Durchs Spitzkraut wohlhabend gewordene Filderbauern konnten sich nicht nur eine mit 18 Silberknöpfen geschmückte Tracht leisten. Auch eine Uhrenkette mit Striegel und Eichenlaub war beliebt, um die besondere Stellung zu zeigen.

Rems-Murr: Sascha Schmierer (sas)

Filder - Ein Statussymbol ist eine feine Sache. Wer mit einem schnittigen Sportwagen unterwegs ist, eine teure Uhr und feinen Zwirn trägt, lässt bereits auf den ersten Blick erkennen, dass er beruflich Erfolg hat und es sich leisten kann. Wer mit dem Rucksack auf Tour geht, will ferne Länder nicht nur auf eigene Faust erkunden, sondern auch zeigen, dass er ein individueller Typ ist, der seinen Urlaub gern abseits von ausgelutschten All-inklusive-Paketen verbringt. Ein in Szene gesetztes Mountainbike stellt uns wahlweise als kernige Naturburschen oder sportlich aktiven Freizeitathleten dar, eine mit der Marcel-Proust-Gesamtausgabe bestückte Bücherwand als feinsinnige Literaturfreunde und mutmaßlich kluge Köpfe.

 

Selbstbewusstsein mit dem Motto: „Mir hend’s, mir send’s“

Ein Statussymbol hatten weiland freilich auch die Filderbauern – und zwar in Form ihrer Tracht. Die durch die guten Geschäfte mit dem Spitzkraut wohlhabenden Landwirte hatten reichlich Selbstbewusstsein, frei nach dem Motto „Mir hend’s, mir send’s“ aufzutreten. Sichtbares Zeichen für Rang und Rollenbild waren große Silberknöpfe an der Samtweste der Männer.

Exakt 18 Stück trug der Bauer etwa in der alten Echterdinger Tracht – und zwar aus Sicht bescheidener Schwaben so groß, dass sie gar keinen Platz in einer sauberen Reihe fanden, sondern ein versetztes Zick-Zack-Muster ergaben. Deshalb wurden die Echterdinger auch „Rollensäcke“ genannt, der zur Schau gestellte Wohlstand brachte ihnen außerdem den Ruf ein, „Prachtierer“ zu sein.

Die Echterdinger wurden „Rollensäcke“ genannt

Die für Krautanbau, Ernte, Verarbeitung und Verkauf nicht minder wichtigen Bauersfrauen übrigens durften sich auch mit Silber schmücken: Neun Knöpfe enthielt ihre Tracht, die allerdings bereits Ende des 19. Jahrhunderts nicht mehr getragen wurde. Die Bauern hingegen wurden bis in die 1960er Jahre an Sonn- und Feiertagen in ihrem Häs gesehen – das als Statussymbol getragene Gewand verschaffte den Landwirten von den Fildern schließlich nicht nur ungeteilte Aufmerksamkeit, sondern auch respektvolle Distanz und Achtung – und zeigte, dass man es bei einer derart reichen Tradition nicht nötig hatte, den Modetrends der Zeit hinterher zu hecheln. Es war schon was, ein Rossbauer zu sein.

Apropos: Beliebt als Zeichen des Wohlstands war auch fein gearbeiteter Silberschmuck. Ein am Hut getragenes Pferdle oder die Dreieinigkeit von Ross, Eichenlaub und Pferdestriegel an der Uhrenkette wurden vom Vater auf den Sohn vererbt. Dieser Lust, seinen Reichtum zu zeigen, konnte selbst der in Württemberg weit verbreitete Pietismus vergleichsweise wenig anhaben. Auch wenn auch auf den Fildern allgemein anerkannt war, dass zu einem gottgefälligen Leben erstens harte Arbeit und zweitens ein auf jegliche Auffälligkeit verzichtendes Gewand gehörte, mochten die Filderbauern nicht von ihrer reich besetzten Tracht lassen.

Dreispitz und die aus Fischotter-Pelz geschneiderte Kappe

Sie behalfen sich mit einem Kompromiss: Die nach alter Väter Sitte weißen Beinkleider wurden schwarz eingefärbt, die Silberknöpfe aber weiterhin mit Stolz getragen. Und auch bei der Hutmode lässt sich laut Wolfgang Haug, Leiter des Echterdinger Stadtmuseums, gewisse Experimentierfreudigkeit nachweisen. Der traditionelle Dreispitz – sonntags mit der Spitze nach vorne getragen, unter der Woche aber mit der Breitseite in Blickrichtung auf den Kopf gesetzt – wurde bei den jungen Burschen zeitweise durch eine aus Fischotter-Pelz geschneiderte Kappe ersetzt. Man gönnt sich ja sonst nichts.

Zum Weiterlesen: Das Filderkraut-Buch der Stadtarchive

Das Buch zum Filderkraut Foto: z
Mit 15 Beiträgen zu verschiedensten Themen rund ums Filderkraut hat die Serie „Was isch au des?“ versucht, fast vergessene Traditionen, historisches Handwerkszeug und überlieferte Tricks und Kniffe wieder in Erinnerung zu rufen. Nicht denkbar gewesen wäre diese Arbeit ohne Mit-hilfe von Wolfgang Haug und Manfred Schäfer gewesen. Aber auch das 1995 von den Stadtarchiven Filderstadt und Leinfelden-Echterdingen erstellte Buch „Das Filderkraut“ erwies sich als Füllhorn gut aufbereiteter und vor allem wissenschaftlich fundierter Details. Für alle, die weiterlesen wollen: Restexemplare sind zum moderaten Preis von 12,50 Euro noch im örtlichen Buchhandel erhältlich