Stallmist brachte Nährstoffe und schreckte Ungeziefer ab. Doch mit der Filderbahn kam der Kunstdünger.

Rems-Murr: Sascha Schmierer (sas)

Filder - Ohne die „Kopfdüngung“ ging es nicht beim Krautanbau von anno dazumal. Der in Ringform um die frisch ausgepflanzten Setzlinge verteilte Stallmist bescherte den im Hausgarten gezogenen und in der Regel Ende Mai in den Acker gesetzten Jungpflanzen den erhofften Nährstoffschub. Unerwähnt blieb in der vergangene Woche erschienenen Folge von „Was isch au des?“ allerdings, dass der wie ein Schutzwall rund um den Setzling liegende Kuhdung auch einen wichtigen Nebeneffekt hatte. In Zeiten, in denen der Landwirtschaft keine chemischen Pflanzenschutzmittel zur Verfügung standen, war der Stallmist nämlich nicht nur Dünger, sondern auch die einzige halbwegs taugliche Maßnahme gegen gefräßige Schädlinge.

 

Die knitzen Bauern auf den Fildern bemerkten jedenfalls ziemlich schnell, dass der Mist um die Setzlinge nicht nur den Boden feucht und nährstoffreich hielt, sondern durch seinen starken Geruch auch die Läuse abschreckte. Selbst die Erdflöhe, sonst durchaus als Feinschmecker bekannt, hielt der Mist in der Regel davon ab, sich in allzu großer Zahl häuslich in den Krautköpfen niederzulassen.

Nahm die Ungezieferplage dennoch überhand, half den Landwirten in früheren Zeiten nur noch der Griff zur Kalk-Keule, um ihre Ernte zu retten. Wie der Plieninger Wilhelm Hertig in seinen Erinnerungen an den Krautanbau schildert, wurde ein fein gestrickter Frauenstrumpf mit dem leicht ätzend wirkenden Pulver gefüllt und über dem befallenen Krautköpfen auf- und abgeschüttelt. Mit Kalk bestäubt zu werden wie aus der Puderzuckerdose war für Laus & Co. kein Vergnügen. „Meistens fielen sie schon nach wenigen Minuten tot zu Boden“, erzählt Hertig.

Um keine falschen Vorstellungen aufkommen zu lassen: Es gab noch genügend Schädlinge, gegen die vor der Erfindung synthetisch hergestellter Spritzmittel sozusagen kein Kraut gewachsen war. Die berüchtigte Drehherzmücke etwa, die mit einem Stich ins Herz der Pflanze weiteres Wachstum verhindert. Oder die zur Familie der Nachtfalter zählende Kohleule, die auch in modernen Gewächshauskulturen nicht gern gesehen wird, weil sich ihre Sprösslinge im Raupenstadium bevorzugt am jungen Blattwerk laben.

Selbst wenn die Bauern die Gefahr der Wurzelfäule mit dem Beizbad gegen die Schwarzbeinigkeit im 51,5 Grad warmen Wasserkessel bekämpft hatten, blieben also noch genug Möglichkeiten, dass dem Spitzkraut über den Sommer der Garaus gemacht wird. Laut dem Echterdinger Manfred Schäfer lehrte die Erfahrung, dass die Bedrohung durch Schädlinge besonders groß ist, wenn der Krautacker an andersartige Pflanzen, etwa ein Getreidefeld, grenzt. Auch Helmut Schumacher aus Bernhausen, nennt ein geschlossenes Krautfeld das Maß aller Dinge: „Als Faustregel gilt, dass die ersten zwei bis drei Reihen durch Schädlingsbefall kaum Er-träge bringen“, hat der Landwirt notiert.

Doch zurück zum Dünger: Mit der technischen Entwicklung kamen auch die Filderbauern rasch auf die Idee, dass künstlich hergestellter Dünger die Haible wachstumsmäßig noch ein bisschen besser aufpeppt als nur der Kuhmist und die Jauche aus dem heimischen Stall. Deshalb wurde ausgiebig mit Kalisalz und schwefelsaurem Ammoniak experimentiert, mit dem durch den Bau der Filderbahn gelösten Transportproblem stieg der Verbrauch künstlicher Düngemittel stark an.

Noch vor dem ersten Weltkrieg waren Salpeter und der von Vogelfelsen gekratzte Guano auch auf den Fildern sehr beliebte Dünger. Selbst ein Abfallprodukt aus der Stahlerzeugung, das Thomasmehl, kam als Phosphatdünger auf die Felder. Der Name geht auf den Briten Sidney Thomas zurück, der sich die bei der Verhüttung phosphor-reicher Eisenerze entstehende Schlacke 1877 patentieren ließ und trotz eines bemerkenswert hohen Chromgehalts fein gemahlen und vor allem äußerst günstig in den Handel brachte.

Stellvertretend für eine Zeit, die eher unbefangen mit dem Dünger umging, steht auch eine 1915 entstandene Fotografie: Mit Stock, Hut und Echterdinger Tracht präsentiert der Landwirt Jakob Stoll mit sichtlichem Stolz sich und sein mit Kalkstickstoff gedüngtes Krautfeld. Deutlicher lässt sich der Unterschied zwischen traditionell mit Kuhmist und Jauche gedüngten Haible und den mit „fortschrittlichen“ Präparaten gepäppelten Kraut-Giganten kaum zeigen.