Jörg Wiedmann spielt seit mehr als 30 Jahren Boule. Er misst sich gerne mit anderen Spielern. Doch bei den Turnieren gewinnen nicht immer diejenigen, die am besten spielen.

Möhringen - Das französische Kugelspiel Boule, dessen Anfänge bis ins 13. Jahrhundert zurückreichen, ist vom Prinzip her dem beliebten Freizeitspiel Boccia ähnlich. „Und das hat bekanntlich der erste Kanzler der Bundesrepublik Deutschland, Konrad Adenauer, gespielt“, sagt Jörg Wiedmann. So kann er den meisten Menschen – vor allem den Älteren – ganz grob erklären, was für ein Hobby er schon seit 30 Jahren leidenschaftlich pflegt.

 

Viele hätten Boule auch schon mal im Urlaub am Strand gespielt, sagt der 55-Jährige. Allerdings verwenden die Profis keine Holz- oder Plastikkugeln, sondern 650 bis 800 Gramm schwere Metallkugeln. Ziel des Spieles ist es, die eigenen Kugeln näher an eine kleine Zielkugel aus Holz zu legen, beziehungsweise zu werfen, als es der Gegner schafft. Hartgesottene spielen Boule das ganze Jahr über im Freien.

Der Gemeinschaftssinn wird groß geschrieben

Dabei ist vor allem Taktik gefragt. Ist es sinnvoller, die eigene Kugel in die Nähe des Ziels zu bringen, oder kann man eventuell sogar die beste Kugel des Gegners wegschießen? Am Ende einer Runde wird gezählt. Jede Kugel einer Mannschaft, die dem Ziel näher liegt als die Bestplatzierte des Gegners, zählt einen Punkt. Die Mannschaft, die zuerst 13 Punkte erreicht, hat gewonnen.

„Man muss sich immer mit dem Partner abstimmen“, sagt Wiedmann. Es hat ihn von Anfang an fasziniert, dass man nur durch gute Kommunikation und taktisches Geschick gewinnen kann. Das erste Mal mit Boule in Berührung kam der Möhringer 1985 auf dem Paul-Gerhard-Platz im Stuttgarter Westen. Freunde trafen sich dort zu einer Partie, und Wiedmann war sofort begeistert. „Jeder kann mit jedem spielen“, sagt er. Dabei sei weder Alter, Geschlecht oder die körperliche Fitness ein Vor- oder Nachteil.

Gerade im Bouleclub Stuttgart, den der Sozialpädagoge 1991 mitbegründet hat, werde dieser Gemeinschaftssinn groß geschrieben. „Hier spielt der Anwalt mit dem Müllmann“, sagt Wiedmann. Wichtig für alle sei neben dem Teamgeist auch die Entschleunigung, die das Boulespiel ermöglicht. So bleibe neben den einzelnen Durchgängen genug Zeit für einen Plausch.

Ein Sport, der sich auch mit Rollator spielen lässt

Obwohl die Teilnahme an Turnieren für den Möhringer nicht das Wichtigste ist, hat er schon mehrfach den Vergleich mit der Konkurrenz gewagt. Sein größter Erfolg bisher war die Teilnahme am Halbfinale der Deutschen Meisterschaft sowie der zweimalige Pokalsieg. „Es ist aber auch alles eine Frage der Zeit“, sagt Wiedmann. Theoretisch könne man im Sommer zweimal pro Woche trainieren und – je nach Engagement – fasst jedes Wochenende auf ein Turnier fahren. Und da man gerade bei Turnieren im Freien spiele, könne das schon mal unangenehm werden: „Da gewinnen oftmals nicht die guten Spieler, sondern diejenigen, die es am längsten im Regen aushalten“, sagt Wiedmann.

Dass Jörg Wiedmann seinem Hobby noch sehr lange nachgehen will und kann, zeigt sich für ihn auch bei seiner Arbeit: Als Sozialpädagoge arbeitet er in einem Pflegeheim und spielt dort seit sechs Jahren mit den Senioren. „Boule kann man prima mit Rollator oder dem Stock spielen“, sagt Wiedmann. Die Senioren, die ein Hilfsmittel benötigen, könnten sich mit der einen Hand abstützen und mit der anderen die Kugel werfen. Und wem das Bücken etwas schwerer fällt, der benutzt einfach einen kleinen an einer Schnur befestigten Magneten zum Aufheben der Kugeln. „Das ist doch mal eine Perspektive für mich“, sagt Wiedmann und lacht.