Die Erbkrankheit Mukoviszidose ist unheilbar – und der Zusammenhalt von Betroffenen ist stark. Sie finanzieren oft auch die Forschung mit, denn kaum ein Pharmaunternehmen fördert diese. Ein Mediziner aus Tübingen sucht deshalb private Geldgeber.

Ditzingen/Tübingen - Früher waren in den Salzstreuern der Gaststätten Reiskörner, damit der Inhalt nicht verklumpt. Heute geben die Hersteller ein spezielles Trennmittel zu, erzählt Joachim Riethmüller. Etwas ähnliches möchte der Experte vom Zentrum für Pädiatrische klinische Studien in Tübingen erreichen, um damit Mukoviszidose-Kranken zu helfen. Doch anders als mit Reis ist das für das mikronisierte Trockensalz, das Träger für weitere fein dosierte Medikament sein kann, nicht so leicht erreichbar.

 

Er habe das jedoch geschafft, sagt Riethmüller, der auch dem Vorstand des Mukoviszidose-Landesverbands angehört. Sein mikronisiertes Trockensalz bleibt stabil. Doch die nötigen Studien für eine Zulassung sind teuer. Zwischen vier und sechs Millionen Euro braucht er – dagegen sind die Einnahmen aus dem Ditzinger Lebenslauf für den Verband Peanuts.

Und weil es weder von Pharmafirmen noch vom Bund die erhoffte Hilfe gibt („Meine Entwicklung wurde zwar für gut befunden, aber es gab zu viele Einreichungen“), setzt Riethmüller auf private Finanziers. Diese Woche hat er Unternehmensberater beauftragt, die in ganz Europa Geld einwerben werden, um bis zum Jahresende das Ziel zu schaffen.

Mit Trockensalz ließen sich fein dosierte Medikamente besser inhalieren, die dann schneller zu den verschleimten Bereichen der Lunge vordringen könnten, erklärt Riethmüller. Doch gerade Antibiotika – sie zerstören die Bakterien, die Patienten krankheitsanfällig machen – werden in Deutschland bei Mukoviszidose noch nicht lange konsequent eingesetzt. Mit Folgen: in Skandinavien, wo die durchschnittliche Lebenserwartung der Betroffenen mit einem Alter von 50 sieben Jahre über der in Deutschland liege, habe man weniger Angst vor einer Resistenz und „schon viel früher und konsequenter mit Antibiotika auf Bakterien geschossen“.

Bekannt erst seit Ende der 1930er Jahre

Früher, damit meint Riethmüller die achtziger Jahre. Denn es ist noch nicht allzu lange her, dass Mukoviszidose als Krankheitsbild erkannt wurde. Ende der 1930er Jahre wurde in den USA die Zystische Fibrose (CF) – heute auch als Mukoviszidose bekannt – als Erkrankung der Bauchspeicheldrüse beschrieben, Mitte der vierziger Jahre dann ein bestimmter Darmverschluss bei Neugeborenen sowie wiederkehrende Lungeninfektionen als häufige Begleiterscheinungen. „Wenn man diese Symptome zusammennimmt, sieht man das Krankheitsbild“, erklärt der Medizinhistoriker Philipp Osten aus Heidelberg.

Erst Anfang der fünfziger Jahre gab es dann auch mehr Klarheit über die Ursache, als Kinderärzte in New York beobachteten, dass CF-Patienten bei warmem Klima unter Überhitzung litten. Im Schweiß fanden sie daraufhin erhöhte Natrium- und Chlorid-Konzentrationen. Bald stand ein Chloridkanaldefekt auf Zellebene als Ursache fest. Und mit dem Schweißtest – in Deutschland 1959 eingeführt – gab es erstmals auch eine Möglichkeit, die Krankheit relativ leicht nachzuweisen. Dreißig Jahre später entdeckten Forscher die Lokalisation des CF-Gens, von dem bis heute mehr als 1900 Varianten nachgewiesen sind.

Gerade das macht es auch schwierig, allen Patienten zu helfen – beziehungsweise ihnen Linderung zu verschaffen, denn die Krankheit ist unheilbar. Immer mal wieder gibt es große Aufregung, wenn Meldungen über „Wunderpillen“ oder ähnliches kursieren. Doch manche gelten nur für einem Bruchteil der Betroffenen, andere Studienergebnisse basierten auf (zu) wenigen Teilnehmern. Viel Aufklärungsarbeit müssen in solchen Fällen auch die Selbsthilfeverbände leisten. „Die haben gerade bei dieser Krankheit eine große Bedeutung“, sagt Osten. Nicht nur für praktische Dinge, etwa, wenn es um Tipps für die richtige Atemtechnik gehe, sondern auch bei der Unterstützung der Forschung.

Gefeiert wird das Jubiläum mit dem Vorsitzenden

Der bundesweit größte Verband ist mit 5500 Mitgliedern und zwei Landesverbänden der Mukoviszidose-Verein. Er beginnt heute sein Jubiläumsjahr zum 50-Jährigen. Denn der 14. März ist der 50. Geburtstag des Vorsitzenden Stephan Kruip. Er ist der erste Betroffene an der Verbandsspitze. Bei der Gründung durch Adolf Windorfer und andere Kinderärzte wäre das noch undenkbar gewesen, denn 1965 wurden Patienten kaum älter als fünf Jahre.

Für betroffene Familien war auch der Alltag eine Belastung: Die Mutter musste beim Kochen aufpassen, die Eltern seinen Brustkorb täglich 20 Minuten lang kräftig abklopfen, erinnert sich Kruip, dessen größere Schwester mit sechs Jahren an der Krankheit starb. Doch unter anderem eine neue Therapie verbesserte die Lebenserwartung, berichtet der Verband. Die „Autogene Drainage“ ermögliche die Selbstreinigung der Lunge, und Verdauungsenzyme helfen den Patienten, Fette zu verdauen. Die Betroffenen müssen seitdem keinen strengen Diätplan mehr halten und damit weniger gegen ein lebensbedrohliches Untergewicht kämpfen.

Und so konnte sich auch der Verband zu Beginn dieses Jahrtausends ein neues Ziel geben: „Kein Kind darf mehr an Mukoviszidose sterben.“ Dieses Ziel kann man 2012 als erreicht betrachten: Erstmals gibt es mehr erwachsene Betroffene als Kinder. Ob die Krankheit jemals geheilt werden kann, etwa durch eine Gentherapie, ist aber „keineswegs sicher“, sagt Kruip. Der 50-Jährige will deshalb durch seine eigene Geschichte auch motivieren. Sein Gesundheitszustand sei dank zwei Stunden Therapie täglich und 20 Kilometer Jogging pro Woche stabil. Dazu kommen inhalative Antibiotika und eine sehr kalorienreiche Ernährung – Bratkartoffeln und gebratene Hähnchen sind für Patienten wie ihn nicht mehr tabu. Gerne auch mit Salz.

Die Krankheit und der Lauf in Kürze

Krankheit
Mukoviszidose ist eine seltene, unheilbare Erbkrankheit. Bei den Betroffenen wird von Geburt an zäher Schleim in vielen Organen produziert, etwa in Lunge, Leber und Darm. Die Betroffenen benötigen deshalb täglich Physiotherapie und müssen inhalieren. In Deutschland leben mehr als 8000 Kinder und junge Erwachsene mit der Krankheit, in Baden-Württemberg sind es rund 850.

Lauf
Der 17. Benefizlauf in Ditzingen ist am Sonntag, 26. April. Die Läufer suchen sich Sponsoren, die für jeden Kilometer einen bestimmten Betrag spenden.