Carmen Pilar braucht keinen Wecker und keinen Wachhund. Die Eschenbacherin hat ja ihre beiden Sittiche. Die beiden Herren pfeifen, trällern und können sprechen – aber nur wenn sie wollen.

Region: Andreas Pflüger (eas)

Eschenbach - Wellensittiche, das sind doch diese kleinen, wild flatternden Piepmätze in blau oder grün, die für gewöhnlich Hansi, Peter oder Kiki heißen und vorwiegend in den Wohnstuben älterer Damen anzutreffen sind. Das mit den Farbtönen mag in den meisten Fällen zwar stimmen, ansonsten aber war’s das mit den Klischees. Denn Wellensittich ist nicht gleich Wellensittich – und die beiden gefiederten Lieblinge von Carmen Pilar heißen Gary und Popeye. Gary, drei Jahre alt, ist ein sogenannter Halbstandard-, der einjährige Popeye ein Standardwellensittich.

 

Die Zuchttiere sind ruhiger, aber größer und hübscher als ihre in Australien frei lebenden Artgenossen, und sie haben längere Federn. Popeye und Gary können außerdem sprechen. Das mag zum einen damit zu tun haben, dass Wellensittiche per se zur Ordnung der Papageien gehören, liegt aber gewiss noch mehr daran, dass Carmen Pilar ihre Vögel nicht nur hält, sondern sich auch wirklich mit ihnen beschäftigt. Eine omnipotente Sittichflüsterin ist die 47-jährige Eschenbacherin dennoch nicht. Ihre Mitbewohner sind eigen. Auf Kommando läuft gar nix, geplappert wird nur, wenn den beiden Herren danach ist.

Je lauter die Menschen, desto lauter die Sittiche

Dann allerdings geht’s ab: „Was ist da los? – Du Spitzbube, du! – Mein süßer kleiner Spatz. – Wo bis du, Popeye?“: Sind die Vögel in Stimmung, geben sie wieder, was sie von ihrem Frauchen zu hören bekommen. Einfach so, ohne dass ihnen das auf irgendeine Weise anerzogen worden wäre. Auch sonst passt das Duo seine „Konversation“ den jeweiligen Umgebungsbedingungen an. „Je lauter sich die Menschen in einem Zimmer unterhalten, umso lauter reden und pfeifen auch meine Sittiche“, hat Carmen Pilar festgestellt.

Apropos Pfeifen: Gary und Popeye sind Wachhunde und Wecker in einem. Bereits wenn unten die Türe des Mehrfamilienhauses aufgeschlossen wird, beginnt oben in der Wohnung ein Doppelkonzert: eher melodisch, wenn das Geräusch vertraut ist, eher dissonant, wenn nicht. Musiziert wird indes auch am Morgen. Sind die beiden in ihrem Käfig der Meinung, dass das Tagwerk nun endlich begonnen werden müsste, geben sie unmissverständlich laut. „Meistens geht’s los, wenn’s hell wird und dann wird solange Rabatz gemacht, bis ich aufstehe“, erklärt Pilar, die schon als Kind Wellensittiche gehabt hat und deshalb ziemlich genau um deren Eigenheiten weiß.

Körperpflege in den Hand von Frauchen

Frühstück und Körperpflege sind wichtig. Gary steht, neben Körnern und Salat, auf Orangensaft. Popeye munden Erdbeeren und anderes Obst besser als Karotten. Gebadet wird über dem Waschbecken, in der Hand von Frauchen – ein anschließender prüfender Blick in den Spiegel ist gewissermaßen Pflicht. Reicht die Zeit, gibt es noch eine kurze Streicheleinheit, ehe es für Carmen Pilar ins Büro und für die Vögel zurück in ihre geräumige Behausung geht.

Tagsüber ist das Wohnzimmer eine Sperrzone. Nicht etwa weil Gary und Popeye womöglich nach einer Gelegenheit suchen würden, um zu entschwinden. „Aber eine Garantie gibt es natürlich nicht. Und außerdem, dessen muss man sich schon bewusst sein, machen Vögel Dreck“, sagt die Eschenbacherin. Verzichten würde sie auf ihre Sittiche deswegen aber nicht, höchstens mal für einige Tage Urlaub, in denen sich die Nachbarin kümmert.

Dass es in der nächsten Zeit größere Veränderungen in ihrer Sittich-Kolonie geben könnte, nimmt Carmen Pilar nicht an: „Es ist aktuell kein Zuwachs geplant und dass ich einen meiner Lieblinge hergebe, kommt eh nicht in Frage.“ Wellensittiche seien Schwarmvögel und sollten daher nie alleine gehalten werden, betont sie. „Wer das aus Bequemlichkeit macht, ist in meinen Augen ein echter Tierquäler.“