Auf Waldlichtungen und in Städten, auf Bergen und in Schluchten: überall im Land sind kleine Behälter versteckt, die per GPS-Gerät gesucht werden können. Andreas Berger hat bereits etwa 27 000 solcher Caches gefunden.

Bad Urach - Die Sonne scheint, unten im Tal schlängelt sich die Erms, der Blick schweift über bewaldete Hänge hinaus ins Albvorland. Die Aussicht von der Burgruine Hohenwittlingen oberhalb von Bad Urach ist wunderschön. Und trotzdem muss sie warten. Warten, bis Andreas Berger fündig geworden ist. Denn irgendwo an den Felsmauern muss eine Tafel hängen. Gesucht ist: das Jahr, in der die Burg verfallen ist. Andreas Berger steigt die Treppen nach oben und bleibt vor einer Wand stehen – vor seinem ersten Ziel. Schnell notiert sich der Geocacher aus Dettingen an der Teck die Zahl 1700, rechnet wie vorgegeben die Quersumme aus und dann erst steigt auch er auf den Turm, um die Aussicht zu genießen. Soviel Zeit muss sein, auch wenn der Cache lockt.

 

Der was? Cache – so nennen Geocacher ihren Schatz, ihr Ziel. Meist ein einfacher wasserdichter Behälter, in dem ein Logbuch liegt. In dieses können sich alle eintragen, die den Schatz gefunden haben. Gesucht wird mittels GPS-Gerät. So eine Schnitzeljagd der digitalen Art kann ganz unterschiedlich aussehen, an diesem Sonntag will Andreas Berger einen Multicache bergen – einen Schatz, dessen Koordinaten nur derjenige erfährt, der mehrere Zwischenziele bewältigt. Im Fall des Multicaches „Albtrauf“ werden drei Stationen angelaufen, an denen verschiedene Zahlen gefunden werden müssen. Und aus denen können dann am Schluss die Koordinaten des Caches errechnet werden.

Die erste Etappe ist mit der Burgruine Hohenwittlingen abgehakt. Als nächstes geht es weiter in Richtung Schillerhöhle. „Das ist wirklich ein toller Multicache, auf wenigen Kilometern bekommt man eine Ruine, eine Höhle und einen Wasserfall zu sehen“, sagt Andreas Berger und wirft noch einmal ein Blick auf sein GPS-Gerät. Ja, die Abzweigung scheint die richtige zu sein. Es geht über Wurzeln und Steine durch dunkelgrünen Sommerwald. Unten im Hang öffnet sich der Fels zur Schillerhöhle, Schauplatz des Steinzeitromans „Rulaman“. Ein kleines Schild am Eingang warnt vor dem Feuermachen, darauf findet sich die nächste gesuchte Zahl. „Natürlich steht der Gewinn am Ende. Aber darum geht es nicht, eigentlich ist der Weg das Ziel“, erzählt der 49-Jährige.

Der Elektroniker spricht aus Erfahrung: Zusammen mit seiner Frau hat er mittlerweile an die 27 000 Caches gefunden. Angefangen hat alles vor elf Jahren. Damals sah Andreas Berger zufällig einen Fernsehbericht über die Schatzsuche per GPS-Gerät. „Das wollte ich auch mal ausprobieren.“ Sein erster Cache war an der Autobahnraststätte Denkendorf versteckt. „Solche Caches sind meistens nicht so schön, eher was für zwischendurch, wenn man eh auf dem Weg in den Urlaub ist.“ Fast wäre das Abenteuer Geocaching auch gleich am Anfang beendet gewesen – „wir haben den Cache nämlich lange nicht gefunden“, erzählt Berger und schmunzelt.

Das Paar begann die Schwatzsuche als Bonnie und Clyde

Und trotzdem hatten die Bergers Feuer gefangen. Sie meldeten sich bei der Community geocaching.com an und gaben sich den Nickname „Bonnie und Clyde“. Auch, weil sie sich manches Mal wie das berühmte Gangsterehepaar fühlten. „Am Anfang war das Geocachen nicht so verbreitet. Wir haben uns beobachtet gefühlt, als würden wir etwas Verbotenes tun“, erzählt Berger. Tatsächlich gehören die beiden zur ersten Generation: Am 2. Oktober 2000 wurde bei Berlin der erste Schatz in Deutschland gelegt. Der allererste Geocache weltweit wurde fünf Monate zuvor bei Portland in den USA vergraben. „Das wäre echt cool, dort mal auf die Suche zu gehen“, sagt Andreas Berger. Latente Flugangst stand der Reise nach Übersee bisher allerdings im Wege.

Trotzdem sind die beiden mit ihrem Hobby ganz schön herumgekommen: Sie haben bereits Schätze in 18 Ländern gehoben. Bis hinauf ans Nordkap sind Bonnie und Clyde dabei schon gereist. Am liebsten sind ihnen die Schätze, die in der freien Natur versteckt liegen.„Wir wandern unheimlich gerne. Oft stellen wir uns eine Route zusammen, auf der mehrere Caches versteckt sind“, erzählt Andreas Berger. Auch einen 24-Stunden-Trail, auf dem es 360 Caches am Stück zu finden gab, haben die beiden schon absolviert. „Da finden einige, dass das mit Geocaching nichts mehr zu tun hat. Ich finde dagegen die Vielfalt spannend. Es gibt beim Geocaching für jeden etwas: verschiedene Schwierigkeiten, unterschiedliches Gelände.“ Sich auf Favoriten festzulegen fällt dem 49-Jährigen bei der Menge an gehobenen Schätzen schwer. „Aber der Schatz der Ulmer, das war eine tolle Runde“, sagt Berger. Auch bei Bad Wildbad im Schwarzwald, erinnert er sich, gibt es schöne Routen. Und einer seiner Lieblingsschätze liegt ganz im Norden der Republik: „Bei der Insel Fehmarn musste man ein ganzes Stück durch die seichte Ostsee waten, um den Cache zu finden.“

Die Begeisterung bleibt – auch nach 27 000 Treffern

In der direkte Umgebung, auf der Schwäbischen Alb, war das Ehepaar Berger dagegen noch gar nicht so aktiv. „Das heben wir uns auf, wenn wir mal nicht so weit fahren möchten“, sagt Andreas Berger und steht mittlerweile vor der nächsten Etappe der Albtrauf-Runde: der steinernen Brücke in der Wolfsschlucht. Am Ende rieselt ein kleiner Wasserfall zwischen den Felsen hindurch, Moos und Farne wachsen an den steilen Hängen. „Jetzt müssen wir die senkrechten Pfosten der Brücke zählen“, erläutert Berger. Hmmm. Zehn oder doch elf, wenn der kleine Pfosten auch dazugehört? „Ich denke es sind zehn.“ Weil das Geländer der Brücke inzwischen abgebaut ist, hat der Besitzer des Caches die Lösung der nächsten Aufgabe in der Beschreibung verraten. Nun können die Koordinaten ausgerechnet werden. Um an den Endpunkt zu gelangen, müssen Baumstämme überquert werden, geht es steil den Hang hoch.

Und dann beginnt sie, die letzte Suche. „Ganz genau sind die GPS-Geräte leider nicht“, sagt Andreas Berger und lässt seine Augen über den Hang wandern. Zwar gibt es auch ein Spoiler-Bild, welches das Versteck verrät, aber das ist dank dem Profi nicht nötig: „Ich habe Spuren an einem der Felsen gesehen, und da war der Cache dann auch.“ In dem Logbuch findet Andreas Berger seinen eigenen Eintrag aus dem Jahr 2012: „Tolle Route, wunderschön“, hat er am 20. Oktober hineingeschrieben.

Dem Urteil würde er sich auch an diesem Sonntag wieder anschließen. Und wieso hat die Begeisterung auch nach 27 000 gefundenen Schätzen noch nicht nachgelassen? „Es ist die Verbindung zwischen Technik und Natur. Und es ist die Tatsache, dass die meisten in ihre Verstecke viel Herzblut hineinstecken. Entweder der Cache selbst ist aufwendig gestaltet, oder sie wollen einem unterwegs besondere Orte zeigen“, sagt Andreas Berger, der übrigens immer eine Geocacher-Grundausrüstung im Kofferraum hat: Greifzange, Strickleiter, Werkzeug zum Öffnen von Schlössern. Immer bereit für den nächsten Schatz am Wegesrand.

Geo-Caching gibt es auch in Städten

Wer Geocaching einmal ausprobieren möchte, braucht nicht viel – im Prinzip nicht einmal ein extra GPS-Gerät. Für den Anfang reicht auch ein Smartphone mit GPS-Modul und einer entsprechenden App. Diese gibt es zum Beispiel kostenlos von geocaching.com, der größtem Community. Einsteiger sollten bei der Wahl der Tour auf die Einstufung achten. Es gibt die beiden Kategorien Gelände und Schwierigkeit mit jeweils Abstufungen von eins bis fünf. Bei einer Geländeschwierigkeit von fünf sind auf jeden Fall Hilfsmittel wie Kletterseil, Boot oder Leiter notwendig.

Es gibt mittlerweile ganz unterschiedliche Caches. Beim traditionellen Cache werden die Koordinaten direkt veröffentlicht. Meistens sind diese Schätze aber gut versteckt und deswegen trotzdem schwer zu finden. Dann gibt es Rätsel-Caches; Caches, die nur nachts gefunden werden können oder Caches, die sich an vergessenen Orten befinden. Freigeschaltet werden Caches von ehrenamtlichen Reviewern, die zum Beispiel darauf achten, dass die Schätze nicht im Naturschutzgebiet versteckt sind.

Tipps sind schwierig – allein in der Nähe von Stuttgart liegen laut der Community geocaching.com fast 22 000 Caches. Die im Artikel beschriebene Route hat den Namen „Albtrauf“ und eignet sich für Anfänger. Auch viele Städte lassen sich mit dem GPS-Gerät erkunden – ein Tipp ist zum Beispiel das Angebot der Stadt Nagold. Auch auf der Internetseite des Naturparks Südlicher Schwarzwald finden sich einige empfohlene Routen, etwa auf dem Feldberg.