Mit gezielten Mistgaben und Jaucheberegnung gönnten die Bauern dem Kraut eine Extraportion Nährstoffe.

Rems-Murr: Sascha Schmierer (sas)

Filder - Wer mit der Landwirtschaft auf den Fildern nicht gar so tief verwurzelt ist, denkt beim Begriff „Kopfdüngung“ ja womöglich an eine Haarwäsche mit einem qualitativ ganz besonders hochwertigen Pflegeshampoo. Gemeint ist mit dem Fachwort aber ein Arbeitsgang, der nicht nur von etwas anrüchiger Natur war, sondern die Bauern auch viel Zeit kostete.

 

Gleich nach dem Auspflanzen der Filderkraut-Setzlinge nämlich ging der Landwirt mit der Mistgabel übers Feld, um rund um wirklich jeden einzelnen Setzling einen kleinen Kreis aus Kuhdung zu ziehen – die sogenannte Kopfdüngung.

Den Stallmist einfach als Haufen auf den künftigen Krautkopf zu setzen, hätte den zarten Pflänzchen den Garaus gemacht oder ihnen durch die Schärfe der Jauche zumindest Verbrennungen zugefügt. Also betätigten sich die Bauern anno dazumal als Kreis-Künstler, um ihre Setzlinge mit einer gut gezielten Extraportion an Nährstoffen zu versorgen. Was das in der Praxis bedeutet, können sich passionierte Hobbygärtner leicht ausmalen: Auf einem hektargroßen Krautfeld wachsen – je nach dem gewählten Setzabstand und grob über den Daumen gepeilt – um die 20 000 Pflanzen. Der Bauer wusste also spätestens beim Abendbrot, was er geschafft hatte.

Nötig war die Kopfdüngung aber aus gleich zweierlei Gründen: Zum einen zeichnet sich das Spitzkraut durch einen gewaltigen Nährstoffbedarf aus – für ein vorbildliches Wachstum brauchen die Haible jede Menge Dünger.

Deshalb wurde schon im Herbst gleich nach der Ernte fuhrwerkweise frischer Kuhmist auf die Felder gekarrt, mit der Hand am Arm verteilt und mit dem Stelzpflug oder Kurvenpflug in die Scholle eingearbeitet. Nach der Schneeschmelze gab es eine zweite Ladung Naturdünger für die Felder, die aber nicht mehr untergepflügt wurde. Laut der 1924 erschienenen Dissertation des Hohenheimer Wissenschaftlers Siegmund von Frauendorfer zum Krautanbau auf den Fildern soll zu den Hochzeiten im 19. Jahrhundert teils der gesamte Stallmist aus der Landwirtschaft zur Düngung der Haible verwendet worden sein.

Apropos: Durchaus verbreitet war auf den Fildern auch die so genannte Pferchdüngung. Leinfelden-Echterdingens Stadtarchivar Bernd Klagholz schreibt in einem Beitrag für den 1995 gemeinsam mit Filderstadt herausgegebenen Filderkraut-Band, dass viele Bauern das Vieh auch gern direkt auf die noch unbebauten Felder trieben. Vor allem Schafe durften sich zwischen Ernte und Auspflanzung im Pferch am spärlichen Grün laben – und sorgten beim Grasen für eine gleichmäßige Verteilung ihrer als Dünger begehrten Kotkügelchen.

Natürlich aber erhielten auch die im Frühjahr im Hausgarten aufgepäppelten Setzlinge regelmäßig einen Nährstoffschub: Um das Wachstum zu fördern wurden sie vom Bauern reichlich mit Jauche übergossen. Die Bauersfrau trippelte mit der Wasserkanne hinterher, um die scharfe Brühe wieder von den Blättern abzuwaschen – nicht dass die wertvolle Pflanzenzucht durch die gut gemeinten Düngergaben womöglich noch Schaden nimmt.

Es ist übrigens nur ein Gerücht, dass die Landwirte auf den Fildern wegen des überbordenden Jauchegebrauchs vor der eigenen Haustür irgendwann dazu übergingen, die Krautsetzlinge auf dem freien Feld zu ziehen. Nein, der Grund für den Wechsel ins Freiland lag neben dem technischen Wandel auch in der Erkenntnis, dass die auf dem Acker wachsenden Pflanzen in der Regel deutlich robuster ausfallen als ihre im Hausgarten umsorgten Geschwister. Nachteil waren die weiten Wege für die Bäuerin und die heranwachsenden Töchter. Während sich die Männer ums Pflügen, Eggen und Säen kümmerten, waren das regelmäßige Gießen des Beets, das tägliche Unkrautzupfen, das Vereinzeln zu dicht wachsender Setzlinge und das Pikieren an kahlen Stellen traditionelle Frauenarbeiten.