Auf den Fildern verdienten auch die Pfarrer ein Vielfaches ihres sonst in Württemberg üblichen Salärs – nicht zuletzt durch den florierenden Krautanbau. Das lockte auch Geistesgrößen wie Philipp Mattäus Hahn an.

Rems-Murr: Sascha Schmierer (sas)

Filder - Wenn einer Geistesgröße nicht nur das ein oder andere Denkmal gesetzt wird, sondern auch Schulen und Straßen ihren Namen tragen, darf das geneigte Publikum getrost davon ausgehen, dass es sich um einen besonders kreativen Kopf handelt. Der aus Scharnhausen stammende Philipp Matthäus Hahn ist so ein Fall.

 

Denn das 1739 geborene Multitalent war nicht nur bekannt als begnadeter Konstrukteur und durch seine bestechenden Kenntnisse in der Feinmechanik schon zu Lebzeiten eine weit über die Grenzen Württembergs hinaus geachtete Persönlichkeit. Nein, der Pfarrerssohn war auch als herausragender Theologe ein Begriff, ein Gottesmann, der für naturwissenschaftliches Denken ebenso wie für einen festen Glauben stand.

Schon als Jugendlicher mit astronomischen Studien befasst

Schon als Jugendlicher – das ist das Alter, in dem sich der heutige Nachwuchs normalerweise eher mit Koma-Saufen und Smartphone-Daddeln die Zeit vertreibt – befasste sich Hahn mit astronomischen Studien und dem Bau von Sonnenuhren. Mit gerade mal 30 Jahren ersann er die so genannte Weltmaschine – ein Modell, das die traditionell geozentrische Lehre vom Umlauf der Planeten um die Erde und das nach den bahnbrechenden Entdeckungen von Kopernikus entwickelte heliozentrische System mit der Sonne als Mittelpunkt vereinte.

Herzog Carl Eugen war derart begeistert von seinem Landeskind, dass er ihn mit Finanzködern zu binden suchte – schließlich hatte auch Markgraf Karl Friedrich von Baden nach dem schwäbischen Genie die Fühler ausgestreckt.

Eine lukrative Pfarrstelle gab das Geld für die Forschung

Beim ein oder anderen Leser mag die berechtigte Frage auf der Zunge brennen, was die Lebensgeschichte von Philipp Matthäus Hahn denn nun eigentlich mit dem Filderkraut zu tun hat. Die Antwort ist vergleichsweise einfach: Auch ein handwerklich geschickter Gottesmann muss sehen, wie er an Geld für seine Forschung kommt – und da bot sich Echterdingen förmlich an. Durch die reichen Bauern auf den Fildern lag die Besoldung in den hiesigen Kirchengemeinden nämlich derart weit über Durchschnittsniveau, dass Koryphäen wie unser Uhrmacher-Pfarrer die bäuerliche Provinz dem Leben in einer Universitätsstadt gern vorzogen. Die Echterdinger Pfarrei war die finanziell einträglichste Stelle im ganzen Land – da lohnte es sich sogar, ein paar Jahre auf den lukrativen Posten im Fildergebiet zu warten.

Deutlich werden die erheblichen Unterschiede bei der Besoldung bei einem Blick auf eine landesweite Erhebung aus dem 18. Jahrhundert: In Scharnhausen erhielt ein Pfarrer aus dem Zehnt für landwirtschaftlich genutzte Grundstücke exakt 379 Gulden. In Musberg wurde mit 849 Gulden mehr als die doppelte Summe ausgezahlt, in Kemnat waren sogar 863 Gulden zu verdienen. Doch selbst diese Beträge lagen noch weit unter den 942 Gulden, die es in Bonlanden gab oder den 1017 Gulden in Plattenhardt. Noch besser ging es der Ortsgeistlichkeit in Bernhausen (1129 Gulden und Plieningen (1191 Gulden). Den Vogel allerdings schießt Echterdingen mit sage und schreibe 1728 Gulden ab – das ist fast fünf mal so viel wie für die arme Kirchenmaus, die in Scharnhausen ihren Dienst tat.

Durch den Zehnten erhielt der Pfarrer 45 000 Krautköpfe

Möglich wurde die üppige Finanzausstattung, weil der Echterdinger Pfarrer von 450 000 Krautköpfen immerhin 45 000 Stück einkassieren durfte. „Da der Pfarrer die Feldfrüchte selbst bei den Bauern einziehen musste, lässt sich leicht vorstellen, zu welchen Spannungen dies führte“, weiß der Filderstädter Stadtarchivar Nikolaus Back. Durch die Umrechnung – für je hundert Krautköpfe gab es 40 Kreuzer – konnte es sich Philipp Matthäus Hahn leisten, im Erdgeschoss der im Echterdinger Pfarrhaus eingerichteten Werkstatt nicht nur seine vier Söhne Christoph, Christian, Gottlieb und Immanuel, sondern auch noch mehrere Gesellen zu beschäftigen. Das Kraut ließ die Taschenuhren ticken...