Obwohl Ärzte seit Jahren widersprechen, behaupten Anhänger der Hormondiät bis heute, mit dem Schwangerschaftshormon HCG abnehmen zu können. Experten warnen davor: weder gibt es Belege über den Effekt, noch sind die Folgen wissenschaftlich untersucht.

Stuttgart - Cathrine Zeta-Jones, Britney Spears und Jessica Schwarz haben sich innerhalb kürzester Zeit sehr schlank gehungert und bejubeln ihre Diät: Mit HCG-Spritzen seien die Pfunde innerhalb weniger Wochen nur so gepurzelt und dies bei bester Stimmung. Seit etwa einem Jahr erlebt eine Radikalkur eine Renaissance, vor der seit Jahrzehnten immer wieder gewarnt wird. HCG steht für humanes Choriongonadotropin. Das ist ein Hormon, das die schwangere Frau in der Plazenta produziert und das vor allem dazu dient, die Schwangerschaft aufrecht zu erhalten.

 

Der Grundgedanke, der hinter dieser Hormoneinnahme steckt, stammt bereits aus den fünfziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Der britische Arzt Albert Simeons kam auf die Idee, mit diesem Hormon den Körper einer abnehmwilligen Frau in eine Art Dauerschwangerschaft zu versetzen. Denn dann, so argumentierte er damals – und das glauben seine Anhänger bis heute – werde der Zuckerstoffwechsel aufrechterhalten. Bei Schwangeren dient diese Funktion dem Schutz des ungeborenen Kindes. Für diese Aufrechterhaltung würden im Körper die Fettdepots abgebaut, vor allem an den Problemzonen Hüfte und Oberschenkel, so der Glaube. Zudem wirke es stimmungsaufhellend, so dass das Abnehmen in bester Stimmung vollzogen werde. Simeons bot den Reichen und Schönen seine Dienste in einer Klinik in Rom an.

Allerdings ist es bei der HCG-Diät mit den Hormonspritzen alleine nicht getan. Vielmehr muss bei dieser etwa dreiwöchigen Diät die Kalorienzufuhr auf tägliche 500 Kalorien reduziert werden. Zum Vergleich: An einem normalen Arbeitstag mit mäßiger Bewegung verbraucht eine Frau etwa 1900 Kalorien und ein Mann etwa 2100 Kalorien, je nach Konstitution.

Massive Kalorienreduktion ist gefährlich

Die angepriesenen Versprechungen der HCG-Diät hören sich zunächst vielversprechend an: So soll man während der Diät-Kur etwa 300 Gramm am Tag abnehmen können. Innerhalb der ersten vier Wochen könnte die Waage im Schnitt mehr als fünf Kilogramm weniger anzeigen, nach sechs Wochen könnten es mit dieser Wunderdiät gar mehr als acht Kilogramm sein.

Dieser massive Gewichtsverlust ist allerdings der Effekt der extremen Kalorienreduktion und nicht auf das Schwangerschaftshormon zurückzuführen. Darauf wies die amerikanische Gesundheitsbehörde FDA schon vor vielen Jahren hin. Ein derart drastischer Gewichtsverlust innerhalb kurzer Zeit ist zudem gefährlich, warnen Ernährungsexperten weltweit. Durch die geringe Energiezufuhr bei einer Radikalkur droht eine Unterversorgung des Körpers mit lebenswichtigen Mineralstoffen, Spurenelementen und Vitaminen. Diese können auch mit Nahrungsergänzungsmitteln nicht ausreichend ersetzt werden. Das Herz-Kreislaufsystem wird extrem in Mitleidenschaft gezogen, ebenso wie die Verdauungsorgane und der Stoffwechsel. Beispielsweise produziert ein derart unterversorgter Organismus eine Menge Harnsäure. Die Folge sind etwa Nierensteine und Gichtanfälle.

Hinzu kommen die Nebenwirkungen des Schwangerschaftshormons. Unabhängig von Diäten führt es bei manchen Frauen zu Problemen, etwa zu einer sehr starken Regelblutung oder zur Bildung von Myomen. Zudem wirkt es auf die weiblichen Geschlechtshormone, so dass es bei dieser Diät zu Störungen im Hormonhaushalt kommen kann. Wenn sich Männer für eine solche Diät entscheiden, liegt es völlig im Dunkeln, was in ihrem Körper durch dieses Schwangerschaftshormon ausgelöst wird. Dazu gibt es keine wissenschaftlichen Untersuchungen. HCG wird zudem in Zusammenhang mit Krebs gebracht, da verschiedene Tumorarten dieses Hormon produzieren.

Kein wissenschaftlicher Nachweis

„Der wissenschaftliche Nachweis, dass HCG Fett abbauen soll, fehlt“, ist bei der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) zu diesem Thema zu lesen. Auch die Deutsche Adipositas-Gesellschaft (DAG) verurteilt die Hormon-Diät: „In mehreren kontrollierten Studien zur Wirkung von HCG auf das Körpergewicht im Rahmen einer Diät konnte keine Wirkung nachgewiesen werden“, sagt Martin Wabitsch . Die FDA warnt eindringlich vor „unglaublichen Behauptungen“, denn es handle sich bei HCG um ein „nicht sicheres, nicht wirksames Medikament zur Behandlung von Übergewicht.“. Antje Gahl von der DGE warnt prinzipiell vor einseitigen Crashdiäten: „Solch kurzzeitige Diäten wirken nicht dauerhaft und gefährden eine ausgewogene Nährstoffzufuhr“. Zudem müsse man mit einem Jojo-Effekt rechnen – schnell abnehmen, aber ebenso schnell wieder das Ausgangsgewicht oder mehr erreichen. Stattdessen empfiehlt die DGE eine langfristige Gewichtsabnahme, die auf verschiedenen Faktoren basiert. Dazu gehört eine vollwertige Ernährung und 30 bis 60 Minuten Bewegung am Tag.

In Deutschland ist das Schwangerschaftshormon als Abnehmhilfe verboten. Wer sich den Risiken der Crashdiät dennoch aussetzen möchte, besorgt sich das Mittel im Internet. Hier wird es in allen möglichen Formen, als Tabletten, Pulver oder Spray angeboten. Auch mit homöopathischen Kügelchen wird für das Abnehmen ohne Mühe geworben. Allerdings warnen Behörden wie die FDA vor diesen Internet-Produkten: Im besten Fall enthalten die Mittel gar nichts, im schlimmsten Fall jedoch könnte es sich um gesundheitsschädliche Mixturen handeln.

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Bisher erschienen in der StZ-Serie „Klug abnehmen“: „Heilfasten als Schritt in ein gesünderes Leben“, „Saftige Steaks sind bei dieser Diät erlaubt“, „Diät-Shakes im Selbstversuch“ und „Mit Genuss abnehmen – Weight Watchers hilft dabei