In den 80er Jahren tummelten sich bis zu 300 Gäste in dem Bad Boller In-Treff auf dem Parkett und an der Bar. Einige haben sich jetzt wieder getroffen.

Region: Corinna Meinke (com)

Bad Boll - Es war die Liebe auf den ersten Blick, die Ulli und den Discjockey Wolfgang in den 80er Jahren in Bad Boll ereilt hat. Inzwischen sind die beiden seit gut 25 Jahren ein Paar und leben schon „fast ewig in Garmisch-Partenkirchen“. Als ihr Mann jetzt die Einladung zur großen Café Nagel Rememberparty erhielt, gab es für das Paar kein Halten mehr: Ein Besuch in dem früheren In-Lokal für Freunde guter Tanzmusik war für die beiden nach all der Zeit auch ein gefühliger Blick zurück. Ulli und Wolfgang haben am Wochenende viele alte Bekannte getroffen, gemeinsame Erinnerungen aufgefrischt und sich auf dem Parkett ausgetobt. Eine „sentimental journey“, nennt das eine Grafikerin aus San Francisco, die an der Bar gleich nebenan gemeinsam mit einer Freundin Jugenderinnerungen ans Café Nagel aufleben lässt.

 

Auch die Gäste von früher wurden auf Trab gebracht

Die Cafébetreiberin Ursula Junger hat so ein Geburtstagsgeschenk noch nie bekommen: Die Rememberparty haben sich die ehemaligen Angestellten im Tanzcafé Nagel für den jüngsten Ehrentag ihrer Chefin ausgedacht, die alle Eingeweihten nur Usch nennen. Einer der drei ehemaligen DJs im Tanzcafé kam bei seinem 50. Geburtstag in dem Bad Boller Lokal auf die Idee und trommelte daraufhin seine früheren Kollegen zusammen, die über alle möglichen Kanäle auch Freunde und ehemalige Gäste auf Trab brachten.

Einer der angesagtesten Tanztreffs im Kreis

Die Chefin staunte nicht schlecht, als sie schließlich mehr als 60 Reservierungen notiert hatte, und am vergangenen Samstag viele ihrer mehr als 90 Gäste mit Namen begrüßen konnte. Ursula Junger ist im Betrieb ihrer Eltern groß geworden, der sich seit dem Beginn als Tagescafé im Jahr 1957 nach und nach zu einem der angesagtesten Tanztreffs im Kreis Göppingen mauserte. Damals spielte immer eine Kapelle. Vor allem Kurgäste kamen gern ins Nagel, wo auch einige Gästezimmer vermietet wurden. Ende der 60er Jahre begann im Nagel endlich die Discoära, an die sich noch viele erinnern können.

Bis zu 300 Gäste tummelten sich früher im Nagel

Nach und nach lernte Ursula Junger damals ihre DJs an der modernen Anlage ein und die Plattensammlung wuchs auf stattliche 100 000 Stück. Hinter der Tanzfläche schloss sich damals ein großer Barbereich an, der von den Göppinger Fußball- und Handballstars gerne in Beschlag genommen wurde. Im Nagel tummelten sich damals pro Abend bis zu 300 Tanz- und Musikbegeisterte zum Mix aus Schlager und aktuellen Charthits.

Bis heute hat sich der Tanztee am Sonntag gehalten

„Die Atmosphäre war hier immer sehr familiär, und der Herr Nagel hat sich oft zu uns an den Tisch gesetzt und einfach so mit uns Jugendlichen geredet“, erzählt Rita, die mit ihrem Mann Thomas aus Aichelberg gekommen ist. „Als junges Mädchen konnte man sich hier wirklich sicher fühlen, und deshalb ließen uns die Eltern auch springen, als meine Freundin mit 18 Auto fahren durfte“, berichtet Rita weiter. Ihrem Mann Thomas haben schon damals die Sitzecken gefallen, in denen es sich die Pärchen gemütlich machen konnten. Zusammen mit ihren Freunden am Tisch sind sie sich einig, dass es heute außer dem großen und ein wenig unpersönlichen Eichenhof in Eislingen viel zu wenig Tanzmöglichkeiten für ihre Altersgruppe Ü 40 gibt. Das soll sich schleunigst ändern, haben einige Gäste an diesem Abend beschlossen und ihr Wiederkommen angekündigt, sollte Junger neben dem derzeit sonntäglichen Tanztee für Senioren mit Alleinunterhalter wieder regelmäßige Discoabende anbieten.

Die gute Fee in der Küche zählt 86 Lenze

Das Nagel ist auch das zweite Zuhause von Klara Link. Die 86-Jährige, der man wegen ihrer Jugendlichkeit gerne einen Zahlendreher bei der Altersangabe unterstellen möchte, verfügt hier seit 57 Jahren über die Küchenhoheit. Kein Kartoffelsalat und keine Gulaschsuppe kommen ohne ihr Zutun auf den Tisch. Früher war sie in Personalunion auch noch Putzfrau und Zimmermädchen, wie die Seniorin schmunzelnd erzählt. Zusammen mit dem übrigen Personal wird auf die Zukunft des Tanzcafés angestoßen. Diesmal füllt Ulli die Gläser mit Asbach Cola und gibt wie früher die Bardame, während ihr Mann Wolfgang mit Andrea Bergs „Du hast mich tausend Mal belogen“, die Tanzfläche füllt.