Mönche, Pfarrer und Dreifelderwirtschaft: Historisch exakt belegbar ist die Erfindung des Filderkrauts nicht – doch kirchliche Bezüge gibt es beim Spitzkohl in Hülle und Fülle.

Rems-Murr: Sascha Schmierer (sas)

Filder - Für Pfarrer war es höchst lukrativ, in einer Fildergemeinde einen Posten zu ergattern – das haben wir jüngst in unserer Serie „Was isch au des?“ notiert. Denn nicht zuletzt durch den vom Spitzkraut ausgelösten Wohlstand lag die Pfarrbesoldung weit über dem württembergischen Durchschnitt. Doch das Spitzkraut hat noch mehr kirchliche Bezüge – auch wenn sie sich leider nicht exakt belegen lassen.

 

Der Legende nach wurde die wohlschmeckende Spitze jedenfalls von Mönchen erschaffen. Die Gottesbrüder aus dem 1535 säkularisierten Kloster Denkendorf sollen es nach landläufiger Meinung gewesen sein, die dem Kohl seine zum Himmel strebende Form verschafften. Andere Quellen, das hat der Filderstädter Stadtarchivar Nikolaus Back in einem für den Filderkraut-Band in der städtischen Schriftenreihe 1995 verfassten Beitrag festgehalten, sprechen den Zuchterfolg der Propstei in Nellingen zu.

Mönche züchteten wohl die zum Himmel strebende Form

Ein historischer Beweis findet sich, wie gesagt, weder für die eine noch für die andere Vermutung. Ausschließen lässt es sich aber auch nicht, dass einem Mönch mit einem besonders grünen Daumen das Kunststück gelang, dem Kohlkopf aus dem Erbgut von brassica oleracea eine für eine besondere geschmackliche Finesse stehende Spitze anzuzüchten.

Sicher hingegen ist, dass der Stolz der Filder im Jahr 1772 erstmals unter dem Begriff „Spitzkraut“ erwähnt ist – und zwar wiederum von einem Pfarrer. Johannes Bischoff der Jüngere, als Seelsorger in Bernhausen in Amt und Würden, nennt die Kohlform in seinen handschriftlichen Aufzeichnungen als „einziges Kraut, welches hier gepflanzt wird“.

Ein Pfarrer erwähnt erstmals den Namen „Spitzkraut“

Für eine flächenmäßig nennenswerte Verbreitung spricht auch die 1779 von Johann Jakob Walter in seiner „Praktischen Anleitung zur Gartenkunst“ festgehaltene Beobachtung, dass mit dem Verkauf „alljährlich viele tausend Gulden“ erlöst werden.

Kraut allerdings wird schon gut zwei Jahrhunderte früher auf den Fildern angebaut – ein Lagerbuch aus dem Jahr 1550 dient für Bonlanden, Echterdingen, Kemnat, Plattenhardt und Sielmingen als erste urkundliche Erwähnung. Der Siegeszug des Krautanbaus wiederum hängt entscheidend mit der Weiterentwicklung und Verbesserung der klassischen Dreifelderwirtschaft zusammen. Dass sich mit dem ursprünglich nur als Brachfrucht dienenden Feldgemüse ein gutes Geld verdienen lässt, war sozusagen ein Nebeneffekt.

Siegeszug begann mit der verbesserten Dreifelderwirtschaft

Die Erklärung der auf den ersten Blick etwas gewagten These: Seit dem frühen Mittelalter war die Ackerflur in einem dreijährigen Rhythmus bewirtschaftet worden. Während auf einem Drittel des Felds eine Winterfrucht wie Roggen oder Dinkel gesät wurde, wuchs auf einem zweiten Drittel eine Sommerfrucht wie etwa Gerste. Das letzte Drittel, so wollte es die traditionelle Lehre, sollte als Brachland liegen bleiben, sich erholen und allenfalls als Viehweide genutzt werden.

Im 17. Jahrhundert allerdings rückten die Landleute zunehmend von der überlieferten Tradition ab – und begannen, die Brache für Hackfrüchte wie Rüben, Klee, Hanf und Flachs, aber auch Erbsen und Linsen zu nutzen. Und: Auch Kraut wurde angebaut – die mit Haible bepflanzte Fläche wuchs auf den Fildern bis zum Jahr 1800 auf gut 300 Hektar an. Durch die guten Böden begannen hiesige Bauern bereits sehr früh mit der Nutzung der Brache – und waren ihren Berufskollegen aus den anderen württembergischen Landesteilen um Jahrzehnte voraus.