Großartige Erfolge, Großartige Momente: Fellbachs Sportler(innen) haben in den vergangenen Jahrzehnten viel erlebt. Wir wollen ihre Geschichte und ihre Geschichten wieder aufleben lassen. Heute: Sandra Sachse, die zweifache Olympionikin.

Fellbach - Der Stachel sitzt tief. Auch heute noch. 24 Jahre nachdem die Bogenschützin Sandra Sachse (geborene Wagner) bei den Olympischen Sommerspielen in Atlanta an der Seite von Barbara Mensing und Cornelia Pfohl die Silbermedaille im Teamwettbewerb gewonnen hat.

 

Abgeholt am Flughafen wurde sie damals von den Bogenschützen der SGi Welzheim, mit denen sie anschließend durch deren Ort marschierte

Weil es vor dem olympischen Coup schon gewaltig gebrodelt hatte zwischen der damals 26-jährigen Vorzeigeathletin, der Vereinsführung der Schützenkameradschaft (SK) Fellbach-Schmiden und einigen Mitgliedern, verweigerte man ihr den gebührenden Empfang nach der Rückkehr aus den USA. Dabei war Sandra Sachse die erste Sportlerin, die dem Verein und auch der Stadt Fellbach eine olympische Medaille bescherte. „Als die Verantwortlichen bei der Stadt mitbekommen haben, dass mich mein Verein nicht empfängt, habe ich eine ganze Weile später eine separate Ehrung bekommen“, sagt die heute 50-Jährige. An Details könne sie sich aber nicht mehr erinnern.

Abgeholt am Flughafen wurde sie damals von den Bogenschützen der SGi Welzheim, mit denen sie anschließend durch deren Ort marschierte. „Es war zu der Zeit schon klar, dass ich nach Welzheim wechseln werde“, sagt Sandra Sachse. Zum einen instruierte dort der damalige Bundestrainer Viktor Bachmann die Kaderschützen, zum anderen wohnte sie bereits im Schorndorfer Teilort Schornbach und ihre ältere Schwester Marion, die 1992 bei den Spielen in Barcelona die deutschen Farben vertreten hatte (Platz zehn im Teamwettbewerb), in Welzheim. Auch sie wechselte 1997 mit ihrer Schwester Sandra zur SGi.

Es war die Fortschreibung einer Erfolgsgeschichte, wie es sie bis heute bei der SK Fellbach-Schmiden nicht mehr gegeben hat

„Das war ziemlich hart für uns beide, aber letztlich war der Verlust für die SK größer“, sagt Sandra Sachse, die einst als Siebenjährige in Schmiden mit dem Bogenschießen begonnen hatte. Das Schützenhaus sei für die beiden Schwestern wie ein zweites Wohnzimmer gewesen. Der Verein hatte eine tolle Jugendarbeit. „Wir haben im Jugendraum Fasching und Silvester gefeiert und auch sonst jede freie Minute dort verbracht“, sagt die Mutter zweier Töchter, die 1997 und 2001 auf die Welt kamen.

Bevor Sandra Sachse allerdings den Bogen für die SGi Welzheim gespannt hat, startete sie noch einmal für die SK Fellbach-Schmiden bei den deutschen Meisterschaften. Außer der Goldmedaille im Teamwettbewerb mit ihrer Schwester Marion und Elke Dieterich gewann die olympische Silbermedaillengewinnerin auch den Titel in der Einzelwertung. Es war die Fortschreibung einer Erfolgsgeschichte, wie es sie bis heute bei der SK Fellbach-Schmiden nicht mehr gegeben hat. 1985, im 101. Jahr des Vereinsbestehens, hatte Marion Wagner den ersten deutschen Meistertitel für die Schmidener gewonnen. Ein Jahr später stand ihre Schwester Sandra erstmals ganz oben auf dem Podest. „Danach haben wir jedes Jahr irgendwelche Medaillen von den nationalen Titelkämpfen mitgebracht“, sagt Sandra Sachse. Die letzten 1996. In jenem Jahr landete die erfolgreichste Bogenschützin bei der Fellbacher Sportlerwahl übrigens auf Platz eins – das erste und einzige Mal vor der Sportgymnastin Magdalena Brzeska, die ebenfalls in Atlanta am Start war.

Ihre internationale Karriere hat Sandra Sachse nach den Spielen in Sydney beendet

Vier Jahre später, 2000, stand Sandra Sachse ein weiteres Mal im deutschen Olympiaaufgebot. Und auch in Sydney durfte sie gemeinsam mit Barbara Mensing und Cornelia Pfohl über eine Medaille jubeln. Diesmal war es die bronzene. Nach der Rückkehr gab es in Schorndorf einen großen Empfang. Mit dem Cabrio ging es durch die Straßen, ehe sie sich ins Goldene Buch der Stadt eintragen durfte – wie später auch in Welzheim.

Obwohl der Gewinn der Silbermedaille 1996 eine Sensation war – es war die erste olympische Medaille für den deutschen Bogensport überhaupt –, genießt die Bronzemedaille bei Sandra Sachse einen höheren Stellenwert. „1996 hatte keiner mit uns gerechnet. Vier Jahre später schon. Der Druck war enorm“, sagt sie. Daheim in der Glasvitrine liegt indes nur die Silbermedaille von Atlanta. Die Bronzemedaille, die bei den Spielen 2000 das einzige Edelmetall für den Deutschen Schützenbund bedeutete, ist im Deutschen Schützenmuseum in Coburg zu bewundern. Die Medaillen von 1996 und 2000 sollten lange die einzigen Olympiamedaillen deutscher Bogenschützen bleiben. Erst 2016 gewann Lisa Unruh in Rio de Janeiro Silber in der Einzelwertung.

Ihre internationale Karriere hat Sandra Sachse nach den Spielen in Sydney beendet. National stellte sie sich noch bis 2015 der Konkurrenz. Ihren letzten deutschen Einzeltitel gewann sie 2015 in der Altersklasse. Seit 2005 ist die gelernte Maschinenbau-Meisterin als Landestrainerin mit A-Lizenz im Landesleistungszentrum in Pforzheim angestellt. Außerdem bekleidet sie in Schornbach seit 2016 das Amt der Ortsvorsteherin.

Und auch wenn sie heute kaum mehr als olympische Medaillengewinnerin erkannt wird, in Österreich und Italien werben Hotels nach wie vor mit ihren Erfolgen. „Vor der Corona-Krise durfte ich den Gästen immer das Bogenschießen beibringen“, sagt sie. „Hoffentlich bald wieder.“