Der Zirkusdirektor Wolfgang Riedesel ist mit vier seiner Kinder und mit drei Enkeln in Murrhardt hängen geblieben. Die Artisten leben zurzeit von der Vermietung ihrer drei Zelte.

Rems-Murr/ Ludwigsburg: Martin Tschepe (art)

Murrhardt - Fahrendes Volk? Das war einmal. Die Riedesels sind seit vielen Generationen immer unterwegs gewesen. Die Vorfahren haben den Zirkus bereits im 18. Jahrhundert gegründet. Doch seit gut drei Jahren sind der einstige Direktor des kleinen Familienzirkus Hansa, Wolfgang Riedesel, und vier seiner insgesamt acht Kinder sowie drei seiner Enkele sesshaft. Nicht ganz freiwillig aber offenkundig recht zufrieden lebt die Großfamilie auf einem kostenfrei zur Verfügung gestellten Privatgrundstück in der Wilhelm-Soehnle-Straße in Murrhardt sowie auf dem benachbarten städtischen Festplatz Froschgrube. Die Riedesels schlafen, arbeiten, kochen und duschen in ihren acht Wohnwagen.

 

Der große Wagen des 62-jährigen Familienoberhaupts, der direkt an der Soehnle-Straße schräg gegenüber vom Aldimarkt steht, ist die gute Stube. Hier treffen sich alle zum Schwätzen, Kaffee trinken und zum Essen. Fast immer ist ordentlich was los in der Behausung aus Wellblech – auch an diesem sonnigen Wintertag. Joana, 24 Jahre, Levinia, 23 Jahre, Chantal, 17 Jahre, und Angelo, 15 Jahre, sitzen bei ihrem Vater. Joana hält den kleinsten Spross der Zirkusfamilie, den sechs Monate alten Shane, auf dem Arm. Das Baby schreit sich gerade in den Mittagsschlaf. Seine knapp zweijährige Schwester Sienna lutscht an einem Keks und flitz durch den Wohnwagen. Und die Cousine Senita, zwei Jahre, ist bei ihrer Mutter Levinia auf dem Arm.

Kleinen Akrobatik-Auftritte bei Festen

Alle Riedesel-Kinder haben von klein auf im Zirkus ihre Kunststückchen gezeigt. Doch es sei immer schwieriger geworden Genehmigungen von den Städten zu bekommen, erzählt Wolfgang Riedesel. Die Kommunen hätten die Gebühren immer weiter angehoben, und die Tierschützer immer mehr Ärger gemacht. Als er sich dann auch noch bei einem Unfall verletzt hat, war Schluss – zumindest vorerst.

Vor knapp vier Jahren ist der Entschluss gefallen, länger im einstigen Winterquartier Murrhardt zu bleiben. Seither sind die Riedesels Ganzjahres-Murrhardter. Angelo geht in die achte Klasse der Walterichschule. Er wolle demnächst zwar das ein oder andere Praktikum machen, aber „beim Papa bleiben“. Seit die meisten Tiere – etwa die Elefantendame Maya – verkauft worden oder gestorben sind, lebe die Familie von der Vermietung der drei Zelte, berichtet die älteste Tochter, die das Kleinunternehmen führt. Mit den Einnahmen kommen die Riedesesl offenbar einigermaßen über die Runden. Hin und wieder treten Levinia und Chantal mit kleinen Akrobatik-Stückchen bei Festen auf und verdienen so ein bisschen Geld dazu.

Das große Zirkuszelt geht auf die Reise nach Rötha

Im großen Zirkuszelt, in das bis zu 800 Zuschauer passen, geht seit vielen Jahren der Murrhardt Sommerpalast über die Bühne. In einem der kleineren Zelte wird während dieser Veranstaltungsreihe im Sommer für die Zuschauer gekocht. Die Zelte würden ferner von Privatleuten und von Firmen gebucht. Heuer geht das große Zirkuszelt erstmals auf die Reise in die Murrhardter Partnerstadt Rötha. Die sächsische Kommune hat das Zelt für eine Theaterwoche gemietet, und die ganze Familie geht dann mit auf die Reise.

Reisen, das würden die Riedesel-Mädchen gerne öfter. So wie früher, von Stadt zu Stadt. Doch mindestens bis Ende dieses Jahres werden die Zirkusleute in Murrhardt bleiben, sagt Joana, die Managerin. Und womöglich auch noch viel länger.