Uwe Holz nennt sich einen kaputten Typen aus Caputh bei Potsdam. Nach 50 Jahren mit Wohnsitz in der Strohgäugemeinde, ist er ein Hemminger geworden. Sein Markenzeichen ist das geschmückte Fahrrad, mit dem er im Ort unterwegs ist.
Hemmingen - Nur vier Tage noch wird der Nikolaus versuchen, die Deutschlandflagge zu erklimmen. Danach ist vorläufig Schluss mit der Weihnachtsdekoration. „An Dreikönig schmück’ ich das Rad ab“, sagt Uwe Holz. Der Hemminger steht in seiner Garage und demonstriert die Weihnachtsbeleuchtung seines Fahrrads. Alles Jahre wieder zu Nikolaus putzt Holz sein Vehikel heraus. Dann befestigt er einen Nikolaus am schwarz-rot-goldenen Banner über dem Hinterrad und klemmt einen batteriebetriebenen Weihnachtsbaum aus Plastik an den Lenker. „Klar, ich könnte die Beleuchtung auch über den Dynamo machen.“ Aber das ist dem 62-Jährigen zu kompliziert. Also Batterien.
Ein kaputter Typ aus Caputh bei Potsdam
Obwohl, darauf legt Uwe Holz Wert: abschmücken bedeutet nicht, dass sein weißes Sportrad danach undekoriert ist und er kahl durch den Ort zur Arbeit fährt, zur Gewürzfabrik Hagesüd. Zwei Plastikblumensträuße bleiben das ganze Jahr am Fahrrad. Genauso gehören die beiden Hupen zur Basisausstattung, auf denen die Comic-Helden Asterix und Obelix als Figürchen nebst zwei Mercedes-Sternen thronen. Und natürlich bleibt auch der Fuchsschwanz nach Dreikönig hinten an der Stange. Ebenso der Aufkleber mit der Aufschrift „Ich bin ein Hemminger“. Und am allernatürlichsten bleiben auch die Kleber seines Leib- und Magen-Fußballvereins hängen, des Hamburger SV. Warum der ganze Putz? Uwe Holz lacht. „Ich bin halt verrückt. Ein kaputter Typ“, sagt er, und spielt mit kaputt weder auf seinen Gesundheits- noch seinen Gemütszustand an, sondern auf seine Heimatort Caputh bei Potsdam.
Uwe Holz mag wegen seines extravaganten Fahrradschmucks seit vielen Jahren ein Hemminger Original sein – ein echter Hemminger ist er nicht. 1952 kam er als kleines Kind in den Westen, seine Familie lebte zunächst in Hannover. Als Metzgerlehrling kam er schließlich nach Stuttgart, lernte in einer Disco seine Frau Dora kennen. Die war ein Hemminger Originalgewächs und brachte ihren neuen Freund mit nach Hause. Der trat rasch der GSV Hemmingen bei, kickte leidlich in der ersten Herrenmannschaft, öfter noch in der zweiten, und trainierte bis vor wenigen Jahren die Hemminger Jugend.
Lieber eine Essen mit der Frau als 70 Euro für die Stadionkarte
Fußball, seine zweite Leidenschaft: „Im Sturm habe ich gespielt, wie Uwe Seeler“, sagt er. Uns Uwe, das Hamburger Fußballoriginal – uns Uwe, das Hemminger Fußballoriginal. Der Uwe von der Alster hatte entschieden mehr Gefühl im Fuß. Der Hemminger Uwe traf mit seinen gewagten Torschüssen gegen Ende feuchtfröhlicher Weihnachtsfeiern mehr den Lachmuskel seiner Vereinskameraden als das Tor. „Macht nichts“, sagt er heute unbekümmert. Zumal er über den Fußball zu seinem derzeitigen Rad gekommen ist.
Zu seinem 60. Geburtstag, nachdem sein alter Drahtesel nach vielen Jahren schlapp gemacht hatte, sammelten die Vereinsfreunde eine ordentliche Stange Geld. Uwe Holz, der bei Wind und Wetter fährt, suchte sich das schicke weiße Sportrad aus. Ein kaputter Typ ist er nach eigener Beschreibung, aber nicht bekloppt. 70 Euro für eine Karte, wenn der Hamburger SV nach Stuttgart kommt, die gibt er nicht aus. „Dafür gehe ich doch lieber mit meiner Frau essen.“
Holz wirft noch einen Blick auf sein Weihnachtsfahrrad. Seit etwa fünf Jahren düst er damit inzwischen durch die Advents- und Weihnachtszeit. „Warum auch nicht?“, fragt er. Uwe und Dora Holz haben kein Auto, sie haben nie eins gehabt. Als Jugendlicher saß er mit im Auto, als ein Verwandter tödlich verunglückte. Seitdem ist für ihn klar, dass er beim Fahrrad bleibt. Andere motzen ihre Autos auf, Uwe Holz eben sein Fahrrad.