Birgit Braun ist die Chefin der Aktionsgemeinschaft Artenschutz, die ihren Sitz in Münchingen hat. Von dort aus setzt sie sich für bedrohte Tierarten ein – nicht nur für Meeresschildkröten. Auch wenn damit alles begonnen hat.
Münchingen - Eine Stoffschildkröte begrüßt den Besucher vom oberen Regalbrett herab. Eine aus Ton, die einen Sonnenhut trägt, steht auf einem der beiden Schreibtische. Dahinter sitzt Birgit Braun – quasi umringt von den Reptilien.
Doch es wäre zu kurz gegriffen, würde man die 38-Jährige und die Aktionsgemeinschaft Artenschutz (AGA) nur auf Meeresschildkröten reduzieren. 1986 wurde der Verein gegründet, aktuell engagieren sich die Vorsitzende, eine Mitarbeiterin und zahlreiche Ehrenamtliche weltweit für den Schutz von Geparden, Elefanten, Nashörnern, Koalas und Kängurus, dazu von Helmkasuaren, Zwergpinguinen, Geckos und Skinken, Aras, Walen sowie Chamäleons. Und natürlich: Meeresschildkröten.
Als Kind hatte Birgit Braun einen Film gesehen, in dem gezeigt wurde, wie diese Tiere auf der indonesischen Insel Bali abgeschlachtet werden. „Das hat mich enorm beeindruckt“, erinnert sie sich. Für viele der dort lebenden Menschen sei das nichts Besonderes. Aber Reptilien könnten nicht schreien und hätten auch keine Mimik, einen Mitleidseffekt gebe es deshalb kaum. „Tiere brauchen einfach eine Lobby – aber die haben sie oft nicht im eigenen Land.“
Der Film war ihr erster Kontakt mit der AGA. Diese Vereinigung wurde vom Ehepaar Brigitte und Günther Peter initiiert, nachdem sie solch grausame Taten bei einem Urlaub miterlebt hatten. „Das hat die beiden einfach nicht mehr losgelassen“, sagt Birgit Braun. Die Peters gründeten die Initiative „Aktion rettet die Schildkröten“, aus der später die AGA hervorging.
Auch Birgit Braun engagierte sich schon früh, sie war Mitglied im World Wide Fund for Nature (WWF) und absolvierte Praktika bei der Naturschutzorganisation. Später studierte sie in Göttingen Biologie, sattelte ein Masterstudium Umweltschutz an der Fachhochschule Nürtingen drauf – und landete zudem wieder beim WWF.
Es war nicht nur die erste berufliche Station, sondern auch ihr erster großer Erfolg für den Artenschutz. Für ihre Masterarbeit hatte sie untersucht, ob man speziell ausgebildete Hunde auch in Deutschland dazu einsetzen könnte, um geschützte Tierarten in Reisegepäck zu erschnüffeln und Schmugglern so das Handwerk zu legen. Viele hätten ihr damals gesagt, das sei eine tolle Masterarbeit, aber sie brauche sich wenig Hoffnung zu machen, dass irgendwer diese Hunde bezahle. Doch Birgit Braun ließ sich davon nicht beeindrucken und schickte ihr Werk an den Zuständigen im Finanzministerium der für den Zoll übergeordneten Stelle. Heute sind an einigen deutschen Flughäfen insgesamt acht solcher Artenschutzhunde im Einsatz.
Erfahrungen wie diese treiben sie an, früher beim WWF und nun für die AGA, für die sie zunächst freiberuflich gearbeitet hat und zusammen mit Brigitte Peter im Vorstand saß. Nach deren Tod – sie war AGA nach der Trennung von ihrem Mann Günther Peter treu geblieben – wählten die Mitglieder Braun im November 2012 zur geschäftsführenden Vorsitzenden, seitdem hat sie eine Dreiviertel-Stelle.
Doch sie investiert deutlich mehr Zeit für die AGA, zum einen noch ehrenamtlich im Vorsitz, zum anderen bei Infoständen. „Ich habe mein Hobby zum Beruf gemacht“, sagt sie und erinnert sich lachend daran, wie sie als Kind dachte, dass alle im gemeinnützigen Sektor Tätigen das unbezahlt machten. Aber Vollzeit ehrenamtlich im Naturschutz arbeiten, das gehe nicht. Ohnehin sollten Fachkenntnisse eine Grundvoraussetzung sein, schließlich müsse auch dafür gesorgt werden, dass der Sinn von Anfragen geprüft und Naturschutzprojekte sinnvoll koordiniert werden. Die AGA sei zwar ein kleiner Verein, doch das habe Charme. „Wir haben hier den Luxus einer ehrenamtlichen Buchhalterin und weiterer Helfer“, sagt sie.
So bleibt ihr mehr Energie für die vielen Projekte – etwa ein Elefantenwaisenhaus in Kenia. Die Einrichtung war unter anderem in einer Dokumentation des ZDF zu sehen. Durch die Sendung führte der Schauspieler Hannes Jaenicke, zu dem Braun den Kontakt über einen ihr bekannten Fotografen hergestellt hatte und den sie ursprünglich für ein Geparden-Projekt in Namibia gewinnen wollte.
Braun begleitete den Dreh knapp zwei Wochen lang, verband das wie üblich mit einem Urlaub mit ihrem Mann, um der AGA keine Kosten zu verursachen. Die kleinen Elefanten seien zwar niedlich gewesen, doch man dürfe nicht ausblenden, dass sie nur im Waisenhaus seien, weil ihre Herde abgeschlachtet wurde. So wie früher von einem Bauern, den sie und das TV-Team ebenfalls besuchten. Er hält nun mit Bienenstöcken – Teil eines Projekts – Elefantenherden davon ab, sein Feld niederzutrampeln. „Man darf nicht einfach in solche Länder gehen und nur Elefantenliebhaber sein.“ Man müsse die dortigen Konflikte zwischen dem Überlebenskampf der Einheimischen und dem Tierschutz lösen. Das gelte auch für Deutschland. „Wir müssen aber dieselben Einschränkungen akzeptieren, die wir in anderen Ländern fordern. Es gibt hier ganz viele, die vom bösen Farmer sprechen – und das sind oft dieselben, die vom bösen Wolf sprechen.“
Gerade diese Diskussionen könnten manchmal frustrierend sein, aber dann gebe es auch wieder Lichtblicke. Erfolge wie die von AGA aus den Anfangsjahren mit dem Importverbot von Produkten von Meeresschildkröten. Oder das aktuelle Engagement vieler Ehrenamtlicher. „Das ist ein toller Auftrieb, den man bekommt.“
Und da ist sie wieder, die Meeresschildkröte: In der Türkei und im Iran arbeitet AGA mit Privatinitiativen zusammen. Ihnen hat sie Tipps gegeben, wie der Bestand überwacht werden kann, Stirnlampen und Zelte geschickt. Und mit gesponserten Farben und Stofftaschen sollen einheimische Kinder in Projekten sensibilisiert werden. Denn vor allem Plastikmüll mache den Tieren zu schaffen, sie verwechselten ihn gerne mit nahrhaften Quallen. Und in Münchingen konzipiert Birgit Braun gerade eine Ausstellung, die von Schulen und Vereinen ausgeliehen werden kann. Auch eine türkische Version soll es geben, ebenso wie eine persische Variante eines Mal- und Infobuchs für Kinder. Die Meeresschildkröte lässt Birgit Braun einfach nicht los.