Von der Terrasse der Stuttgarter Jugendherberge bietet sich ein Ausblick auf grüne Hügel und große Baustellen. Wer einen Mitgliedsausweis besitzt, darf dort essen.

Stuttgart - Auf dem futuristisch anmutenden Steg zur Jugendherberge Stuttgart International drängeln sich an diesem Morgen große Pulks Jugendlicher. Rucksäcke sucht man vergeblich, heutzutage reist man mit Rollenkoffer. Doch die Unterkunft, ein 300-Betten-Haus des Deutschen Jugendherbergswerks in der Haußmannstraße 27, ist immer noch erste Wahl bei Gruppenreisen mit jungen Teilnehmern. 90 Schüler aus Dingolfing brechen auf, nachdem sie mehrere Tage lang Stuttgarter Sehenswürdigkeiten abgeklappert und Halbhöhenluft geschnuppert haben.

 

„Das Haus ganz voll kriegen? Das schaffen wir im Sommer nicht“, sagt Marlies de Vries, die Herbergsmutter. Aber während des Wasens, des Weihnachtsmarkts oder bei sportlichen Großereignissen würden schon sehr viele Zimmer vorbestellt, zumal es einen Herbergsableger am Neckarpark gibt. 106 000 Übernachtungen pro Jahr zählen die Herbergseltern in beiden Häusern zusammen, obwohl die Konkurrenz günstiger Zimmer hart geworden sei. Aber den tollen Blick habe man eben hier, hoch überm Wagenburgtunnel, sagt Herbergsvater Gerrit de Vries. Deshalb gehen 70 000 der Übernachtungen auf dieses Haus.

Ausgangspunkt für Deutschland-Tour

Seit es 2006 nach der Renovierung wieder bezogen worden ist, bietet sich den Gästen von der Terrasse aus ein 180-Grad-Panorama. Das Auge schweift vom Haigst in Degerloch über den Hasenberg, Bismarckturm und den Chinesischen Garten bis hinüber zum Robert-Bosch-Krankenhaus. Darunter: Viele glatte Beton-Glas-Fassaden, das ziegelrote Patchwork-Muster des Dächermeeres im Süden und Westen, die Travertin- und Sandsteinfassaden der Prachtbauten in Stuttgarts Mitte und, ja, die Großbaustellen am Bahnhof und der John-Cranko-Schule.

Von der Terrasse und dem „tollen Blick“ sind die vier jungen Männer aus München, die gerade Müsli und Wurstsemmeln frühstücken, angenehm überrascht. „Wir haben Stuttgart im Internet gegoogelt und schauen uns heute die Stadt an“, sagt Leon. 16 Tage hätten sie sich Zeit genommen „für eine Deutschland-Tour“, sagt Yannik. Nach Stuttgart gehe es r nach Heidelberg, nach Norden, dann nach Dresden und Leipzig. Vielleicht läuft ihnen in der Jugendherberge ja noch der Schauspieler Richy Müller über den Weg: „Seit die mal einen ,Tatort’ hier gedreht haben, kommt er öfter vorbei“, sagt Gerrit de Vries. Oder sie sind noch Ex-Fußballstar Guido Buchwald begegnet, dem Paten der Jugendherberge, der sich zum Mittagessen angekündigt habe. Auch viele Beschäftigten des Paritätischen Wohlfahrtsverbands, des Gerichts oder der Staatstheater kommen über Mittag vorbei. Essen und den Blick genießen dürfen allerdings nur Gäste mit Mitgliedsausweis vom Deutschen Jugendherbergswerk.

Handtücher für die Tänzer

Wenn vom 9. bis zum 13. August rund 4000 Teilnehmer zu den German Open Championships, zum größten Tanzturnier der Welt, zusammenkommen, ist mit dem nächsten großen Ansturm zu rechnen. Für Tänzer muss es natürlich was Kalorienarmes geben. „Die Miso-Suppe gefragt“, sagt Marlies de Vries. Die Herbergseltern kalkulieren außerdem mit einer Neubeschaffung von Handtüchern, denn: „Die Schminke kriegst du nicht mehr raus“, sagt Gerrit de Vries. So gelassen wird man als Herbergsvater vermutlich nur auf solch einer Terrasse . . .

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