Lange Jahre war Dieter Messner in Korntal eine Person des öffentlichen Lebens: Er war Notar und weltlicher Vorstand der Brüdergemeinde. Schon länger hat er beide Ämter niedergelegt – zurückgezogen hat er sich aber nicht.
Korntal-Münchingen - Alles hat seine Zeit. So steht es in der Bibel, bei den Sprüchen Salomos. Dieter Messner sagt das ganz locker – nach dem Satz „Ich hab’ meinen Beruf gern gemacht“. Der aber hat ihn, ein gutes Jahr nach der offiziellen Zurruhesetzung, noch nicht losgelassen. Fast jeden Tag erreichen den 66-Jährigen Anrufe von Menschen, die ihn kennen – und die einen Rat von ihm möchten, oder auch mehr. „Ich bin bereit als Ratgeber, wenn ich gefragt werde“, sagt Messner, „aber ich mische mich nicht ins Tagesgeschäft ein.“ In der letzten Reihe sieht er sich nicht nur sonntags beim Gottesdienst der Brüdergemeinde. „Abgeben können muss man üben.“
Mehr als 30 Jahre lang hat Dieter Messner in Gremien der Brüdergemeinde mitgearbeitet, war seit 1978 Brüdergemeinderat und zwei Amtszeiten lang, von 1991 bis 2011, der sogenannte „weltliche Vorsteher“ – stand also mit dem Pfarrer zusammen an der Spitze der pietistischen Organisation mit ihren knapp 1500 Mitgliedern. Verantwortung hatte er auch im Beruf – denn der Notar muss in Württemberg unter anderem Immobiliengeschäfte beurkunden.
Keine Frömmelei bei jeder Gelegenheit
Das führte dazu, dass er Häuser verkaufen musste von Menschen, deren Ersparnisse aufgebraucht waren und die das Geld vom Haus brauchten, um ihren Platz im Altenheim zu finanzieren. Seit der Pflegeversicherung sei dies nicht mehr so häufig der Fall, sagt der Schwabe, der Güte und Zuwendung ausstrahlt. Und der neben dem rein „Geschäftlichen“ sensibel ist für die Sorgen des Gegenübers. Und ein tröstendes und mitfühlendes Wort hat. Sehr ernst gemeint, sehr menschenzugewandt – eben keine Frömmelei bei jeder Gelegenheit. Vielleicht kommt es auch daher, dass Dieter Messner so beliebt ist in seinem Umfeld, und es geschätzt wird, wenn er, von Krankheit zeitweise eingeschränkt, bei einem Termin die Brüdergemeinde vertritt? Bei der Weihnachtsfeier des Schulbauernhofs beispielsweise.
Als Mediator werde er gebeten, erzählt der 66-Jährige zuhause im Wohnzimmer, wenn ihn Menschen als Vermittler bei Problemen bitten – wie neulich, als ein Erbe wegen einer Testamentsanfechtung angefragt habe. „Ich bin Seelsorger in weltlichen Angelegenheiten, nicht nur in Geldfragen, sondern auch in menschlichen Notsituationen.“ Urkunden fertige er nicht mehr aus, aber er dürfe Verträge prüfen. Oder die Kommunikation zwischen Eltern und Kindern fördern, wenn die Firmenübergabe des Familienbetriebs thematisiert werde. Etliche Stiftungen habe er in den Monaten seit dem Ausscheiden aus dem Amt auf den Weg gebracht – um mit Vermögen Gutes zu tun. Mensch-Tier-Natur sei ein Thema gewesen, aber auch die Unterstützung einer Schule.
Guten Kontakt zu seinem Nachfolger
Vom Geschehen in der Brüdergemeinde bekomme er nach wie vor viel mit, und er habe einen „sehr guten brüderlichen Kontakt“ zu seinem Nachfolger Klaus Andersen, dem Bankmanager. Das diakonische Handeln der Brüdergemeinde in ihren etwa zehn Einrichtungen mit zusammen 500 Mitarbeitern sei „jedes Jahr eine große Herausforderung“. Ob Jugend- oder Altenhilfe, ob Familienzentrum oder Sonderschulen – alle Häuser müssten „mit Personal, Sachkosten und Zuschüssen vom Staat“ umgehen. Das neue Kinderhaus in Korntal sei „eine große Herausforderung“. Und eine Einrichtung funktioniere „mit staatlichem Schulterklopfen, aber ohne staatliches Geld“: der Schulbauernhof. Dessen Leiter sei als beamteter Lehrer zwar freigestellt, „aber das ist Wertschätzung, nicht mehr“. Wenig, angesichts einer sechsstelligen Summe, die der Hof jedes Jahr koste.
Der Status des Ruheständlers gebe ihm am Morgen Zeit zum Bibelstudium, berichtet Messner. „Im Herbst des Lebens schaue ich auf einen engagierten beruflichen Sommer. Jetzt habe ich Zeit, mich mit den letzten Fragen zu befassen. Ich bin aber nicht lebensresigniert.“ Es betrübt den engagierten Christen Dieter Messner, dass „unsere Gesellschaft gegenüber dem christlichen Glauben distanzierter geworden ist“. Sein Beweis: 1950 seien vier Prozent der Bevölkerung konfessionslos gewesen, „2012 waren es mehr als 30 Prozent“.
Menschen nicht nur in körperlicher Not helfen
Apropos Diakonie und christliches Leben. Wie stuft er sich denn ein – als jemand, der selbstzugewandt „nur fromm“ ist? Oder als Menschen, der sein Christsein durch Fremdzuwendung lebt? „Das schließt einander nicht aus“, antwortet Messner ruhig und bestimmt zugleich. Er wolle das nicht gegeneinander ausspielen. „Beides gehört untrennbar zusammen. Die Beschäftigung mit dem Wort Gottes, selbst oder im Gottesdienst, führt zu diakonischem Handeln.“ Dieser Begriff sei erst 30 Jahre alt, „das hat man früher mit ,innerer Mission’ bezeichnet“. Christliches Handeln werde „wirksam in innerer und äußerer Mission“. Menschen müsse man nicht nur in körperlicher Not helfen, sondern auch geistliche Hilfe zukommen lassen.