie über den Hornbein-Couloir ist das gerademal zwei Quadratmeter großes Gipgelplateau, auf dem an guten Klettertagen ein Kommen und Gehen wie auf einem Jahrmarkt herrscht.